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Ampel und Union beraten über Schutz für Verfassungsgericht

Die Justiz ist unabhängig. Das ist ein eherner Grundsatz. Doch ist das Bundesverfassungsgericht tatsächlich hinreichend gegen politische Einflussversuche geschützt? Nun gibt es neue Gespräche.

Bundesjustizminister Buschmann hofft auf die nötigen Mehrheiten, um die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts stärker im Grundgesetz zu verankern.
Foto: Uli Deck/dpa

Die Ampel-Koalition und die Unionsfraktion setzen ihre Verhandlungen über einen Gesetzentwurf zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor Extremisten fort. Die Deutsche Presse-Agentur in Berlin bestätigte entsprechende Gespräche aus der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag.

«Eine Einigung zu diesem Entwurf gibt es nicht», sagte die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Andrea Lindholz (CSU). «Die Unionsfraktion wird den Entwurf nun sorgfältig prüfen und bewerten, bevor weitere Gespräche stattfinden.» Weitere Gespräche seien nach Ostern geplant, hieß es aus der Fraktion. Die «Rheinische Post» hatte zuvor berichtet, Ampel und Union hätten sich auf einen ersten Gesetzentwurf verständigt.

Arbeitsentwurf als Grundlage

«Es trifft nicht zu, dass es bereits eine Einigung gibt», betonte auch eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums. Mit der Einladung zu einer weiteren Gesprächsrunde sei ein Arbeitsentwurf verschickt worden, über den vertraulich beraten werden solle.

In einem Entwurf des Bundesjustizministeriums, der neben der «Rheinischen Post» auch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt, heißt es, die Neuregelung solle «dazu beitragen, Bestrebungen vorzubeugen, welche die Unabhängigkeit der Verfassungsgerichtsbarkeit in Frage stellen wollen».

Justizminister Buschmann: Aus Erfahrungen anderer Staaten lernen

Bundesjustizminister Marco Buschmann sagte dem «Redaktionsnetzwerk Deutschland», das Verfassungsgericht habe sich «als Schutzschild der Grundrechte und tragende Säule unserer liberalen Demokratie» erwiesen. Er hoffe auf die nötigen Mehrheiten, um die Unabhängigkeit des Gerichts stärker im Grundgesetz zu verankern. Es gelte, aus den Erfahrungen anderer Staaten zu lernen, um für potenzielle Gefahren gut gerüstet zu sein. «Die traurige Erfahrung in Polen, in Ungarn und teilweise auch in Israel ist, dass Verfassungsgerichte schnell politische Angriffsziele sein können.»

Über die Verhandlungsbereitschaft der Union zeigte sich Buschmann erfreut. «Es geht um unsere gemeinsame gesamtpolitische Verantwortung als seriöse Demokraten. Diese Verantwortung steht über parteipolitischen Auseinandersetzungen.»

Unmut in Union über «Durchstecherei»

Lindholz betonte, ihre Fraktion sehe zwar «keine akute Gefahr für einen Angriff auf das Bundesverfassungsgericht durch verfassungsfeindliche Parteien». Man nehme die Bedenken und Diskussionen der vergangenen Wochen aber ernst und sei offen für Gespräche über die Reform.

Ärger gab es in der Unionsfraktion darüber, dass der Entwurf Buschmanns öffentlich wurde. Man erwarte, dass die Ampel-Parteien endlich zu einer seriösen Zusammenarbeit zurückkehrten, hieß es. Es herrsche in der Union Unmut über die wiederholte einseitige «Durchstecherei» aus als vertraulich vereinbarten Gesprächen. Gerade bei bedeutenden Anliegen wie einer Grundgesetzänderung zur Stärkung der Stellung des Bundesverfassungsgerichts sei Vertrauen nötig.

Grüne: Schutz des Gerichts dringend notwendig

Zustimmung für die Reform kam vom Deutschen Anwaltverein (DAV). «Das Vorhaben wird den Rechtsstaat deutlich krisenfester machen», sagte Vizepräsident Ulrich Karpenstein. Die Vorschläge dürften nun aber nicht parteipolitisch zerrieben werden. Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz bezeichnete einen Schutz des Gerichts vor antidemokratischer Einflussnahme als dringend notwendig und begrüßte den Vorschlag Buschmanns sowie die Rückkehr der Union an den Verhandlungstisch. «Wir freuen uns auf zügige und konstruktive Gespräche zu diesem wichtigen Thema.»

Der Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) hat Justizminister Buschmann am vergangenen Wochenende aufgefordert, einen Vorschlag zum Schutz des Karlsruher Gerichts zu machen. «Wir sind offen, darüber zu sprechen, einen Kern bewährter Strukturen des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz zu verankern», sagte Merz den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Bedenken und Diskussionen der vergangenen Wochen werden von der Union ernst genommen. Jetzt liegt es an Buschmann, einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Zweidrittelmehrheit für Grundgesetz-Änderungen nötig

Es wird darüber diskutiert, Details zur Wahl und Amtszeit von Verfassungsrichtern nicht nur in einem Gesetz, sondern im Grundgesetz festzuhalten. Auf diese Weise könnte verhindert werden, dass Richter nach einem Regierungswechsel leicht aus dem Amt entfernt werden könnten. Der Grund für diese Überlegungen ist die Besorgnis über den zunehmenden Einfluss extremistischer Parteien in Deutschland. Für Änderungen am Grundgesetz ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat und im Bundestag erforderlich – die Union müsste also zustimmen.

Im Februar beendete die Union erste Gespräche mit der Erklärung, dass sie keinen dringenden Bedarf für die von der Ampel-Koalition angestrebte Verfassungsänderung sehe. Später zeigte sich Merz offen für weitere Diskussionen.

dpa