Polizisten mit Sturmhauben durchsuchen Wohnungen, die Internetseite wird abgeschaltet: Mit einer Großrazzia gehen Ermittler im Mai 2023 gegen die Letzte Generation vor. Jetzt gibt es eine Anklage.
Anklage gegen fünf Klimaaktivisten
Die Anklage wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung wurde von der Generalstaatsanwaltschaft München gegen fünf Mitglieder der ehemaligen Letzten Generation erhoben. Eine entsprechende Bestätigung der Gruppe selbst wurde der Deutschen Presse-Agentur aus mit dem Vorgang vertrauten Kreisen zugespielt.
Das Landgericht München I entscheidet nun, ob es zu einem Prozess kommt. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung.
Ein Sprecher des Landgerichts München I gab auf Nachfrage keine Stellungnahme zu dem Fall ab. In solchen Fällen ist es üblich, dass konkrete Angaben von den Gerichten erst gemacht werden, nachdem alle Beschuldigten offiziell über eine Anklage informiert wurden. Die Generalstaatsanwaltschaft München äußerte sich ebenfalls zunächst nicht auf Anfrage.
Bundesweite Razzia sorgte für Aufsehen
Eine bundesweite Razzia der Ermittler in dem Fall hatte im Mai 2023 teils scharfe Kritik und Streit vor Gericht ausgelöst. Damals hatten 170 Polizisten 15 Objekte in sieben Ländern durchsucht. Unter Federführung der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) und des Landeskriminalamts im Freistaat wurde auch die Internetseite der Gruppe vorübergehend abgeschaltet. Dort prangte stattdessen kurzzeitig der Satz: «Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar.» Nach Kritik wurde der Hinweis schnell wieder entfernt.
Die bayerischen Ermittler hatten auch einen Telefonanschluss der damals noch als Letzte Generation bezeichneten Gruppe abgehört, der unter anderem als Pressekontakt genutzt wurde – was wiederum Kritik von Journalistenverbänden hervorrief. Die Gerichte in München bewerteten die Razzia und die Abhöraktion jedoch letztendlich als weitgehend rechtmäßig.
Nicht die erste Anklage ihrer Art
Es ist nicht das erste Mal, dass Mitglieder der Gruppe wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt werden. In Neuruppin in Brandenburg wurde beispielsweise Anklage gegen fünf Mitglieder erhoben. Es handelt sich um Angriffe auf Anlagen der Ölraffinerie PCK in Schwedt im Nordosten Brandenburgs, den Hauptstadtflughafen BER und das Barberini-Museum in Potsdam im Zeitraum von April 2022 bis Mai 2023. Ob es zu einem Prozess kommt, war laut Landgericht Potsdam jedoch noch unklar.
Der bayerische Fall war vor allem wegen der Ermittlungsmethoden besonders in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) bezeichnete die bundesweite Durchsuchungsaktion als «völlig absurd». Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International nannte die Ermittlungen ein «ganz schweres Geschütz» und einen «Angriff auf das Recht auf friedlichen Protest und die Zivilgesellschaft».
Bei Verurteilung drohen lange Haftstrafen
Die Anklage wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung kann nicht nur zu verschärften Maßnahmen während der Ermittlungen führen. Im Falle einer Verurteilung wegen dieser Anschuldigung droht den Anführern eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren, in einigen Fällen sogar bis zu zehn Jahren.
Es müsste unter anderem bewiesen werden, dass der Zweck oder die Aktivität der letzten Generation darauf abzielte, Straftaten zu begehen, die mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden können. Dazu gehört beispielsweise Nötigung – einer der Hauptvorwürfe bei den umstrittenen und mittlerweile weitgehend eingestellten Straßenblockaden.
Was war der Zweck der Letzten Generation?
Eine weitere Bedingung wäre laut Strafgesetzbuch, dass Straftaten der Klimaaktivisten nicht nur «ein Zweck oder eine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung» sind. Genau das sei jedoch der Fall, argumentierte Carla Hinrichs, ehemalige Sprecherin der Gruppe, nach der Razzia. «Wir sind als Gruppe ja primär auf die Aufklärung der Gesellschaft über die Klimakrise ausgerichtet.» Nach Angaben der Gruppe ist Hinrichs eine der Beschuldigten.
Nach der Erhebung der Anklage wurde Hinrichs in einer Mitteilung der Gruppe zitiert: «Was tut man, wenn alles auf dem Spiel steht? Man tut sich zusammen und versucht, Alarm zu schlagen!» Dafür werde man nun angeklagt. «Wir friedlich protestierende Menschen sollen für das Überbringen der schlechten Nachrichten verurteilt werden, für das Beharren auf Gerechtigkeit und dafür, dabei nicht allein gewesen zu sein. Ist das gerecht?»