Ausländische Reporter haben keinen freien Zutritt zum Kriegsgebiet. Die Berichte kommen von örtlichen Kräften. Israel bezichtigt viele von ihnen, für die Hamas zu kämpfen – oft mit tödlichen Folgen.
Al-Dschasiras Top-Reporter in Gaza getötet
Israels Militär hat nach Angaben des arabischen TV-Senders Al-Dschasira bei einem Luftangriff im Gazastreifen den Korrespondenten des Senders sowie vier weitere Mitarbeiter getötet. Anas al-Scharif und seine Kollegen seien bei einem gezielten Angriff auf ein Zelt für Journalisten in der Stadt Gaza im Norden des Gazastreifens ums Leben gekommen.
Große Menschenmengen säumten am Tag danach den letzten Weg der fünf Getöteten zum Scheich-Radwan-Friedhof in der Stadt Gaza, berichtete Al-Dschasira unter Berufung auf verifizierte Clips in den sozialen Medien. Freunde, Kollegen und Verwandte umarmten und trösteten einander. Ein Mann reckte eine Schutzweste mit der Aufschrift «Press» in die Höhe, während andere ihre Tränen wegwischten.
Laut dem Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) wurden seit Beginn des Gaza-Kriegs 186 Medienmitarbeiter bei israelischen Angriffen getötet. Der arabische Sender Al-Dschasira hat bereits vor dem letzten Angriff den Tod von fünf Korrespondenten, Kameraleuten und Technikern beklagt. Journalisten im Gazastreifen sind immer wieder Ziel israelischer Angriffe.
Israels Militär hat den Tod von al-Scharif bestätigt. Der 28-Jährige gab sich als Al-Dschasira-Journalist aus, soll aber laut Militär eine Terrorzelle der islamistischen Hamas angeführt haben. Die militärische Zugehörigkeit al-Scharifs zur Hamas soll durch Informationen der Geheimdienste und Dokumente aus dem Gazastreifen belegt werden. Er soll für Raketenangriffe auf israelische Zivilisten und Soldaten verantwortlich gewesen sein. Das Militär äußerte sich nicht zu den anderen vier Opfern des Angriffs.
Wenig Transparenz bei Anschuldigungen
Die israelischen Angaben sind nicht überprüfbar. Die angeblichen Geheimdienstinformationen sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich, ihr Kontext nicht transparent. Auch in früheren Fällen begründete die Armee die Tötung palästinensischer Journalisten mit ihrer angeblichen Zugehörigkeit zur Hamas. «Israel hat eine langwährende, dokumentierte Praxis, Journalisten als Terroristen zu beschuldigen, ohne glaubhafte Beweise vorzulegen», schrieb das Journalistenschutzkomitee CPJ in einer Erklärung, in der es die Tötung der fünf Al-Dschasira-Mitarbeiter scharf verurteilte.
Al-Scharif war von Israel offenbar schon länger zum Abschuss freigegeben. Avichai Adraee, der israelische Militärsprecher für die Kommunikation in arabischer Sprache, hatte im Juli mehrere Videos auf sozialen Plattformen gepostet, in denen er den Fernsehreporter unter anderem als «Sprachrohr für intellektuellen Terrorismus» beschimpfte. «Ich lebe mit dem Gefühl, dass ich jederzeit bombardiert und zum Märtyrer gemacht werden kann», vertraute der so Bezeichnete damals dem CPJ an. Dieses forderte, dass ihn die internationale Gemeinschaft schützen müsse.
DJV: «Jagd auf Medienschaffende nicht hinnehmbar»
Der Deutsche Journalistenverband (DJV) verurteilte den israelischen Angriff. Selbst wenn al-Sharif ein Terrorist gewesen sein sollte, rechtfertigt das nicht den Luftangriff auf ein Journalistenzelt, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster. Dass aufgrund von nicht überprüfbaren Vorwürfen gezielt Jagd auf Medienschaffende gemacht werde, sei nicht akzeptabel, fügte er hinzu.
Der Auslandspresseverband in Israel (FPA) zeigte sich empört über die Tötung al-Sharifs und seiner Kollegen. «In den letzten 22 Monaten hat das israelische Militär palästinensische Journalisten wiederholt als Militante abgestempelt, oft ohne nachprüfbare Evidenz, und sie damit zu Angriffszielen gemacht», schrieb der Verband in einer Stellungnahme.
Die FPA hat auch kritisiert, dass ausländischen Journalisten seit Kriegsbeginn weitgehend der Zugang zum Gazastreifen verwehrt ist. Die Berichterstattung obliegt daher ausschließlich lokalen Reportern, die damit ihr Leben riskieren. Israel wirft wiederum der Berichterstattung aus dem Gazastreifen Einseitigkeit und Manipulation durch die Hamas vor.
Al-Dschasiras Gesicht im Gazastreifen
Al-Scharif war einer der bekanntesten Reporter des arabischsprachigen Senders im Gazastreifen. Seit Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober 2023 berichtete er über die Ereignisse vor Ort. In der arabischen Welt galt der 28-Jährige als prominentes Gesicht der Berichterstattung aus Gaza.
Der in Katar ansässige Sender verurteilte den Angriff als einen weiteren «vorsätzlich geplanten Angriff auf die Pressefreiheit.» Al-Scharif und seine Kollegen seien eine der letzten öffentlichen Stimmen aus Gaza gewesen.
Al-Dschasira ist einer der führenden Nachrichtensender in der arabischen Welt und erreicht dort ein Millionenpublikum. Israel blockiert immer wieder die Arbeit von Journalisten des Senders und hat auch bereits deren Büro im Westjordanland geschlossen. Israel wirft Al-Dschasira unter anderem vor, «Sprachrohr» der Hamas und der proiranischen Hisbollah zu sein. Ein Vorwurf, den der Sender zurückweist. Reporter ohne Grenzen wirft stattdessen Israel vor, eine «Strategie des Medienblackouts» zu verfolgen.