Empörung in der EU über Beschuss einer Delegation im Westjordanland. Diplomaten unverletzt, Israel muss Vorfall untersuchen und Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen.
Israelische Streitkräfte schießen auf Diplomaten, EU fordert Aufklärung
Schüsse israelischer Streitkräfte in Richtung einer angemeldeten Delegation ausländischer Diplomaten im besetzten Westjordanland sorgen in der Europäischen Union für Empörung. Die Bundesregierung verlangte von der israelischen Regierung Aufklärung, wie es dazu kommen konnte: «Diesen unprovozierten Beschuss verurteilt das Auswärtige Amt scharf. Wir können von Glück reden, dass nichts Schlimmeres passiert ist», sagte eine Sprecherin laut einer Mitteilung.
Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hatte zuvor berichtet, dass die israelische Armee während des Diplomatenbesuchs in der Nähe der Delegation Schüsse abgefeuert hatte. Das Außenministerium der PA verurteilte den Vorfall in der Stadt im Norden des Westjordanlands aufs Schärfste. Es gab zunächst keine Berichte über Verletzte. Israels Militär sprach nach dem Vorfall von Warnschüssen und kündigte eine Untersuchung an.
Frankreich kündigt Einbestellung des Botschafters an
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas drängte Israel nachdrücklich, den Vorfall zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. «Jegliche Bedrohung des Lebens von Diplomaten ist inakzeptabel», betonte sie.
Der französische Außenminister Jean-Noël Barrot bezeichnete das Geschehen als «nicht hinnehmbar» und kündigte die Einbestellung des israelischen Botschafters in Frankreich an. Ähnliche Reaktionen kamen aus Ländern wie Italien, Spanien und Belgien.
Das Auswärtige Amt antwortete auf die Frage der dpa, ob wie in anderen Ländern der israelische Botschafter einbestellt worden sei: «Außenminister Wadephul hat heute direkt mit dem israelischen Außenminister telefoniert.»
Extrem angespannte Lage im Westjordanland
Der Zwischenfall in Dschenin zeigt, wie gefährlich die Situation im besetzten Westjordanland ist. Sie ist schon lange angespannt – seit dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 hat sie sich noch verschärft. Seitdem wurden dort laut dem Gesundheitsministerium bei israelischen Militäreinsätzen, bewaffneten Auseinandersetzungen und Anschlägen von Extremisten über 900 Palästinenser getötet. Gleichzeitig kommt es vermehrt zu Gewalttaten radikaler israelischer Siedler gegen palästinensische Zivilisten.
Dschenin wird als Zentrum militanter Palästinenser angesehen. Israel startete im Januar die umfangreichste Militäroperation gegen bewaffnete Gruppen im Westjordanland seit langem. Laut den Vereinten Nationen mussten Zehntausende Menschen in den betroffenen Gebieten ihre Häuser verlassen.
Belgien: Fahrzeuge der Delegation waren klar zu erkennen
Nach Berichten der Medien besuchten ausländische Diplomaten in Dschenin ein Flüchtlingslager in der Stadt, um sich über die humanitäre Lage vor Ort zu informieren.
Laut dem Auswärtigen Amt waren auch ein deutscher Diplomat und ein Fahrer aus dem Vertretungsbüro Ramallah Teil der Delegation. Die Gruppe war in Absprache mit der Palästinensischen Autonomiebehörde und der israelischen Armee unterwegs.
Laut dem belgischen Außenminister Maxime Prévot war die Delegation bestehend aus etwa 20 Diplomaten in einem Konvoi von rund 20 deutlich erkennbaren Fahrzeugen unterwegs.
Israel: Diplomaten-Konvoi wich von Route ab
Israels Militär teilte mit, dass die Delegation von der zuvor genehmigten Route für den Besuch von Dschenin abgewichen sei und in ein Gebiet eingedrungen sei, in dem sie sich nicht hätten aufhalten dürfen. Es wurde berichtet, dass israelische Soldaten Warnschüsse abgegeben haben, um die Menschengruppe auf Distanz zu halten.
Nachdem sich herausgestellt habe, dass es sich um die Diplomaten handelte, habe die Armee eine Untersuchung eingeleitet. Es solle mit Vertretern der von dem Vorfall betroffenen Länder gesprochen werden. Sie sollen über die Ergebnisse der Untersuchung informiert werden. Die Armee betonte in der Mitteilung, die «entstandenen Unannehmlichkeiten» zu bedauern.
Auswärtiges Amt: Diplomaten als unabhängige Beobachter unverzichtbar
Das Außenministerium der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) bezeichnete den Vorfall als einen «eklatanten und schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht».
Die Sprecherin des Auswärtigen Amtes betonte: «Die unabhängige Beobachterrolle der Diplomatinnen und Diplomaten vor Ort ist unverzichtbar und stellt in keinster Weise eine Bedrohung für israelische Sicherheitsinteressen dar.» Die israelische Regierung müsse die Unverletzlichkeit von Diplomatinnen und Diplomaten respektieren.