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Auf sich gestellt: Spaltet Trumps Politik jetzt auch die EU?

Die Außenpolitik von Donald Trump sorgt bei Europäern für Entsetzen. Nun wird bei einem Krisengipfel über Konsequenzen beraten. Es geht um Milliardenbeträge, Waffen und die Stachelschwein-Strategie.

Zeitenwende 2.0.: Die Bundeswehr muss sich auf neue Aufgaben vorbereiten. (Archivbild)
Foto: Michael Kappeler/dpa

Die Politik von US-Präsident Donald Trump spaltet auch die Europäische Union? Oder schafft es der Staatenverbund, ihm vereint und wirkungsvoll entgegenzutreten? Diese Fragen werden angesichts der jüngsten Entwicklungen immer drängender. Bei einem Krisentreffen der Staats- und Regierungschefs der EU könnten heute erste Antworten gefunden werden.

Auch Wolodymyr Selenskyj, der Präsident der Ukraine, reist nach Brüssel. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vertritt Deutschland und es wird voraussichtlich einer seiner letzten EU-Gipfel sein. Hier ist eine Zusammenfassung der Themen:

Was ist die Ausgangslage?

Trump und sein Team haben in den letzten Wochen deutlich gemacht, dass sie Verhandlungen über ein Ende des russischen Angriffskrieges erzwingen wollen – koste es, was es wolle. Bislang hat dies dazu geführt, dass Trump den Präsidenten der angegriffenen Ukraine als Diktator bezeichnet hat und die US-Militärhilfe für die Ukraine gestoppt wurde. Darüber hinaus erwartet Trump, dass die Ukraine in Verhandlungen mit Russland starke Zugeständnisse macht.

Die Europäer sind bisher von allen Gesprächen ausgeschlossen. Es ist noch unklar, ob sie bei möglichen Friedensverhandlungen einen Platz am Verhandlungstisch bekommen werden. Nach Trumps Wunsch sollen sie jedoch die Verantwortung für die Sicherung eines möglichen Friedensabkommens übernehmen und zukünftig auch allein für die konventionelle Abschreckung in Europa zuständig sein.

Was bedeutet das für die EU?

Die Europäer müssen dringend und in großem Umfang aufrüsten, und das schnell. Geheimdienste gehen davon aus, dass Russland spätestens bis 2030 in der Lage sein könnte, einen weiteren Krieg zu beginnen. Möglicherweise kann es nur abgeschreckt werden, wenn die EU-Staaten bis dahin ihre militärischen Fähigkeiten erheblich verbessern. Viele Streitkräfte befinden sich derzeit in einem schlechten Zustand, da die Verteidigungsausgaben in den Jahren nach dem Ende des Kalten Krieges drastisch reduziert wurden.

Die EU-Staaten sind größtenteils einig darüber, dass die Verteidigungsausgaben deutlich steigen müssen. Allerdings fragen sich viele Regierungen, woher das Geld kommen soll – besonders angesichts des geschätzten zusätzlichen Investitionsbedarfs von der EU-Kommission in Höhe einer hohen dreistelligen Milliardensumme Euro und der bereits hohen Verschuldung von Ländern wie Frankreich und Italien.

Gibt es einen Plan?

Die für Vorschläge und Gesetzesinitiativen zuständige EU-Kommission hat einen Plan mit dem Namen «ReArm Europe» (etwa: Europa wieder aufrüsten) erstellt und hofft, dass er beim EU-Gipfel die notwendige Zustimmung bekommt. Mit mehreren Maßnahmen könnten insgesamt fast 800 Milliarden Euro mobilisiert werden, hofft Präsidentin Ursula von der Leyen.

Laut der Behörde ist geplant, dass ein EU-Darlehen in Höhe von bis zu 150 Milliarden Euro für die Anschaffung von Luft- und Raketenabwehr, Artilleriesystemen und Drohnen bereitgestellt wird. Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll außerdem ihre Kreditvergaberegeln ändern, um auch reine Rüstungsprojekte zu unterstützen.

Die Kommission schlägt weiter vor, dass die einzelnen Mitgliedstaaten für einen Zeitraum von vier Jahren eine Sonderregel zu den EU-Schuldenregeln nutzen können, um neue Kredite für Verteidigungsausgaben aufzunehmen, ohne ein EU-Defizitverfahren zu riskieren.

Wie ist Deutschlands Position dazu?

Deutschland schlägt bei den Schuldenregeln eine alternative Lösung vor. Laut EU-Diplomaten brachte der Ständige Vertreter der Bundesregierung bei einem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen am Mittwoch die Idee einer langfristigen Lösung für Rüstungsinvestitionen anstelle einer temporären Ausnahmeregel ins Gespräch. Ein Sprecher der Bundesregierung lehnte es ab, dazu Stellung zu nehmen.

Bundeskanzler Scholz unterstützte Mitte Februar eine gezielte Änderung der aktuellen EU-Schuldenregeln, um höhere Investitionen in Verteidigungsgüter in einem klar begrenzten Rahmen zu ermöglichen. Dadurch könnten klarere Verhältnisse geschaffen werden als durch die Ausweichklausel.

Was bringt Kanzler Scholz mit nach Brüssel? 

Die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben wird gelockert, wie Union und SPD am Dienstag in ihren Sondierungsverhandlungen vereinbart haben. Deutschland beweist somit auch in der Übergangsphase zwischen zwei Regierungen Handlungsfähigkeit. Dies ist dringend erforderlich. Im diplomatischen Bemühen um Frieden in der Ukraine ist Deutschland bereits an den Rand gedrängt worden. Großbritannien und Frankreich arbeiten nun federführend mit der Ukraine an einem europäischen Friedensplan.

Welche Schwierigkeiten gibt es?

Derzeit hat die EU keine andere Wahl, als die Ukraine bestmöglich in ihrer schwierigen Situation zu unterstützen und US-Präsident Trump immer wieder vor Augen zu führen, welche Konsequenzen ein schlechter Deal zur Beendigung des Krieges für ihn und sein Land haben könnte. Eine Herausforderung dabei ist, dass weitreichende EU-Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen und insbesondere der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, der Trumps Linie folgt, mitentscheidet.

Orban hat angekündigt, dass er bereits eine Blockade von Unterstützungsentscheidungen für die Ukraine beim Gipfel plant. Auch Robert Fico, sein slowakischer Amtskollege, signalisierte Widerstand gegen eine gemeinsame Gipfelerklärung zugunsten der Ukraine. Beide unterstützen Trumps Kurs im Ukraine-Konflikt und haben enge Beziehungen zu Russlands Präsident Wladimir Putin.

Könnte es dennoch weitere Unterstützung aus der EU geben?

Es ist geplant, zusätzliche Zusagen für Militärhilfen zu machen, die im Falle eines Vetos von Ungarn auch freiwillig geleistet werden könnten. Das Hauptziel ist, dass die Ukraine nicht in einer schwachen Position in mögliche Gespräche mit Russland eintreten muss und auch darauf vorbereitet ist, dass Putin eigentlich nicht verhandeln will.

Des Weiteren wird in der EU diskutiert, wie man nach einem möglichen Waffenstillstand verhindern kann, dass Russland die Ukraine erneut angreift. Neben der Option einer internationalen Truppenpräsenz, die vor allem von Frankreich und Großbritannien in Betracht gezogen wird, wird insbesondere die sogenannte Stachelschwein-Strategie (Porcupine Strategy) erwogen. Diese könnte beispielsweise bedeuten, der Ukraine Waffensysteme zur Verfügung zu stellen, mit denen sie im Falle einer erneuten russischen Aggression deutlich stärker zurückschlagen könnte als bisher. Hierbei könnten auch deutsche Taurus-Marschflugkörper eingeschlossen sein, die Bundeskanzler Scholz bisher der Ukraine verweigerte.

dpa