Demokraten und Rechtsexperten warnen vor Trumps gefährlichem Kurs, der die USA in eine Diktatur führen könnte.
Trump’s autoritäre Herrschaft und Angriffe auf Demokratie
Donald Trump übertrifft alle Erwartungen. Die Welt hatte sich zwar auf Chaos unter dem neuen US-Präsidenten eingestellt, doch das schwindelerregende Tempo, mit dem der Republikaner Hand anlegt an die Demokratie und das Verfassungssystem in den USA, schockt viele. Trump ist erst etwa einen Monat im Amt und Demokraten warnen bereits, Amerika stehe vor dem «Tod der Demokratie» und dem «Anfang einer Diktatur». Der 78-Jährige handele wie ein «Despot» und steuere das Land in eine Autokratie, mahnen sie. Rechtsexperten sehen das Land in einer Verfassungskrise.
Es ist daher umso bemerkenswerter, dass Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nun als Diktator bezeichnet und seinem Vize J.D. Vance autokratische Tendenzen in Europa vorwirft. Doch es gehört seit jeher zu Trumps Strategien, Vorwürfe an ihn einfach umzudrehen und zurückzuwerfen.
Ein Präsident über dem Gesetz?
Gerade erst sorgte der Präsident mit einer Ansage für Aufsehen, die verrät, was er von Demokratie und Rechtsstaat hält. Auf der Plattform X verbreitete Trump ein berüchtigtes Zitat, das dem selbst gekrönten französischen Kaiser Napoleon zugeschrieben wird: «Wer sein Land rettet, verletzt kein Gesetz.» Auch der norwegische Rechtsterrorist und Massenmörder Anders Behring Breivik schrieb das Zitat in ein langes Manifest, bevor er 2011 bei zwei Attacken 77 Menschen tötete. Dass der US-Präsident zu dem Zitat greift, hat eine besondere Qualität und befeuert schlimmste Befürchtungen seiner Kritiker.
Das ist besonders wichtig, da Trump von einer historischen Entscheidung des Supreme Courts unterstützt wird. Im Sommer entschied das Gericht mit seiner rechtskonservativen Mehrheit, dass der Präsident für bestimmte Amtshandlungen Immunität besitzt. Das bedeutet zwar nicht, dass Trump freie Hand hat, aber es gibt ihm einen gefährlichen Spielraum.
Diktator doch nicht «nur am ersten Tag»?
Im Wahlkampf hatte der Republikaner damit kokettiert, Diktator wolle er «nur am ersten Tag» sein. Tatsächlich ließen seine ersten Stunden im Amt tief blicken. Er begnadigte alle Straftäter der Kapitol-Attacke vom 6. Januar 2021 – darunter Gewalttäter und prominente Rechtsradikale. Als Erstes jene auf freien Fuß zu setzen, die angetrieben von ihm selbst mit Gewalt versucht hatten, den Machtwechsel zu sabotieren, setzte den Ton für Trumps zweite Amtszeit.
Gleich am ersten Tag im Amt drohte er auch damit, dass sich die USA den Panamakanal «zurückholen» werden, notfalls mit Militärgewalt. Seither erhob er auch Anspruch auf Grönland und den Gazastreifen und rief Kanada wiederholt dazu auf, Teil der USA zu werden. Bestrebungen, sich fremde Territorien einzuverleiben, sind sonst nur aus autokratischen Staaten bekannt.
Machtausbau im Staatsapparat
Trump versucht, seine Macht zu stärken und die Gewaltenteilung in den USA zu umgehen. Er hat einen radikalen Umbau der Regierung eingeleitet und entließ in großem Umfang Mitarbeiter, die nicht seiner Linie folgen. Trumps Team drängte Zehntausende Bundesangestellte dazu, freiwillig zu kündigen – im Austausch für eine Gehaltsfortzahlung über mehrere Monate. Das ist bisher einmalig.
Die Entwicklungsbehörde USAID zerlegte Trumps Team fast komplett. Auch das Bildungsministerium will er abschaffen. Ob er das ohne Zustimmung des Kongresses darf, ist fraglich. Doch Trump testet die Grenzen des Verfassungssystems einfach aus. Unter anderem ließ er Aufseher in Ministerien und Behörden schassen, ohne den Kongress einzubinden. Ebenfalls ohne Zustimmung des Parlaments stoppte die Regierung finanzielle Programme der USA im In- und Ausland. All das wird vor Gericht angefochten. Die Demokratin Ilhan Omar mahnte: «So sieht der Anfang einer Diktatur aus.»
Auch Juristen zeigen sich besorgt. «Wir befinden uns gerade mitten in einer Verfassungskrise», sagte der Rechtswissenschaftler Erwin Chemerinsky der «New York Times». In den ersten Wochen von Trumps Amtszeit habe es bereits «so viele verfassungswidrige und illegale Handlungen» gegeben. «So etwas haben wir noch nie erlebt».
Gewaltiger Einfluss für einen Milliardär ohne Mandat
Elon Musk ist die treibende Kraft hinter diesen drastischen Kürzungen, obwohl er kein politisches Mandat hat. Trump hat den Tech-Milliardär und reichsten Mann der Welt hinzugezogen, um die Regierungsausgaben zu kürzen. Es ist unklar, in welcher Rolle Musk diese Aufgabe übernimmt und ob er einer Aufsicht unterliegt.
Die Tatsache, dass Musks Gruppe erstaunliche Zugänge zu vertraulichen Regierungsdaten hat, beunruhigt die Demokraten im Kongress sehr. Es wird als Tabubruch angesehen, dass der wohlhabende Musk, der Trump im Wahlkampf großzügig unterstützte, nun zusätzlich zu seiner Rolle als CEO mehrerer großer Unternehmen auch als Berater des Präsidenten fungiert und den Regierungsapparat von innen heraus umgestaltet. Dies wird von vielen Demokraten als Beweis für das Aufkommen einer Oligarchie betrachtet.
Kein Gegengewicht im Parlament
Die Republikaner haben die Kontrolle über beide Kongresskammern, was Trump politisch viel Spielraum gibt. Dies ist an sich nicht ungewöhnlich. Allerdings dominiert Trump seine Partei wie nie zuvor. Er hat Gegner im Parlament systematisch beseitigt. Es gibt keine signifikanten Widerstände aus den eigenen Reihen zu befürchten. Der Protest der Demokraten im Kongress erscheint bisher eher hilflos. Sie warnen dramatisch, haben aber noch keinen politischen Weg gefunden, um Trump entgegenzutreten. Bisher gibt es vor allem Widerstand vor Gericht.
Die Rolle der Gerichte
Es laufen etliche Klagen gegen Trumps bisherige Entscheidungen im Amt. Das Schicksal ereilt jeden Präsidenten. Was diesmal aber anders ist: Trump und seine Leute zweifeln die Rolle von Gerichten an – und stellen damit die Gewaltenteilung im Land offen infrage. Trumps Vize Vance schrieb auf X: «Richter dürfen die legitime Macht der Exekutive nicht kontrollieren.» Trumps Sprecherin, Karoline Leavitt, warf Richtern «Machtmissbrauch» vor, wenn sie versuchten, die Politik des Präsidenten zu blockieren. Das bezieht sich allein auf unliebsame Gerichtsentscheidungen.
Gepaart mit Trumps Ansage, dass jener, der die Rettung seines Landes im Sinne habe, über dem Gesetz stehe, sind viele alarmiert. Bereiten solche Aussagen den Boden für das Undenkbare: Dass Trumps Regierung eines Tages einer Gerichtsentscheidung nicht folgen könnte? «Es ist keine Übertreibung zu sagen, dass wir gerade den Tod der Demokratie vor uns sehen», mahnte der demokratische Senator Chris Murphy. «Das Herzstück unserer Demokratie ist, dass wir uns an Gerichtsentscheidungen halten.»
Feldzug gegen Medien und Kultur
Trump geht auch scharf gegen Medien vor. Er verwehrt etwa der großen amerikanischen Nachrichtenagentur AP den Zugang zu bestimmten Presseterminen. Der Grund: AP übernimmt nicht die von Trump verfügte Neubezeichnung für den Golf von Mexiko – «Golf von Amerika». Trump warf AP vor, ihn und die Republikaner schlecht zu behandeln. «Sie tun uns keinen Gefallen, und (…) ich tue ihnen auch keinen Gefallen.» In Demokratien basiert die Pressefreiheit allerdings nicht auf Gefälligkeiten.
Auch die Kultur knöpft sich Trump vor. Der Präsident verkündete, dass er das renommierte Kennedy Center unter seine Kontrolle bringt und den Vorsitz selbst übernimmt. Es ist die größte Kultureinrichtung der US-Hauptstadt und auf nationaler Ebene eine echte Institution. «Uns gefiel nicht, was dort gezeigt wurde,», sagte Trump zur Begründung.
Der Schritt ist Ausdruck eines größeren Kulturkampfes in den USA. Die Republikanische Partei unter Trump vertritt ein altmodisches Familienbild. Seine Regierung erkennt nur noch zwei Geschlechter an – männlich und weiblich, und schränkt die Rechte von Transgender-Menschen und anderen Minderheiten systematisch ein. Er will auch bestimmte Lehrinhalte, etwa zu Rassismus und Geschlechtsidentität, aus dem öffentlichen Schulsystem verbannen. Die Republikanerin und frühere Regierungsmitarbeiterin Olivia Troye sagt dazu, all das sei Teil eines größeren Versuches von Trump, «die amerikanische Kultur nach seinem Bild umzugestalten – so wie es Autokraten vor ihm getan haben».