Die USA haben Sanktionen gegen Russland verhängt, doch hinter den Kulissen scheint weiter verhandelt worden zu sein. Die Ukraine trifft dies zu einem doppelt ungünstigen Zeitpunkt.
Berichte über neuen US-Friedensplan – Ukraine unter Druck

Die Ukraine gerät durch einen angeblich von der US-Führung mit Moskau im Geheimen ausgehandelten Friedensplan unter Druck. Von dem angegriffenen Land verlange der Rahmenentwurf große Zugeständnisse, berichtete die «Financial Times» unter Berufung auf am Gesprächsprozess beteiligte Personen. Die Ukraine solle die umkämpften Gebiete Donezk und Luhansk vollständig räumen und ihre Armee halbieren.
Vor dem Hintergrund der Berichte steht für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj heute in Kiew ein Treffen mit einer US-Militärdelegation an. In Brüssel kommen unterdessen die EU-Außenminister zu Beratungen zusammen. Thema sollen etwa mögliche neue Maßnahmen gegen die sogenannte russische Schattenflotte zur Umgehung von Energiesanktionen sein.
Kiewer Führung angeblich über Plan informiert
Das Nachrichtenportal «Axios» in Washington berichtete, der Plan sei Ende Oktober von Trumps Sondergesandtem Steve Witkoff und dem Moskauer Vertreter Kirill Dmitrijew ausgehandelt worden. Den Angaben nach soll Witkoff die Überlegungen dem Chef des ukrainischen Sicherheitsrates, Rustem Umjerow, zur Kenntnis gegeben haben.
In Moskau sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow, es gebe zwischen Russland und den USA keine neuen Vorschläge für ein Kriegsende. Es gelte weiter, was von Kremlchef Wladimir Putin und Trump bei ihrem Gipfel in Alaska im August besprochen worden sei. Der neue Plan entspricht nach Einschätzung der «Financial Times» weitgehend bekannten russischen Forderungen an Kiew.
Moskau will Russisch als Staatssprache
Moskau soll nach dem Bericht die Teile von Donezk und Luhansk erhalten, die bisher nicht erobert werden konnten. Allerdings sollen sie entmilitarisiert werden. Die südliche Frontlinie durch die Gebiete Saporischschja und Cherson soll größtenteils eingefroren werden. Der Ukraine drohen auch Beschränkungen hinsichtlich der Reichweite ihrer Waffen.
Laut dem Bericht wird auch verlangt, dass Russisch als offizielle Sprache anerkannt und die ehemals moskautreue orthodoxe Kirche wieder erlaubt wird. Die Führung in Kiew versucht, diese Kirche als Sicherheitsrisiko zu verbieten.
Trump hatte zuvor über einen militärischen Rückzug der Ukrainer gesprochen und es als „Gebietsaustausch“ bezeichnet. In den letzten Wochen äußerte er jedoch zunehmend Enttäuschung über Putins mangelnde Verhandlungsbereitschaft. Trump sagte vorerst einen zweiten Gipfel in Budapest ab und verhängte schmerzhafte Sanktionen gegen die großen russischen Ölexporteure Rosneft und Lukoil.
Ukraine doppelt in Schwierigkeiten
Die vermeintliche Annäherung zwischen Washington und Moskau trifft die Ukraine zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Der Fall der lange umkämpften Stadt Pokrowsk im Osten steht unmittelbar bevor. Auch im Süden musste die ukrainische Armee Stellungen aufgeben.
Im Inland steht Selenskyj aufgrund eines Korruptionsskandals, der bis in sein Umfeld reicht, unter Druck. Zwei Minister sind bisher zurückgetreten. Nach Selenskys Rückkehr von einer Auslandsreise werden heute weitere Gespräche im Parlament und in der Regierung über personelle Konsequenzen erwartet. In Kiew wird auch über eine mögliche Entlassung von Andrij Jermak diskutiert, der als Leiter des Präsidentenbüros als mächtig gilt.
Selenskyj: Nur Trump kann Krieg beenden
Eine direkte Reaktion der Ukraine auf den amerikanisch-russischen Plan gab es nicht. Selenskyj beschwor jedoch Trump, sich für einen gerechten Frieden einzusetzen. «Nur Präsident Trump und die USA haben genügend Kraft, dass dieser Krieg zu einem Ende kommt», schrieb er in sozialen Netzwerken.
Nach Gesprächen in Ankara dankte er dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, dass die Türkei weiter als Gastgeberin für Verhandlungen bereitstehe. Doch das Wichtigste für ein Ende des Blutvergießens und einen dauerhaften Frieden sei, dass die USA sich stark und effektiv engagierten. Erdogan drängte in Ankara darauf, dass Kiew und Moskau zu neuen Gesprächen in Istanbul auf. Wie bei Trumps Friedensinitiative für Gaza sollen laut «Axios» Katar und die Türkei ebenfalls an dem Ukraine-Plan beteiligt sein.
Europäer bleiben bislang außen vor
In den europäischen Hauptstädten war über den Plan wenig bekannt. Aus EU-Kreisen in Brüssel wurde berichtet, dass die USA Gespräche mit beiden Kriegsparteien führen, den neuen Plan jedoch noch nicht gesehen haben. Aktuell scheint eher Russland Interesse an der Verbreitung solcher Nachrichten zu haben. Es wird als eine Art Ablenkungsmanöver angesehen, da der Druck durch die US-Sanktionen gegen die russische Ölindustrie gestiegen ist.
Das Nachrichtenportal «Politico» zitierte einen nicht genannten Vertreter der Trump-Administration mit der Einschätzung, dass Selenskyj unter dem Druck innen und an der Front einlenken müsse. Die gemachten Vorschläge seien vernünftig. Auf die europäischen Verbündeten sei dabei kaum Rücksicht genommen worden.
Selenskyj trifft heute eine US-Militärdelegation in Kiew. Sie wird von Daniel Driscoll geführt, dem für das Heer zuständigen Staatssekretär im US-Verteidigungsministerium. In einem Gespräch am Mittwoch versuchte der ukrainische Verteidigungsminister Denys Schmyhal, die Ukraine als verlässlichen und wichtigen Partner der USA darzustellen. Sein Land habe in der Drohnentechnik etwas zu bieten.
Immer noch Vermisste nach Luftangriff auf Ternopil
Die Rettungsarbeiten in der westukrainischen Stadt Ternopil nach einem schweren russischen Luftangriff in der Nacht zum Mittwoch dauerten weiter an. Bis zum Abend wurden laut der Nationalen Polizei 26 Tote gezählt. Es gab zudem 93 Verletzte. Präsident Selenskyj gab bekannt, dass immer noch Menschen in den Trümmern eines neunstöckigen Wohnblocks vermisst werden. Laut der ukrainischen Luftwaffe traf ein Marschflugkörper vom Typ Ch-101 das Gebäude.








