Die Polen wählen ein neues Staatsoberhaupt. Der Warschauer Bürgermeister Trzaskowski und der Historiker Nawrocki gelten als Favoriten. Die zwei großen politischen Lager ringen um die Macht.
Amateurboxer gegen Polit-Profi: Polen wählt Präsidenten
Polen entscheidet über einen neuen Präsidenten. Die Wahl des Nachfolgers für den amtierenden Andrzej Duda bestimmt auch die zukünftige Richtung des Nachbarlandes Deutschlands. Wird der liberale pro-europäische Kurs der Regierung von Donald Tusk unterstützt – oder erleben rechte Kräfte einen erneuten Aufschwung?
Nach zehn Jahren im Amt darf der derzeitige Präsident Duda, der von der nationalkonservativen PiS kommt, nicht mehr kandidieren. Zwölf Männer und eine Frau bewerben sich um seine Nachfolge. Zwei Politiker werden als Favoriten angesehen.
Warschaus Bürgermeister liegt laut Umfragen vorn
Der Warschauer Oberbürgermeister Rafal Trzaskowski führt die Umfragen an und startet für Tusks liberalkonservative Bürgerkoalition. Auf dem zweiten Platz liegt der parteilose Historiker Karol Nawrocki (42), der von der PiS unterstützt wird und bisher Leiter des Instituts für Nationales Gedenken (IPN) war, dem polnischen Pendant der früheren Stasiunterlagenbehörde.
Slawomir Mentzen (38) von der rechtsradikalen Konfederacja hat nur wenige Chancen. Da voraussichtlich keiner der Kandidaten im ersten Wahlgang die erforderliche absolute Mehrheit erhalten wird, ist es wahrscheinlich, dass in zwei Wochen eine Stichwahl zwischen den beiden Kandidaten mit den meisten Stimmen stattfinden wird.
Machtkampf zwischen Tusk und Kaczynski
Das EU- und Nato-Mitglied Polen ist ein Frontstaat unter Druck. Der Krieg in der Ukraine, die Angst vor russischen Sabotageakten, die Zweifel am Rückhalt der USA – das prägt die Gedanken vieler Wähler. Doch die Präsidentenwahl ist wieder ein Armdrücken der beiden Lager, die die Politik seit 20 Jahren bestimmen: Tusks Bürgerkoalition gegen die PiS von Jaroslaw Kaczynski. Die Polen sprechen vom «Duopol».
Die PiS, deren Name «Recht und Gerechtigkeit» bedeutet, führte Polen von 2015 bis 2023. Sie legte die Justiz an die Kandare, lag deshalb im Dauerstreit mit Brüssel und zerrüttete das Verhältnis zu Berlin mit Reparationsforderungen in Billionenhöhe.
Seit Ende 2023 regiert Tusk das Land mit einem Mitte-Links-Bündnis. Er braucht den Sieg von Trzaskowski, damit er den von der PiS betriebenen Abbau von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit rückgängig machen kann. Bislang hat Duda viele Initiativen mit seinem Vetorecht blockiert. Tusk steht auch für die Integration Polens in der EU. «Dass der neue Bundeskanzler Friedrich Merz sich auf seiner ersten Auslandsreise nach Warschau begeben hat, ist symbolisch», sagte der Soziologe Andrzej Rychard dem Magazin «Polityka».
Trzaskowski umwirbt Wähler der Mitte
Trzaskowski, ein 53-jähriger promovierter Sozialwissenschaftler, spricht fünf Fremdsprachen, ist liberal und pro-europäisch. Er plant, Abtreibungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche zu legalisieren, hat die Kruzifixe in den Amtsstuben von Warschau entfernen lassen und nimmt an LGBT-Paraden teil.
Trzaskowski gehört zum linken Flügel in Tusks Partei. Allerdings hat er sich zuletzt in die Mitte bewegt, indem er sich für einen harten Kurs gegen illegale Migranten an der Grenze zu Belarus ausspricht und die Sozialleistungen für ukrainische Kriegsflüchtlinge einschränken möchte. Kritiker bemängeln, dass er keine klaren Standpunkte hat.
Kandidat der PiS mit schwieriger Vergangenheit
Die PiS hofft darauf, wieder an die Macht zu gelangen. Wenn ihr Kandidat es schafft, in den Präsidentenpalast einzuziehen, würde sie weiterhin über eine Schlüsselposition verfügen, um Tusks Politik zu torpedieren.
Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass der alternde PiS-Chef Kaczynski keinen glücklichen Griff getan hat, als er den politisch unerfahrenen Nawrocki ausgewählt hat. Kaczynskis Kalkül ist, dass Nawrocki Wähler vom rechten Rand ansprechen soll.
Der Danziger war in seiner Jugend Amateurboxer und Türsteher – aus dieser Zeit hat er gute Kontakte ins Rotlichtmilieu. Er lobt Rechtspopulisten wie den ungarischen Regierungschef Viktor Orban; den rechten rumänischen Präsidentschaftskandidaten George Simion holte er zu einem Wahlkampftreffen. Auch eine Audienz bei US-Präsident Donald Trump hat Nawrocki schon bekommen. Das Weiße Haus postete Bilder der beiden mit hochgereckten Daumen.
Zuletzt jedoch machte der Kandidat mit der komplizierten Vergangenheit Schlagzeilen. Nawrocki ließ sich unter zweifelhaften Umständen eine Wohnung von einem Rentner überschreiben – im Austausch für die Zusage, sich um den alten Mann zu kümmern. Doch Reporter fanden den hilflosen 80-Jährigen in einem städtischen Pflegeheim. Die Stadt Danzig übernimmt seine Unterhaltskosten. Dies wird bei PiS-Wählern wahrscheinlich nicht gut ankommen, da viele von ihnen zum älteren und ärmeren Teil der Bevölkerung gehören.