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Angst vor Trumps Soldaten – Paramount nach dem Aufstand

Trump versprach die größte Massenabschiebung jemals. Ob das Erfolg hat und Amerika für immer verändert, entscheidet sich an Orten wie Paramount in Kalifornien. Die Geschichte eines Aufbegehrens.

Viele Menschen trauen sich nicht mehr aus den Häusern.
Foto: Jae C. Hong/AP/dpa

Paramount befindet sich im Großraum von Los Angeles, aber die Träume, die von Hollywood produziert werden, erfüllen sich hier nicht. Die Straßen sind brüchig und gesäumt von einfachen Häusern. Die Bewohner kämpfen mit vielen Problemen, haben wenig Geld – und oft keine gültigen Papiere.

Seit Samstag herrscht Angst in der hauptsächlich lateinamerikanischen Gemeinschaft. Gerüchte über eine umfangreiche Razzia der Trump-Regierung führten zu einem Aufstand im Zentrum von Los Angeles, der im Rahmen der Proteste in der Metropole an der Westküste weltweit für Aufsehen sorgte. Ein Besuch.

Verdächtige Autos im Gewerbegebiet

Aber zuerst ein Rückblick: Am Samstag hatten viele Bewohner in Paramount frei und beschäftigten sich mit Heimwerker-Projekten. Der Baumarkt des Ortes befindet sich direkt am Los Angeles River – der dieser Tage eher ein Rinnsal in einem autobahn-breiten asphaltierten Becken ist. An einem Rasenstreifen in der Nähe der Ausfahrt stehen Tagelöhner, die laut Medien- und Augenzeugenberichten für Bargeld bei verschiedenen Arbeiten helfen.

Doch an diesem Tag gibt es eine Besonderheit. Es handelt sich um das Gewerbegebiet gegenüber dem Baumarkt, in dem unter anderem ein Batteriegeschäft und ein Laden für Nahrungsergänzungsmittel ansässig sind. Am Samstag sind auch einige Autos des US-Grenzschutzes auf dem Gelände zu sehen. Das ist ungewöhnlich für Paramount und das benachbarte Problemviertel Compton.

Im Internet kursieren Gerüchte über eine Razzia im Baumarkt – sie erinnern an die zahlreichen Videos von Undercover-Einsätzen, die überall in den USA verbreitet sind. Schnell füllt sich die Gegend mit wütenden Demonstranten. Bald darauf kommt es zu Ausschreitungen: Ein Auto steht in Flammen, Molotowcocktails werden geworfen, die Fahrzeuge der vermeintlichen ICE-Beamten werden mit Steinen attackiert. Die Polizei setzt Tränengas und Gummigeschosse ein.

Das Heimatschutzministerium dementierte später zwar: Es habe keine Razzia gegeben. Doch die Gewalt trug zur äußert umstrittenen Entscheidung Trumps bei, 4000 Soldaten der Nationalgarde nach Los Angeles – und auch nach Paramount – zu schicken. Für viele eine Provokation und Versuch der Einschüchterung.

«Die Leute gehen nicht aus dem Haus»

Heute: Kurz nach dem Gewaltausbruch wirkt der Parkplatz des Baumarktes normal und unauffällig. Ein junger Mann, der eine hellblaue Cap des örtlichen Baseball-Vereins und ein T-Shirt der Band Nirvana trägt, stellt sich als Joe vor – aber normal ist hier gerade nichts und niemand.

«Die Leute gehen nicht aus dem Haus. Sie gehen nicht zur Arbeit, weil es immer noch ein angespanntes Gebiet ist. Ich bin sicher, dass hier überall Spitzel sind», sagt er und lehnt an einem alten Pick-up, dessen Lack unter der sengenden Sonne stumpf geworden ist. Er scheint heute der einzige, der bereit ist, offen über die Geschehnisse der letzten Tage zu sprechen. 

Die Leute schauen tatsächlich argwöhnisch und mustern den Besucher, als er über das Gelände des Baumarktes geht. Die Leute seien im Moment paranoid, meint Joe. Er wohnt in Compton, ist selbst lateinamerikanischer Abstammung, und erkennt seine Gegend dieser Tage nicht wieder.

Er möchte die Gewalt vom Wochenende nicht verteidigen, aber Menschen reagierten nun einmal emotional, wenn sie Unrecht witterten. Die Behörden benutzten Gestapo-Methoden und könnten von Gerichten so schnell gar nicht in die Schranken gewiesen werden. «Die Verfassung ist real. Und wenn sie schon vor langer Zeit geschrieben wurde, sollten ihre Prinzipien immer noch gelten», meint Joe und spielt auf das Versprechen Amerikas an, allen Menschen Aufstiegschancen zu garantieren.

Millionen ohne Papiere – ein Teil Amerikas?

Die Menschen ohne gültigen Aufenthaltsstatus leben in den USA oft seit Jahren, manchmal sogar Jahrzehnten. Viele von ihnen kommen aus Mexiko und Mittelamerika, aber auch aus Asien, Afrika und der Karibik. Sie sind entweder als Arbeitsmigranten, Geflüchtete oder mit abgelaufenen Visa ins Land gekommen. Schätzungsweise leben derzeit etwa 10 bis 11 Millionen Menschen ohne Papiere in den USA, davon allein knapp eine Million in Los Angeles.

Die größten Gemeinschaften befinden sich in Kalifornien, Texas, Florida, New York und Illinois. Sie arbeiten hauptsächlich in Bereichen wie Landwirtschaft, Bau, Pflege und Gastronomie – oft unter schwierigen Bedingungen. Trotz der Zahlung von Steuern sind sie von vielen staatlichen Leistungen ausgeschlossen. Politisch sind sie zwischen Abschottung und Reformversprechen hin- und hergerissen, aber gesellschaftlich sind sie längst Teil des amerikanischen Alltags: als Eltern, Nachbarn, Arbeitskräfte – und in Millionen von Fällen: als stille Stütze der Wirtschaft.

Was bewacht die Nationalgarde?

Doch Wertschätzung erfahren sie von Präsident Trump nicht, ganz im Gegenteil: seine Regierung hat die Marge von täglich 3000 Verhaftungen von «Illegalen» ausgegeben. Millionen, so versprach er es im Wahlkampf, würden aus dem Land geschmissen – egal, ob sie zum Beispiel in den USA geborene Kinder mit amerikanischer Staatsangehörigkeit haben. Trump stellt sie als Treiber der Kriminalität dar – eine vielfach widerlegte Falschbehauptung, die im Wahlkampf aber erfolgreich war.

Joe versteht den Frust in Paramount und anderen Teilen der Vereinigten Staaten. «Angeblich sind wir ein freies Land und haben all diese Rechte. Aber in Wirklichkeit weiß man nie. Die Leute fühlen sich so hilflos», sagt er. Das traurige ist, dass hier ein Beispiel für den Umgang mit Menschen weltweit statuiert wird. Er schaut auf sein Smartphone, hält die Faust hin: «Okay, melde dich, Bruder. Ich muss los.» Schon ist er im Baumarkt verschwunden.

Nur ein paar Schritte weiter, auf der gegenüberliegenden Straßenseite, ist das Tor zum Gewerbepark weit geöffnet. Im Hof stehen Soldaten mit Gewehren bereit. Seit Sonntagmorgen sind sie hier auf Anweisung des Präsidenten. Laut Medienberichten handelt es sich um eine örtliche Einsatzzentrale für zukünftige Razzien. Ein freundlicher Uniformierter erlaubt dem Reporter, Fotos zu machen. Er bittet jedoch darum, keine Fragen zu stellen, da er etwas schützen müsse. Auf die Frage, was das sei, lächelt der Soldat und schweigt.

dpa