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Außenminister Wadephul auf schwieriger Mission in Nahost

Israel macht es seinen Freunden gerade nicht leicht. Die Kriegsführung in Gaza und das Leiden der Menschen dort lässt die Kritik wachsen. Nun kommt Außenminister Wadephul – mit konkreten Forderungen.

Werden sich in Tel Aviv wiedersehen: die Außenminister Deutschlands und Israels, Johann Wadephul und Gideon Saar. (Archivbild)
Foto: Katharina Kausche/dpa

Inmitten zunehmender Kritik an der israelischen Kriegsführung in Gaza reist Außenminister Johann Wadephul zu politischen Gesprächen nach Tel Aviv. Der Verlauf dieser Gespräche wird entscheidend dafür sein, ob Deutschland sich der Forderung nach Sanktionen gegen seinen engen Partner anschließt. Sollte es dazu kommen, wäre dies ein Novum in den deutsch-israelischen Beziehungen.

Der aktuelle Nahost-Konflikt bringt die Bundesregierung gleich in mehrfacher Hinsicht in eine Zwickmühle. Da ist einerseits die besondere Verantwortung für den jüdischen Staat, in der sich Deutschland wegen des Holocausts sieht. Bis heute werden deutsche Politiker nicht müde zu betonen, dass die Existenz und Sicherheit Israels «Teil der deutschen Staatsraison» sei.

Auf der anderen Seite haben die Bilder aus dem Gazastreifen – zahlreiche Tote, verzweifelte Menschen, die um Lebensmittel kämpfen, unterernährte Kleinkinder und durch Bomben zerstörte Städte – eine Wirkung. Obwohl die Ampel-Regierung unter Kanzler Olaf Scholz (SPD) bereits darauf hingewiesen hat, dass Israel im Gaza-Krieg die Regeln des humanitären Völkerrechts einhalten muss, äußert der Nachfolger Friedrich Merz (CDU) mittlerweile jedoch deutlich kritischere Töne.

Merz‘ Forderungen an Israel und die Hamas

Es ist bemerkenswert, dass Merz die jüngsten Ereignisse im Gazastreifen als Grund für die Einberufung des Sicherheitskabinetts ansah. Dies spiegelt die Stimmung in Berlin wider. Anschließend verkündete der Kanzler eine Vielzahl von Forderungen.

«Israel muss die katastrophale humanitäre Situation in Gaza sofort umfassend und nachhaltig verbessern», betonte Merz. Die jüngsten Lieferungen von Lebensmitteln und Hilfsgütern könnten nur ein Anfang sein. Und: «Es braucht jetzt einen umfassenden und nicht nur einen kurzfristigen Waffenstillstand in Gaza. Und dazu muss die Hamas den Weg endlich frei machen.» Auch die israelische Regierung müsse dafür alles tun, was in ihrer Macht stehe.

Zusätzlich sollten die Geiseln, darunter noch deutsche Staatsangehörige, endlich freigelassen werden. Die islamistischen Terroristen der Hamas müssten entwaffnet werden. Es dürfe auch keine Fortschritte in Richtung einer Annexion des Westjordanlandes geben.

Berlin nicht immer im Gleichklang mit europäischen Partnern 

In eine zweite Zwickmühle bringt der Konflikt Deutschland im Verhältnis zu seinen europäischen Partnern. Dass der französische Präsident Emmanuel Macron die Anerkennung Palästinas als Staat angekündigt und der britische Premierminister Keir Starmer diesen Schritt zumindest angedroht hat, behagt der Bundesregierung nicht. Nun zog auch noch der G7-Partner Kanada nach. Für Merz gilt: «Eine Anerkennung betrachten wir nicht als einen ersten, sondern als einen der möglicherweise abschließenden Schritte hin zur Verwirklichung einer Zweistaatenlösung.»

Deutschland unterscheidet sich von vielen anderen europäischen Staaten, wenn es um die Frage der Sanktionen gegen Israel geht. Trotzdem behält Berlin Schritte in dieser Richtung im Auge. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, die Teilnahme Israels am Forschungsförderungsprogramm Horizon Europe teilweise sofort auszusetzen.

Differenzen zwischen Union und SPD sichtbar

Ein weiteres Beispiel für das nicht immer übereinstimmende Handeln in Berlin und den anderen europäischen Hauptstädten: Als gerade die Außenminister von mehr als zwei Dutzend Staaten – darunter die wichtigsten europäischen – ein sofortiges Ende des Gaza-Krieges forderten, fehlte unter der gemeinsamen Erklärung die Unterschrift Wadephuls. Aus deutscher Sicht wurde in dem Aufruf nicht ausreichend betont, dass der brutale Überfall der Hamas und anderer Terrorgruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 der Ausgang des Konflikts war.

Nachdem die SPD die Forderung erhoben hatte, dass Deutschland sich der Erklärung anschließen solle und kritischer gegenüber Israel auftreten solle, stellte sich die Frage, wie einig die Koalition in der Nahost-Politik tatsächlich ist – eine weitere Zwickmühle.

Israel reagiert gereizt auf Drohungen

Auf Drohungen mit Sanktionen und auf die mögliche Anerkennung eines Staates Palästina durch seine Verbündeten reagiert Israel äußerst empfindlich. «Ein solcher Schritt belohnt den Terrorismus», echauffierte sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nach der Ankündigung Macrons. Er und andere israelische Politiker, darunter Oppositionelle aus der politischen Mitte, setzen einen Staat Palästina mit der Hamas gleich. In dieser Logik würde die Anerkennung Palästinas der Terrororganisation in die Hände spielen – oder, wie es Netanjahu formulierte: «Ein palästinensischer Staat wäre unter diesen Umständen eine Plattform zur Vernichtung Israels.»

Die Einschätzung wird von den Regierungen in Berlin, Paris und London nicht geteilt. Der Ansprechpartner ist die Palästinensische Autonomiebehörde, die in Ramallah im Westjordanland ansässig ist. Die Hamas ist nicht Teil von ihr.

Als Reaktion auf die Empfehlung der EU-Kommission zu Sanktionen gegen Israel teilte das Außenministerium in Jerusalem mit: «Jede Entscheidung dieser Art dient nur dazu, die Hamas zu stärken, und untergräbt folglich die Chancen auf eine Waffenruhe (im Gazastreifen) und auf eine Verständigung zur Freilassung der Geiseln.»

Auch Trumps Sondergesandter Witkoff reist nach Israel

Und die Rolle der USA als wichtigster Verbündeter Israels und Vermittler in den indirekten Verhandlungen mit der Hamas ist ebenfalls von Bedeutung. Der außenpolitische Kurs der Regierung von Präsident Donald Trump wird nicht nur in Berlin als schwer vorhersehbar angesehen. Laut US-Medienberichten wird Trumps Sondergesandter Steve Witkoff spätestens am Donnerstag nach Israel reisen, um über die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen zu sprechen. Somit wäre er gleichzeitig mit Wadephul in der Region unterwegs.

dpa