Lange war Armenien Russlands engster Verbündeter im Kaukasus. Nun will das Land den Prozess für einen EU-Beitritt starten. Die Entscheidung birgt Konfliktpotenzial.
Armeniens Regierung bringt Gesetz zu EU-Beitritt auf den Weg
Die Regierung der Republik Armenien im Südkaukasus hat ein Gesetzesprojekt zur Einleitung eines EU-Beitrittsprozesses in das Parlament eingebracht. Premierminister Nikol Paschinjan betonte gegenüber der Nachrichtenagentur Armenpress, dass die Regierung das Gesetz unterstütze; die Annahme bedeute jedoch nicht automatisch, dass sich auch die Armenier für einen EU-Beitritt entscheiden.
«Die Entscheidung über einen Beitritt zur EU oder einer anderen übernationalen Organisation kann entsprechend unserer Verfassung nur über ein Referendum getroffen werden», sagte er. Dem Land könnte damit eine Zerreißprobe drohen.
Seitdem Paschinjan, der eher westlich orientiert ist, die Regierung übernommen hat, haben sich die Beziehungen zwischen Moskau und Eriwan abgekühlt. Russland galt lange als Schutzmacht Armeniens im Kaukasus, auch im Konflikt mit dem benachbarten Aserbaidschan. Trotz einer in der Region stationierten russischen Schutztruppe blieb Russland in den beiden jüngsten bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Eriwan und Baku um Bergkarabach passiv.
Zunehmende Distanzierung Armeniens
Im letzten Herbst mussten schließlich mehr als 100.000 ethnische Armenier – die Bevölkerung Berg-Karabachs – nach heftigen Angriffen aserbaidschanischer Truppen aus der Region fliehen. Zu dieser Zeit waren russische Truppen mit der Besetzung ukrainischer Gebiete beschäftigt.
Eriwan hatte sich bereits zuvor von der von Moskau dominierten Militärallianz Organisation des Vertrags für kollektive Sicherheit (OVKS) distanziert, obwohl es einst selbst an der Gründung beteiligt war. Dennoch unterhält Russland eine Militärbasis in Armenien.
Armenien ist auch Mitglied der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), die Russland einst auch die Ukraine einbeziehen wollte. Die Entscheidung der Ukrainer, sich stattdessen an die EU zu wenden, war einer der Auslöser für den Konflikt, der vor zwei Jahren in den Angriffskrieg Russlands gegen das Nachbarland mündete.
Kremlsprecher Dmitri Peskow hat bereits erklärt, dass ein EU-Beitritt Armeniens mit der aktuellen Mitgliedschaft des Landes in der EAWU unvereinbar ist.