Zeitweise schien sich die Lage im südlichen Syrien zu beruhigen. Doch dann kommt es zu neuen Kämpfen. Viele Anwohner flüchten. Die Versorgung mit Lebensmittel und Arzneimitteln könnte knapp werden.
Aktivisten: Zahl der Todesopfer in Syrien steigt über 200
Trotz einer vorübergehenden Waffenruhe im südlichen Syrien kommt es dort weiterhin zu tödlicher Gewalt. Bei Kämpfen und durch «Hinrichtungen» in der Provinz Suwaida seien seit Dienstag rund 100 Menschen getötet worden. Damit seien seit Sonntag insgesamt mehr als 200 Menschen ums Leben gekommen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.
Es handelt sich dabei um ungefähr 90 Angehörige der Truppen und anderer Sicherheitskräfte der Regierung in Damaskus sowie etwa 20 sunnitische Beduinen. Des Weiteren wurden ungefähr 70 Anwohner der hauptsächlich von Drusen bewohnten Provinz getötet.
Die Armeeeinheiten reagieren weiterhin auf den Beschuss in Suwaida, wie das Verteidigungsministerium in Damaskus mitteilte. Ihr Ziel ist es, die Bewohner zu schützen und denjenigen, die aufgrund der tagelangen Gewalt ihre Heimat verlassen haben, eine sichere Rückkehr zu ermöglichen. Zivilisten wurden aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben. Laut der Beobachtungsstelle gehören auch Frauen und Kinder zu den Opfern.
Beobachtungsstelle berichtet von «Schnell-Hinrichtungen»
Die Opferzahlen können nicht unabhängig überprüft werden. Die Informationen der Beobachtungsstelle mit Sitz in London, die den Konflikt in Syrien mit einem Informantennetz verfolgt, gelten jedoch in der Regel als zuverlässig. Das syrische Innenministerium meldete am Montag zunächst 30 Tote.
Die Beobachtungsstelle berichtete von «Schnell-Hinrichtungen» durch die Regierungstruppen und die mit ihnen verbündeten Kämpfer. Die Truppen hätten in mehreren Dörfern der Provinz Eigentum zerstört, gestohlen und Feuer gelegt. Aus Angst vor Beschuss und Diebstahl hätten die meisten Ladenbesitzer ihre Geschäfte geschlossen. Weil Straßen gesperrt seien, gebe es ernsthafte Sorgen über eine Knappheit an Lebensmitteln und auch Medikamenten.
Familien flüchten in benachbarte Dörfer
Viele Personen flohen aus der Region, um sich in Sicherheit zu bringen. Bilder und Videos, die im Internet kursierten, zeigten Familien, die Suwaida in Richtung angrenzender Dörfer verließen.
Am Sonntag brach die Gewalt zwischen sunnitischen Beduinen und Angehörigen der drusischen Minderheit aus. Die Regierung in Damaskus entsandte Truppen nach Suwaida, um im Land für Stabilität und Sicherheit zu sorgen, wie versprochen. In den vergangenen Monaten kam es im Land mehrfach zu konfessionell motivierter Gewalt.
Israels Verteidigungsminister: Lassen Drusen «nicht im Stich»
Nachbar Israel, das sich dem Schutz der Drusen verpflichtet fühlt, griff erneut Ziele in Syrien an. «Das syrische Regime muss die Drusen in Suwaida in Ruhe lassen und seine Truppen abziehen», teilte der israelische Verteidigungsminister Israel Katz mit. Sein Land werde die Drusen «nicht im Stich lassen». Israels Militär werde seine Angriffe auf die syrischen Truppen noch verstärken, «wenn die Botschaft nicht ankommt».
Am Dienstag hatte sich die Lage nach Verkündung einer Waffenruhe zeitweise beruhigt. Syriens Verteidigungsminister Marhaf Abu Kasra sprach von einer «vollständigen Waffenruhe nach einer Einigung mit den Würdenträgern». Nach dem angekündigten Abzug der Regierungstruppen kam es aber zu neuer Gewalt und die Kämpfe dauerten auch heute an.