De Wever warnt vor unkalkulierbaren Risiken und möglichen Anschlägen auf Euroclear-Chef bei Merz-Initiative.
Belgien warnt vor Merz-Initiative zur Nutzung russischer Zentralbankgelder
Die von Bundeskanzler Friedrich Merz vorangetriebene Initiative zur Nutzung eingefrorener russischer Zentralbankgelder für die Ukraine stößt auf massiven Widerstand eines anderen zentralen Akteurs. Der belgische Premierminister Bart De Wever warf den Unterstützern des Projekts bei einem Europa-Gipfel in Kopenhagen vor, die Gefahren sträflich zu vernachlässigen und keine Antworten auf offene Fragen zu haben. Man begebe sich in unbekannte Gewässer. «Das ist sehr, sehr riskant», sagte er.
De Wever erwähnte neben der Gefahr einer Enteignung von Vermögenswerten europäischer Unternehmen in Russland auch die Möglichkeit, dass es Anschlagsversuche gegen den Chef des belgischen Finanzinstituts Euroclear geben könnte.
«Ich höre bereits aus Moskau: Wenn ihr mein Geld antastet, werdet ihr die Folgen bis in alle Ewigkeit spüren», sagte De Wever. Nach seinem Verständnis heiße das auf Russisch auch: «Wir könnten euch in die Ewigkeit schicken.» Der Direktor von Euroclear stehe bereits unter engem Personenschutz.
Merz räumt Hindernisse ein
Merz warb vor den mehr als 40 anwesenden Staats- und Regierungschefs – darunter De Wever – für seinen Vorstoß, der Kredite in Höhe von 140 Milliarden Euro für die Aufrüstung des ukrainischen Militärs bringen soll. Der Kanzler habe in seiner Rede aber auch eingeräumt, «dass er sich der Hindernisse durchaus bewusst ist», wie es aus seinem Umfeld hieß. Man werde daran arbeiten, eine rechtlich sichere und finanziell tragfähige Lösung zu finden.
Eingefrorenes russisches Staatsgeld liegt in Belgien
Euroclear verwaltet aktuell einen erheblichen Anteil der russischen Vermögenswerte, die in der EU eingefroren sind und die Merz sowie andere EU-Politiker für Milliardenkredite für die Ukraine nutzen möchten.
Russland wird das Geld nur zurückerhalten, wenn es nach Beendigung des Krieges gegen die Ukraine Reparationszahlungen leistet. Falls die eingefrorenen russischen Gelder unerwartet freigegeben werden müssen, sollen die EU-Staaten Garantien übernehmen.
De Wever hat jedoch die Argumentation von Merz in Frage gestellt, wonach das Vorhaben nicht in die russischen Eigentumsverhältnisse eingreifen würde.
De Wever spielt eine entscheidende Rolle bei den von Merz und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen vorangetriebenen Plänen, da das Vorhaben ohne die Zustimmung Belgiens nicht umsetzbar ist.
Huhn oder Eier essen
Bisher werden nur die Zinserträge aus dem über Euroclear festgesetzten Geld zur Unterstützung der von Moskau angegriffenen Ukraine verwendet. De Wever verglich das festgesetzte Staatsgeld mit einem dicken Huhn und die abfallenden Zinsen mit goldenen Eiern. Die Frage sei: Wann esse man das Huhn?
De Wever warnte auch vor Risiken für den Euro – wenn beispielsweise die Entscheidung dazu führen würde, dass andere Länder ihre in Europa angelegten Staatsgelder abziehen. Wenn das russische Zentralbankgeld genutzt werde, werde das anderen Nationen in der Welt auffallen, sagte er. China habe beispielsweise bedeutende Summen in der Eurozone. «Sie könnten ihre Reserven in Europa abziehen, weil sie sich vielleicht denken: Okay, wir sind mehr oder weniger ein Verbündeter Russlands. Vielleicht haben wir einige Pläne in Bezug auf Taiwan», so der Belgier. Vermutungen, dass er nur wegen des möglichen Wegfalls von Steuereinnahmen gegen das Vorhaben ist, wies er vehement zurück.
Belgien nicht allein
An seiner Seite hat De Wever aus dem Kreis der EU-Staaten unter anderem den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban. Dieser sieht die Merz-Pläne allerdings vor allem aus anderen Gründen kritisch. Die derzeit auf dem Tisch liegenden Unterstützungsvorschläge für die Ukraine würden zeigen, dass die EU in den Krieg ziehen wolle, wetterte er am Rande des Gipfeltreffens. Ungarn lehne dies ab. Europa müsse für Frieden verhandeln.
Auch die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni äußerte in einem Gespräch mit Merz Bedenken. Sie habe die geplanten finanziellen Garantien der EU-Mitgliedstaaten als zu «debattierendes Thema» hervorgehoben, hieß es in deutschen Regierungskreisen.
Es ist unklar, wie es weitergeht. Eine Möglichkeit besteht darin, dass das Thema beim nächsten EU-Gipfel in drei Wochen erneut diskutiert wird. Wenn der Plan dann ausreichend Unterstützung findet, könnten Details ausgearbeitet werden. Eine Umsetzung wird frühestens in einigen Monaten erwartet. Allerdings drängt die Zeit, da die USA nahezu vollständig aus der Finanzierung der Ukraine-Unterstützung ausgestiegen sind und der Bedarf des Landes enorm ist.