Die Rebellenallianz in Syrien stößt schnell Richtung Süden vor. Die Regierung von Machthaber Assad gerät in Bedrängnis. Und Israel könnte eine weitere Front drohen.
Assads Macht wankt: Syrische Rebellen rücken weiter vor
Die Offensive der islamistischen Rebellenallianz in Syrien setzt Baschar al-Assad unter Druck. Nach dem Fall von Aleppo steht nun eine entscheidende Schlacht um die Stadt Homs bevor. Regierungstruppen haben sich aus der Stadt zurückgezogen, berichtet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Regierungstreue Milizen sind jedoch weiterhin in der Stadt stationiert. Der schnelle Vormarsch der Rebellen bereitet auch Israel Sorgen.
Am 27. November wurde der Bürgerkrieg in Syrien mit der Offensive der Islamisten-Allianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) überraschend wieder entfacht. Das Bündnis strebt den Sturz der syrischen Regierung an. Neben mehr als 200 Dörfern und Positionen eroberten die Rebellen zuletzt die Stadt Hama. Seit dem Wiederaufflammen des Bürgerkriegs, der ursprünglich schon 2011 begann, wurden laut Vereinten Nationen mindestens 370.000 Menschen vertrieben.
Aufständische bringen Teile von Daraa unter ihre Kontrolle
Währenddessen setzten Rebellen auch im Süden Syriens ihre Angriffe fort. Aktivisten zufolge haben Aufständische die Kontrolle über große Teile des symbolträchtigen Gouvernements Daraa übernommen. Die ersten regierungskritischen Proteste in Syrien vor Beginn des Bürgerkriegs fanden im März 2011 in der Stadt Daraa statt. Sie wurden ausgelöst durch die Verhaftung von Jugendlichen, die regierungskritische Graffiti an Wänden angebracht hatten.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, dass lokale Oppositionsgruppen nun rund 80 Prozent der Region unter ihre Kontrolle gebracht hätten. Zuvor hatten Sicherheitskräfte der Regierung Posten und Stützpunkte verlassen.
Die Beobachtungsstelle hatte bereits am Freitagabend gemeldet, dass die Regierung die Kontrolle über die südwestsyrische Stadt Suwaida im an Daraa angrenzenden Gouvernement Suwaida verloren hatte. Lokale Aufständische hatten das Zentralgefängnis übernommen. Der Gouverneur war geflohen.
Russische Luftwaffe unterstützt syrische Regierung
Die syrische Regierung kann in ihrem Kampf gegen die Rebellen weiter auf russische Unterstützung zählen. Russlands Luftwaffe zerstörte nach eigenen Angaben gemeinsam mit syrischen Kampfflugzeugen in den Provinzen Idlib, Hama und Aleppo Stellungen und Munitionsdepots der Rebellen. Dutzende Einheiten Militärtechnik und 200 Terroristen seien «vernichtet» worden, sagte ein Luftwaffenoffizier der russischen Nachrichtenagentur Interfax. Die Angaben konnten zunächst nicht unabhängig überprüft werden.
Russland hat neben Militärflugzeugen auch Kriegsschiffe in Syrien stationiert und unterstützt Machthaber Assad im Bürgerkrieg ebenso wie der Iran. Die russische Führung betonte seit Beginn der überraschenden Offensive der syrischen Rebellenallianz mehrfach, weiterhin fest an der Seite Assads zu stehen.
USA und Jordanien fordern Staatsbürger zur Ausreise auf
In Anbetracht der Kämpfe forderte die US-Regierung ihre Staatsangehörigen auf, Syrien sofort zu verlassen, solange sie noch mit Flügen kommerzieller Airlines aus Damaskus herauskommen. Die Sicherheitslage in Syrien bleibe volatil und unvorhersehbar, hieß es in einer Warnung auf der Webseite der US-Botschaft in Syrien, die ihren Betrieb vor Ort bereits seit 2012 ausgesetzt hat. Das Nachbarland Jordanien forderte seine Bürger laut Außenministerium ebenfalls zur möglichst schnellen Ausreise auf. Aus Sicherheitsgründen wurde am Freitag bereits einer von zwei Grenzübergängen nach Syrien geschlossen.
Israel in Sorge über schnellen Vormarsch
Der überraschend schnelle Vormarsch der Rebellen bereitet auch Israel zunehmend Sorgen. Das Land ist schon jetzt an mehreren Fronten in kriegerische Konflikte verwickelt. Auf den annektierten Golanhöhen würden vorsorglich die Truppen verstärkt, teilte die Armee mit. Zusätzliche Soldaten und Luftstreitkräfte sollen dort entlang der faktischen Grenze zu Syrien stationiert werden. Israels Armee werde «keine Bedrohungen in der Nähe der israelischen Grenze tolerieren», hieß es.
Der jüdische Staat stellt sich Medienberichten zufolge auch auf einen möglichen Kollaps der syrischen Armee ein. Die israelische Zeitung «Haaretz» berichtete, Israel bereite sich auch auf die Möglichkeit eines Überraschungsangriffs aus der syrischen Grenzregion heraus vor. Die Golanhöhen, ein strategisch wichtiges Felsplateau, waren im Sechstagekrieg 1967 von Israel erobert und 1981 annektiert worden. Nach internationalem Recht gelten die Gebiete als von Israel besetztes Territorium Syriens.
Befürchtungen wegen Assads Chemiewaffen
Laut unbestätigten israelischen Medienberichten befürchten die israelische Regierung und die Militärführung, dass Chemiewaffen des syrischen Regimes oder Material und Wissen für deren Herstellung in die Hände der Rebellen oder proiranischer Milizen gelangen könnten. Im Falle eines solchen Szenarios könnte Israel gezwungen sein, präventiv militärisch einzugreifen. Die israelische Armee hat es abgelehnt, auf Anfragen zu reagieren, die besagen, dass die Luftwaffe in den letzten Tagen bereits Chemiewaffenlager in Syrien bombardiert haben soll.
Weiter heftige israelische Angriffe im Gazastreifen
Der Kampf Israels gegen die Hamas im Gazastreifen setzt sich fort. Laut eigenen Angaben hat die israelische Armee mehrere hochrangige Mitglieder der Islamisten getötet, die vor 14 Monaten an dem Terroranschlag auf Israel beteiligt gewesen sein sollen. Einer von ihnen soll einer der Kommandeure gewesen sein, die am 7. Oktober 2023 das Massaker im israelischen Kibbuz Nahal Oz angeführt haben. Zusätzlich wurde bereits am Freitag der Chef der Luftabwehreinheit der Hamas getötet. Er spielte eine entscheidende Rolle bei der Großattacke mit Gleitschirmen und Drohnen auf Israel, so die Armee. Diese Informationen konnten zunächst nicht unabhängig bestätigt werden.
Laut der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa wurden bei einem Angriff auf einen Wohnblock im Flüchtlingsviertel Beit Lahia im Norden des Gazastreifens mehr als 30 Menschen getötet und viele weitere verletzt. Es wird berichtet, dass sich noch viele Menschen unter den Trümmern der Häuser befinden. Diese Informationen konnten bisher nicht unabhängig bestätigt werden. Die israelische Armee gab an, dem Bericht nachzugehen.