Kein dringender Handlungsbedarf, aber noch keine entscheidenden Effekte auf illegale Beschaffungswege.
Erste Auswertung der Cannabis-Legalisierung in Deutschland

Eineinhalb Jahre nach der umstrittenen Cannabis-Legalisierung in Deutschland sieht eine erste Auswertung keinen dringenden Korrekturbedarf – aber auch noch keine entscheidenden Effekte auf illegale Beschaffungswege. Es zeichne sich ab, dass die nun zulässigen Anbauvereinigungen «für die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verdrängung des Schwarzmarktes bislang keinen relevanten Beitrag leisten», heißt es in einem in Berlin vorgelegten Bericht. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sprach von «bedenklichen Tendenzen» und kündigte an, über möglichen Handlungsbedarf zu beraten.
Der Suchtforscher Jakob Manthey vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sagte bei der Vorstellung der ersten Erkenntnisse, offensichtlich sei die Erwartung der meisten Expertinnen und Experten eingetreten: «Es passiert kurzfristig relativ wenig.» Er erläuterte mit Blick auf das deutsche Modell der Legalisierung, dass man sich nach wie vor anstrengen müsse, um an Cannabis zu gelangen, das nicht an jeder Straßenecke verkauft werde.
Die Legalisierung, die noch von der Ampel-Koalition umgesetzt wurde, erlaubt seit dem 1. April 2024 das Kiffen und den Anbau für Volljährige unter strengen Auflagen. Es ist erlaubt, bis zu drei Pflanzen in Privatwohnungen anzubauen. Es ist gestattet, bis zu 50 Gramm Cannabis aufzubewahren und unterwegs bis zu 25 Gramm dabei zu haben. Es gibt vorgeschriebene Abstände zu Spielplätzen und Schulen, der Konsum vor Minderjährigen ist untersagt. Nicht-kommerzielle Anbauvereinigungen mit bis zu 500 Mitgliedern sind ebenfalls erlaubt. Für Jugendliche unter 18 Jahren bleibt Cannabis jedoch weiterhin verboten.
Die Evaluation war bereits im Gesetz festgelegt worden. Im Blick standen nun zunächst Folgen für den Kinder- und Jugendschutz und die Besitzmengen. «Die vorliegenden Ergebnisse lassen bis jetzt keinen dringenden Handlungsbedarf in Bezug auf die untersuchten Bereiche erkennen», heißt es in dem Bericht des Forschungsverbunds, zu dem auch Experten des Uniklinikums Düsseldorf und des Instituts für Kriminologie der Uni Tübingen gehören. «Robuste Aussagen» könnten noch nicht abgeleitet werden. Weitere Analysen sind vorgesehen.
Cannabis-Markt auf bis zu 823 Tonnen geschätzt
Laut dem Zwischenbericht betrug die Produktion in Anbauvereinigungen, die seit Juli 2024 beantragt werden konnten, weniger als 0,1 Prozent des Gesamtbedarfs. Zwölf bis 14 Prozent wurden durch medizinisches Cannabis gedeckt. Die Marktanteile des privaten Eigenanbaus und des Schwarzmarkts konnten noch nicht genau bestimmt werden. Der Gesamtbedarf für 2024 wurde auf 670 bis 823 Tonnen geschätzt. Illegale Weitergaben im sozialen Umfeld spielten eine zentrale Rolle bei den Bezugsquellen.
Kinder und Jugendliche
Laut dem Suchtforscher Daniel Kotz vom Uniklinikum Düsseldorf setzt sich der sinkende Trend des Anteils jugendlicher Cannabiskonsumenten nach der Teillegalisierung fort. Es gibt Hinweise auf einen Rückgang der cannabisbezogenen Meldungen an Jugendämter und der Inanspruchnahme von Suchtberatungen durch Jugendliche. Der mögliche Einfluss der Legalisierung auf akute oder chronische Gesundheitsprobleme bei Jugendlichen kann derzeit nicht bestimmt werden.
Gesundheitsschutz und Verkehr
Manthey erklärte, dass der seit etwa 15 Jahren beobachtete Anstieg bei der Zahl erwachsener Konsumenten wahrscheinlich leicht fortgesetzt wird. Es sind noch keine genauen Auswirkungen auf den Gesundheitsschutz, insbesondere im Straßenverkehr, feststellbar. Vor und nach Inkrafttreten des Gesetzes stieg die Anzahl der Unfälle unter dem Einfluss berauschender Mittel, wie im Bericht erwähnt – der genaue Einfluss der Legalisierung muss durch weitere Analysen ermittelt werden. Es gibt allgemeine Hinweise auf einen leichten Anstieg akuter Gesundheitsprobleme aufgrund von Cannabiskonsum bei Erwachsenen.
Kriminalität und Besitzmengen
Jörg Kinzig, ein Kriminologe aus Tübingen, bezeichnete dies als die quantitativ bedeutendste Entkriminalisierung in der Geschichte der Bundesrepublik. „Nur wenige befragte Konsumenten gaben an, gelegentlich gegen Konsumverbote zu verstoßen“, so der Bericht. Das Ahndungsrisiko sei äußerst gering. Viele befragte Beamte von Polizei und Ordnungsbehörden kritisierten jedoch praktische Probleme bei der Umsetzung. Die Besitzmenge von 25 Gramm sei zu groß und behindere die Ermittlungen. Der Bericht empfiehlt eine Vereinfachung der Regeln und eine Harmonisierung mit Rauchverboten.
Gesundheitsministerin Warken sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Die Zwischenevaluation des Cannabisgesetzes zeigt trotz der teilweise noch fehlenden weiteren Datengrundlage bedenkliche Tendenzen.» Deutliche Kritik von Sicherheitsbehörden an den Regelungen könne die Politik nicht einfach ignorieren. «Wir werden zusammen mit den Koalitionsfraktionen und den Sicherheitsbehörden möglichen Handlungsbedarf erörtern müssen.»
Die SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge sagte indes, der Bericht bestätige, dass die Legalisierung «der richtige und längst überfällige Schritt» gewesen sei. Der Ansatz bewähre sich, Konsumenten zu entkriminalisieren, Prävention zu stärken und Polizei und Justiz zu entlasten. Nachzusteuern sei aber etwa beim Zugang zu Anbauvereinigungen. Union und SPD haben im Koalitionsvertrag eine «ergebnisoffene Evaluierung» des Gesetzes in diesem Herbst vereinbart.
Die Grünen-Fraktionsvize Misbah Khan hielt Warken vor, reflexhaft in alte Denkmuster einer überholten Verbotskultur zurückzufallen. Die Teillegalisierung habe «keine dramatischen negativen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft gehabt». Linke-Gesundheitspolitiker Ates Gürpinar sagte: «Panikmache rund um das Cannabisgesetz erweist sich einmal mehr als unbegründet.» Zu hohe Hürden verhinderten aber, dass legale Strukturen tatsächlich Wirkung entfalten.








