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Amazonas im Stress – «auch in Berlin spürbar»

Die grüne Lunge des Planeten schwächelt – und ist derzeit Schauplatz eines Krisengipfels. Ist die Aufmerksamkeit der Welt eine Chance für den Amazonas?

Durch den an die Millionenstadt Belém grenzenden Wald fließt der Fluss Guama.
Foto: Larissa Schwedes/dpa

Der Regenwald in Brasilien steht unter Stress – das macht auch dem deutschen Umweltminister Sorgen. «Die Auswirkungen der Regenwälder auf das Weltklima sind auch in Berlin spürbar», sagte Carsten Schneider bei einem Besuch im Amazonasgebiet, in dem aktuell die Weltklimakonferenz stattfindet. «Wenn der Regenwald im Brasilien nicht mehr da wäre oder nur die Hälfte, hätten wir in Deutschland ganz andere Probleme, weil er die Lunge der Erde ist», betonte der SPD-Politiker.

Brasilien möchte als Gastgeber der Welt die Bedeutung des Amazonas für das Weltklima verdeutlichen. Die Organisation Greenpeace nutzt die Gelegenheit, um bei Überflügen die am Rande zerstörten Gebiete des Regenwaldes von oben zu zeigen. «Der Wald steht leider unter sehr, sehr großem Stress», sagt Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, in Brasilien der Deutschen Presse-Agentur.

Straßen bedeuten Abholzung

«Der Wald neben Belém ist von mehreren Straßen durchtrennt», berichtet der regionale Greenpeace-Experte Romulo Batista. «Sobald der Wald durch Straßen erreichbar wird, kommt es zu Abholzung – und man hat eine Menge Probleme mit illegaler Abholzung.» Klimaforscher Rockström bestätigt: «90 Prozent der Abholzung im brasilianischen Teil des Amazonasgebiets ist illegal.»

Fläche größer als Spanien ist schon verloren

Seit 1985 sind im brasilianischen Amazonasgebiet etwa 52 Millionen Hektar Natur verloren gegangen – eine Fläche größer als Spanien. Laut dem brasilianischen Kartierungs-Netzwerk MapBiomas entspricht dies einem Rückgang um 13 Prozent der ursprünglichen Vegetationsfläche in den letzten vier Jahrzehnten.

Der Hauptgrund für die Abholzung ist die Viehzucht. Die Weideflächen stiegen von 12,3 Millionen Hektar im Jahr 1985 auf 56,1 Millionen Hektar im Jahr 2024 – ein Wachstum von 355 Prozent. Auch für den Sojaanbau, der hauptsächlich als Tierfutter verwendet wird, werden große Flächen gerodet.

Begehrter Schatz mit Nebenwirkungen

Darüber hinaus leidet das Ökosystem Regenwald unter dem Abbau von Bodenschätzen, in Brasilien steht dabei Gold im Fokus. «Wenn legale Goldförderung betrieben wird, wissen die Menschen, dass es in dieser Gegend Gold gibt», erzählt Batista. Oft setzten dann neben diesen Stellen illegale Goldgräber an.

Laut dem World Resources Institute belaufen sich die jährlichen illegalen Goldströme mittlerweile auf mehr als 30 Milliarden Dollar. Der Goldpreis ist in den letzten 20 Jahren stark gestiegen.

Laut Umweltorganisationen führt der Goldabbau im Amazonasgebiet zu erheblichen Umweltschäden, da häufig Quecksilber zur Trennung von Gold und Erz verwendet wird. Dies hat zur Folge, dass das Wasser verschmutzt wird und Fische, Bäume und die lokale Bevölkerung, beispielsweise durch Schädigungen am Nervensystem, beeinträchtigt werden.

Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva will die Entwaldung bis 2030 stoppen. Die Abholzung ging unter ihm laut MapBiomas im vergangenen Jahr um 32 Prozent zurück. Trotz des Rückgangs ist Brasilien vom Ziel der «Null-Abholzung» noch weit entfernt.

18 Fußballfelder pro Minute weg

Im letzten Jahr, laut der Denkfabrik World Resources Institute (WRI), ging immer noch jede Minute eine Fläche tropischen Regenwaldes verloren, die so groß ist wie 18 Fußballfelder. Erstmals waren Feuer mit fast 50 Prozent der Hauptgrund für die Zerstörung der tropischen Wälder. Experten zufolge werden in tropischen Urwäldern die meisten Brände durch Menschen verursacht, etwa um Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung vorzubereiten.

Die Nachrichten sind für das Weltklima besonders schlecht: Weniger Wälder bedeuten weniger Kohlenstoffaufnahme. Die Brände führen zu zusätzlichen Emissionen: Laut WRI wurden im letzten Jahr 4,1 Gigatonnen Treibhausgase freigesetzt – das entspricht mehr als viermal den Emissionen des gesamten Luftverkehrs im Jahr 2023.

Vom Regenwald zur Savanne?

Heute seien bereits rund 17 Prozent der Waldfläche im Amazonas verloren, sagt Klimaforscher Rockström. Wenn man das System zu sehr belaste, werde es sich irreversibel zu einer Savanne entwickeln. «Wenn wir 1,5 Grad überschreiten, was wir sehr wahrscheinlich in den nächsten 5 bis 10 Jahren tun werden, und wenn wir weiterhin Waldfläche verlieren, können wir nicht ausschließen, dass wir in den nächsten Jahrzehnten diesen Kipppunkt erreichen», so Rockström.

Was also tun, um den Teufelskreis zu stoppen? «Wir alle sind auf den Amazonas-Regenwald angewiesen, um ein stabiles Klima zu gewährleisten. Daher sollte Brasilien für diese Dienstleistung, den Schutz des Waldes, eine Entschädigung verlangen können», meint Rockström – und betont mit Blick auf die Verhandlungen in Belém: «Dies sollte Teil eines Abkommens sein.» Mit einem neuen Tropenwald-Fonds hat Brasilien einen Aufschlag in diese Richtung gemacht – wie viel Geld Deutschland dafür gibt, steht noch aus.

dpa