Unterhändler konnten sich nicht auf gemeinsame Linie einigen. Diskussion um Abschiebung und externe Asylverfahren.
EU-Gipfel von neuem Streit über Asylpolitik überschattet
Der EU-Gipfel im Oktober könnte erneut von Streitigkeiten über die Asylpolitik überschattet werden. Bei den Vorbereitungsrunden für das am Vormittag beginnende Spitzentreffen konnten sich die Unterhändler der Staats- und Regierungschefs nicht auf eine gemeinsame Linie einigen, wie EU-Beamte am Mittwochabend in Brüssel berichteten. Es ist unklar, ob es letztendlich eine gemeinsame Erklärung zu Migrationsfragen geben wird.
Es gibt also Meinungsverschiedenheiten unter anderem darüber, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber zu beschleunigen. Einige Mitgliedstaaten drängen darauf, sichere Partnerländer wie zum Beispiel in Afrika mit finanziellen Mitteln zur vorübergehenden Aufnahme von abgelehnten Asylbewerbern zu bewegen, die nicht sofort in ihre Heimatländer zurückgeführt werden können. Kritiker befürchten jedoch, dass den Menschen dort eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen könnte.
Unter anderem der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban fordert zudem, auch die Asylverfahren künftig in Staaten außerhalb der EU in externen «Hotspots» durchzuführen und Schutzsuchende vorher nicht mehr in die Union zu lassen.
Kritik an deutschen Grenzkontrollen
Die Diskussion wird durch nationale Alleingänge in den letzten Wochen und Monaten angeheizt. Mehrere EU-Partner äußerten kürzlich ihr Unverständnis über die Entscheidung der Bundesregierung, nach dem Terroranschlag auf einem Stadtfest in Solingen Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen anzuordnen und damit die Bewegungsfreiheit im eigentlich grenzkontrollfreien Schengen-Raum einzuschränken.
Polen will Zeichen setzen
Ebenfalls kontrovers diskutiert wird Polens Ankündigung, in Reaktion auf von Russland und Belarus in Richtung EU geschleuste Migranten vorübergehend das Recht auf Zugang zu Asylverfahren aussetzen zu wollen. «Wir brauchen eine klare und entschlossene europäische Antwort, um diesen Aktivitäten entgegenzuwirken, ohne Russland und Belarus zu erlauben, unsere eigenen Werte gegen uns zu verwenden», schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten.
Die Kommissionschefin äußert sich positiv zu einem italienischen Pilotprojekt zur Abwicklung von Asylverfahren in Albanien und der Idee der externen Unterbringung abgelehnter Asylbewerber. Die niederländische Regierung plant, in Bezug auf Aufnahmelager voranzugehen. Sie erwägt, abgewiesene Asylsuchende nach Uganda auszufliegen, wo sie in Aufnahmelagern untergebracht und finanziell entschädigt werden sollen.
Umsetzung von Asylreform dauert
Die aktuelle Debatte wird durch die Tatsache ausgelöst, dass die EU-Asylreform, die im Frühjahr beschlossen wurde, von vielen Mitgliedstaaten als nicht ausreichend angesehen wird, um die Probleme im Zusammenhang mit unerwünschter Migration zu lösen. Darüber hinaus könnte sich die Umsetzung aufgrund der Übergangsfrist bis Juni 2026 hinziehen.
Durch die Reform werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, einheitliche Verfahren an den Außengrenzen durchzuführen, um schnell festzustellen, ob Asylanträge unbegründet sind und die Geflüchteten somit schneller und direkt von der Grenze abgeschoben werden können. Personen, die aus als sicher geltenden Ländern ankommen, sollen nach dem Grenzübertritt unter haftähnlichen Bedingungen in streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen gebracht werden.
Es wird auch angestrebt, dass in Zukunft ein Teil der Asylsuchenden aus stark belasteten Staaten wie Italien und Griechenland aufgenommen wird. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen möchten, sollen zu Zahlungen zur Kompensation verpflichtet werden.
Beim EU-Gipfel werden neben den Beratungen zur Migrationspolitik auch Gespräche zum Nahost-Konflikt und zur Lage in der Ukraine geführt. Als Gast wird der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwartet.