Lange schon als Putin-Versteher geächtet, jetzt die Ladung in einen Untersuchungsausschuss: Für Altkanzler Gerhard Schröder war der Stress wohl zu viel. Er begibt sich wegen Burnouts in eine Klinik.
Altkanzler Schröder begibt sich mit Burnout in Klinik
Der Befund des behandelnden Arztes liest sich alarmierend: «Herr S. leidet an einem schweren Burnout-Syndrom mit den typischen Zeichen einer tiefgreifenden Erschöpfung und stark ausgeprägtem Energiemangel.» Dazu kämen «Konzentrations- und Gedächtnisschwierigkeiten sowie Schlafstörungen». Auch eine «verringerte emotionale Belastbarkeit» konstatiert der Arzt in seiner Stellungnahme zum Gesundheitszustand von Altkanzler Gerhard Schröder, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Der SPD-Politiker befindet sich in einem so schlechten Zustand, dass er sich auf ärztlichen Rat hin in klinische Behandlung begeben hat. Dies wurde von Schröders Anwalt Hans-Peter Huber gegenüber der dpa bestätigt. Er bat im Namen der Familie die Öffentlichkeit, Schröders Privatsphäre zu respektieren.
Basler Ballert – Der Podcast powered by Newsflash24.de
Burnout ist ein Zustand der körperlichen, emotionalen und geistigen Erschöpfung, der durch chronischen Stress entsteht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Burnout offiziell als Gesundheitsproblem anerkannt.
Schröder wirkte zuletzt nicht mehr so agil wie früher
Weggefährten Schröders hatten sich schon länger Sorgen um den sonst so leistungsfähigen und burschikosen SPD-Politiker gemacht. Er wirkte bei Begegnungen gestresst und nicht mehr so agil wie noch rund um seinen 80. Geburtstag im April 2024. Damals gab er der dpa ein ausführliches Interview und ließ sich von einem NDR-Kamerateam auf einer China-Reise und dem Golfplatz begleiten. Der Film lieferte das altbekannte Bild des «Medienkanzlers». Von einem also, der sein Bild selbst zeichnen und nicht von anderen bestimmen lassen wollte.
Das war vor allem dank Schröders fünfter Ehefrau Soyeon Schröder-Kim. Die 55-jährige südkoreanische Unternehmensberaterin hat den Altkanzler seit ihrer Hochzeit im Jahr 2018 immer wieder in privaten Momenten auf Instagram präsentiert. Seit dem 5. Januar ist jedoch Funkstille.
Viel Kritik am Altkanzler wegen Russland-Nähe
Hinter Gerhard Schröder liegen schwierige Jahre. Schon sein schneller Wechsel zu gut bezahlten Aufsichtsratsposten russischer Unternehmen nach seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt im Jahr 2005 brachte ihm heftige Kritik ein. Als Russlands Präsident Wladimir Putin, den Schröder seinen Freund nennt, im Februar 2022 den Angriff seiner Truppen auf die Ukraine befahl, zögerte der ehemalige Kanzler lange, sich von ihm zu distanzieren. Er unternahm sogar noch einige Wochen nach Kriegsausbruch eine erfolglose Friedensmission in Moskau.
Arye Sharuz Shalicar‘s Nahost Pulverfass – Kriegsbericht aus Israel
In der politischen Landschaft Deutschlands war er aufgrund seiner Haltung zu Putin weitgehend isoliert. Der Bundestag entzog ihm sein Altkanzlerbüro. Ein Parteiausschlussverfahren der SPD scheiterte jedoch. Der aktuelle SPD-Generalsekretär Matthias Miersch war sogar wieder bei Schröders Geburtstagsfeier im vergangenen April in Hannover anwesend.
Rund um seinen 80. Geburtstag zeigte Schröder sich wieder häufiger in der Öffentlichkeit. Seine krankheitsbedingte Absage für einen Auftritt im Landtag Mecklenburg-Vorpommern sorgte jedoch für Aufsehen. Im Januar sollte Schröder dort vor dem Untersuchungsausschuss vernommen werden, der den Bau der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 untersucht. Die Parlamentarier sind besonders am politischen und finanziellen Einfluss Russlands auf das Handeln der SPD-geführten Schweriner Landesregierungen interessiert.
Aussage im U-Ausschuss rückt in weite Ferne
Die Frage bleibt, welche Rolle Schröder spielte. Als Kanzler hatte er Nord Stream 1 unterstützt, während er als Vorsitzender des Verwaltungsrats der Nord Stream 2 AG im Jahr 2006 den Bau der weiteren Pipeline vorangetrieben hatte, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft des russischen Gazprom.
Aus Schröders Zeugenaussage in Schwerin dürfte vorerst nichts werden. Er sei «weder aktuell noch in absehbarer Zeit den körperlichen und psychischen Belastungen durch eine längere – insbesondere öffentliche – Befragung in einem Untersuchungsausschuss gewachsen», schreibt sein behandelnder Arzt in seiner Stellungnahme. Und warnt: «Diese würde seinen Gesundheitszustand weiter verschlechtern und schlimmstenfalls zu einer totalen Dekompensation führen.» Also einem Zustand, in dem auch die besten Ärzte dem Altkanzler nur schwer noch würden helfen können.