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Bauernbub und Weltpolitiker – «Mr. Euro» wird 85

Eine Karriere wie die von Theo Waigel ist wohl kaum wem in die Wiege gelegt. Dennoch hat er sich seinen Platz in den Geschichtsbüchern gesichert. Auch im hohen Alter hält er seine Prinzipien hoch.

Theo Waigel blickt auf ein «ungewöhnlich reiches Leben» zurück.
Foto: Sven Hoppe/dpa

Wer sich dieser Tage mit Theo Waigel unterhält, denkt nicht, dass er an diesem Montag (22. April) seinen 85. Geburtstag feiert: In rhetorisch einwandfreien Sätzen analysiert «Mr. Euro» nicht nur die bayerische Politik oder die Lage «seiner» CSU – auch auf alle Fragen zur Lage in Deutschland, Europa und der Welt hat er fundierte Antworten parat. Auch wenn der Mann mit den unverwechselbaren Augenbrauen in die Jahre gekommen ist, als Gesprächspartner ist er nach wie vor überaus gefragt.

Gleichwohl übt sich Waigel in Bescheidenheit und Selbstironie: Einmal sei er auf einer Radtour von einem «Norddeutschen» gefragt worden, ob er nicht der Herr Waigel sei. Das habe er verneint, worauf der Mann meinte: «Stimmt, der ist ja schon gestorben.» Waigel dazu: «Ja, schon vor drei Jahren.» Angesprochen auf seinen Vornamen, betont er gerne, er möge Theodor lieber als Theo. Das bedeute «Geschenk Gottes», seine Arbeit habe aber auch in seiner Partei nicht immer jeder so bewertet.

«Es war ein ungewöhnlich reiches Leben»

Sein «Lebenswerk» wolle er nicht selbst bewerten, sagt er wenige Tage vor seinem Geburtstag der Deutschen Presse-Agentur. Dies müssten spätere Generationen beurteilen. Für ihn stehe aber fest: «Es war ein ungewöhnlich reiches Leben.» Für ihn als «Bauernbub» aus dem schwäbischen Dorf Oberrohr bei Krumbach sei es nie vorstellbar gewesen, einmal die drei amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan, George Bush und Bill Clinton persönlich kennenzulernen oder mit dem ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow «fast befreundet» gewesen zu sein.

Rückblickend sei es eine tolle, anstrengende und aufregende Zeit gewesen, in der er seiner Familie viel zugemutet habe. «Ich bin froh, dass ich jetzt im Alter davon etwas zurückgeben kann und bin natürlich glücklich, dass ich mit 85 Jahren noch aufstehen kann, mein Geist noch frisch ist, mein Gedächtnis noch lebendig und ich sogar noch in Spezialfällen in der Kanzlei meines Sohnes mitarbeiten kann.»

Vor unglaublichen 64 Jahren, im Jahr 1960, trat Waigel in die CSU ein, drei Jahre zuvor sogar in die Junge Union. Von 1982 bis 1989 leitete er die Landesgruppe, von 1988 bis 1999 war er CSU-Chef. Eigentlich hatte Waigel nie vor, Bundespolitiker zu werden, er hätte lieber Landrat in seiner Heimat Krumbach werden wollen. Doch der Landkreis wurde plötzlich aufgelöst. Dadurch eröffneten sich neue Möglichkeiten: 1972 zog er in den Bundestag ein, dem er bis 2002 angehörte. Im Rückblick ist er dafür dankbar, denn zweifellos konnte er so an vielen historischen Ereignissen und Entscheidungen teilnehmen: vom legendären Kreuther Trennungsbeschluss der CSU 1976 über die deutsche Wiedervereinigung bis zur Europäischen Währungsunion.

Euro statt Ecu

Und genau hier hat sich Waigel verewigt, denn es war seine Idee, dass die europäische Währung nicht Ecu, sondern Euro heißt. Als Bundesfinanzminister in der Regierung von Helmut Kohl (CDU) schlug er den Namen 1995 vor. Mit Erfolg. Der Europäische Rat gab grünes Licht und bescherte dem CSU-Politiker prompt einen Spitznamen, den er bis heute mit Stolz hört: «Mr. Euro».

Waigel blieb auch nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag eng mit der CSU verbunden. Im Jahr 2009 ernannte ihn die Partei zum Ehrenvorsitzenden, wodurch er auf Lebenszeit Mitglied im Parteivorstand ist. Darüber hinaus engagierte sich Waigel auch in der Privatwirtschaft – in beratender Funktion arbeitete er mit seinem Sohn in einer Münchner Rechtsanwaltskanzlei zusammen.

Waigel äußert sich nach wie vor gerne zu aktuellen politischen Fragen, ohne vor kontroversen Aussagen zurückzuschrecken. Er sprach sich beispielsweise dafür aus, radikalen AfD-Führungspersonen wie Björn Höcke nach einer Prüfung die Grundrechte zu entziehen. In Bezug auf die deutsche Haushaltslage befürwortet Waigel auch längere Arbeitszeiten – auch wenn dies bei den Menschen nicht gut ankommt.

Die Lage seiner CSU sieht Waigel übrigens zweigeteilt: Es sei schon eine «Riesenleistung», die Partei in dieser unruhigen Zeit mit Werten «an die 40 Prozent» zu halten, sagt er zur Arbeit von Parteichef Markus Söder. Aber auch die CSU müsse sich mehr anstrengen, da sie «nicht nur eine bayerische Partei sein» dürfe. «Sie muss auf deutscher und auf europäischer Ebene eine Rolle spielen. Und da gilt es schon, Außenpolitik, Verteidigungspolitik, Wirtschafts- und Finanzpolitik noch etwas stärker herauszuarbeiten, als das im Moment der Fall ist.»

dpa