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BGH klärt: Ärzte haften nicht für etwaige Corona-Impfschäden

Vor Gericht kämpft ein Mann um Schmerzensgeld, dem nach einer Corona-Impfung eine Herzerkrankung diagnostiziert wurde. Aber wer haftet in solchen Fällen? Nun gibt es eine Entscheidung.

Der Kläger meint, bei seiner Herzerkrankung handele es sich um einen Impfschaden. (Archivbild)
Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Im Falle schwerwiegender Folgen durch Fehler bei einer Corona-Schutzimpfung fordern Geschädigte oft Schadenersatz vor Gericht. Laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist der impfende Arzt oder die impfende Ärztin nicht persönlich für mögliche Impfschäden haftbar. Das Gericht stellte jedoch fest, dass eine sogenannte Amtshaftung des Staates in Betracht kommt.

In diesem speziellen Fall hat ein Mann seine Ärztin verklagt, weil ihm kurz nach einer Impfung gegen das Coronavirus Ende 2021 eine Herzerkrankung diagnostiziert wurde. Er behauptet, dass die Impfung falsch verabreicht wurde und er nicht ausreichend aufgeklärt wurde. Aufgrund der Folgen kann er nicht mehr arbeiten und ist auch psychisch stark belastet. Vor Gericht forderte er unter anderem ein Schmerzensgeld von mindestens 800.000 Euro.

Staat haftet für Amtspflichtverletzungen

Bereits in den vorherigen Instanzen war der Klage des Patienten kein Erfolg beschieden. Das Landgericht Dortmund und das Oberlandesgericht Hamm entschieden, dass die Ärztin bei der Impfung eine hoheitliche Aufgabe übernommen habe und daher haftungsrechtlich als Beamtin gehandelt habe. Aus diesem Grund müsse sie nicht persönlich für eventuelle Impfschäden haften, sondern der Staat.

Auch der BGH stimmte dieser Ansicht zu. Der Staat sei grundsätzlich für etwaige Aufklärungs- oder Behandlungsfehler bei der Corona-Schutzimpfung verantwortlich, entschied der dritte Zivilsenat in Karlsruhe. Klagen von Geschädigten müssten daher gegen den Bund oder die Länder gerichtet werden – nicht gegen die impfenden Ärztinnen und Ärzte persönlich. Die Revision des Klägers wurde abgewiesen. (Az. III ZR 180/24)

Im Grundgesetz ist festgelegt, dass der Staat die Verantwortung übernimmt, wenn Menschen in Ausübung eines öffentlichen Amtes Pflichten verletzen. Dies wird als Amtshaftung bezeichnet. Laut der Rechtsprechung des BGH fallen nicht nur Beamte, Soldaten oder Richter unter diese Haftungsregelung, sondern unter bestimmten Umständen auch Privatpersonen – wie in diesem Fall die impfenden Ärzte.

Ärzte als «Werkzeug» des Staates?

Die Klägerseite hatte argumentiert, anders als bei staatlichen Impfzentren seien private Ärztinnen und Ärzte nicht vom Staat zum Impfen beauftragt worden. Der Staat habe nur die Rahmenbedingungen geschaffen. Die Ärzte hätten aber immer die Freiheit gehabt, etwa bei individuellen Risiken der Patienten diese nicht zu impfen. Sie seien kein «Werkzeug» des Staates gewesen und müssten deswegen auch selbst für eventuelle Schadensfälle haften.

Der Anwalt der beklagten Ärztin in Karlsruhe wies darauf hin, dass zum Zeitpunkt der Impfung ein großes gesellschaftliches Interesse an einer hohen Impfquote bestand. Um dieses Ziel zu erreichen, waren viele impfende Ärzte erforderlich. Daher müsse die Gesellschaft auch etwaige Schäden in Einzelfällen tragen – also der Staat.

Der Kläger in Karlsruhe sagte, dass es ihm in dem Verfahren vor allem um die grundsätzliche Klärung der Frage gegangen sei, wer bei etwaigen Corona-Impfschäden die Haftung übernehme. Daher sei die Entscheidung für ihn kein Rückschlag. Er plane, seinen Kampf im Namen aller Impfgeschädigten fortzusetzen und nun gegen den Staat zu klagen, erklärte er nach der Verkündung.

Patientenschützer fordern unbürokratische Lösung

Ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers tatsächlich auf die Corona-Impfung zurückzuführen sind, wurde in dem Verfahren übrigens nicht geklärt. Es gehe grundsätzlich um die Frage «wer haftet, wenn», betonte der Vorsitzende Richter Ulrich Herrmann in der Verhandlung.

«Jetzt ist klar, dass der Staat die alleinige Verantwortung für Impfschäden trägt», erklärte Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. «Auch um den gesellschaftlichen Frieden wiederherzustellen, hat die Bundesgesundheitsministerin den Geschädigten eine möglichst unbürokratische Lösung anzubieten», fordert er. Dabei sollten die schon heute für Patienten vorhandenen Strukturen genutzt werden.

So könnten sich mögliche Opfer von Behandlungsfehlern an die zuständige Krankenkasse oder Landesärztekammer wenden. «Beide Institutionen prüfen dann den Sachverhalt und geben eine gutachterliche Stellungnahme ab», so Brysch. «Wenn hier zwischen Impfung und Schädigung ein Zusammenhang festgestellt wird, muss der Staat den Schadenersatz übernehmen.» Betroffenen bliebe so ein jahrelanger und kräftezehrender Rechtsstreit erspart.

dpa