Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Blauhelme im Feuer: Libanon-Auftrag wird immer schwieriger

In dem nun mehrfach beschossenen Unifil-Hauptquartier im Libanon sind auch 40 deutsche Soldaten. Die Männer und Frauen arbeiten mit ihren internationalen Partnern unter größeren Gefahren weiter.

Seit 1978 sind Unifil-Blauhelmsoldaten im Libanon stationiert. (Archivbild)
Foto: Marwan Naamani/dpa

Wegen mehrfacher Angriffe auf Posten der UN-Blauhelme im Südlibanon geht die Bundeswehr von größerer Gefahr für ihre Männer und Frauen in der Friedenstruppe Unifil aus. «Nach hiesiger Bewertung besteht für die Kräfte vor Ort eine erhöhte Gefährdungslage, die durch entsprechende Schutzmaßnahmen der Truppe bestmöglich reduziert wird», sagte ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Etwa 40 Soldatinnen und Soldaten seien im Camp des UN-Hauptquartiers in Nakura. «Alle Angehörigen des deutschen Einsatzkontingents sind wohlauf», sagte der Sprecher. Auch die «Kieler Nachrichten» berichteten.

Unifil ist einer der ältesten UN-Friedenseinsätze

Die Aufgabe von Unifil besteht darin, die Einhaltung der Waffenruhe nach dem Libanon-Krieg 2006 zu überwachen. Die UN-Truppe hilft der libanesischen Regierung, die Seegrenzen zu schützen und den Waffenschmuggel über das Meer zu unterbinden. Allerdings haben die Transporte von Rüstungsgütern aus dem Iran an die Hisbollah in letzter Zeit ganz andere Routen als den Seeweg genommen.

Seit 1978 sind Unifil-Blauhelmsoldaten im Libanon stationiert, um sich für einen Frieden zwischen Libanon und Israel einzusetzen. Die Mission ist einer der ältesten friedenserhaltenden UN-Einsätze. Die Truppe mit mehr als 10.000 beteiligten UN-Soldaten ist bewaffnet, kann ihre Waffen im Wesentlichen aber nur zur Selbstverteidigung einsetzen.

Wiederholte Angriffe treffen Blauhelme im Südlibanon

In den letzten Tagen wurden die Blauhelmsoldaten mehrmals beschossen. Sie haben sowohl israelische Truppen als Verursacher genannt, als auch von einer unklaren Situation in den Kämpfen zwischen israelischen Soldaten und der Hisbollah gesprochen. Am Sonntag drangen israelische Panzer gewaltsam in das Haupttor eines UN-Postens in Ramja ein.

US-Präsident Joe Biden forderte die israelische Regierung auf, Angriffe auf Blauhelmsoldaten im Libanon zu stoppen. Ein UN-Sprecher in New York warnte: «Angriffe auf Friedenstruppen verstoßen gegen das Völkerrecht, einschließlich des humanitären Völkerrechts. Sie könnten ein Kriegsverbrechen darstellen.» Der Weltsicherheitsrat zeigte sich besorgt. 

«Wir rufen alle Parteien dazu auf, die Sicherheit des Personals und der Einrichtungen von Unifil zu respektieren», sagte die Schweizer UN-Botschafterin Pascale Baeriswyl als amtierende Präsidentin des Sicherheitsrats im Namen aller 15 Mitglieder. Selbst Papst Franziskus rief eindringlich dazu auf, die UN-Beobachtermission Unifil zu respektieren.

Etwa 40 deutsche Soldaten sind im Unifil-Hauptquartier

Die deutschen Soldaten, die noch im Libanon stationiert sind, befinden sich im Hauptquartier der UN-Mission in Nakura, so das Einsatzführungskommando. Obwohl die Männer und Frauen im Stab den Auftrag ausführen könnten, sind sie aufgrund der Kampfhandlungen rund um Nakura stark in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkt.

An der Demarkationslinie zwischen dem Libanon und Israel, die nun von israelischen Truppen überschritten wurde («blue line»), haben die Staaten, die an der UN-Mission beteiligt sind, eine sogenannte Raumverantwortung: Sie sind für einen bestimmten Streckenabschnitt zuständig. Nach Zahlen vom September stellten Italien (1.068), Spanien (676) und Frankreich (673) die meisten Soldaten unter den europäischen Truppenstellern der 50 beteiligten Staaten. Indonesien stellte mit 1.231 Soldaten das größte Personalkontingent.

Deutschland hat entlang dieser Blauen Linie keine Soldaten stationiert. Zum deutschen Unifil-Auftrag gehört vor allem das Kommando über die multinationalen maritimen Einheiten vor der Küste des Libanons. Sie werden aus Nakura geführt. Die Deutsche Marine stellt auch die Korvette «Ludwigshafen am Rhein» für Unifil. Zusätzlich zum Hauptauftrag der Seeraumüberwachung unterstützen die Einheiten die UN-Mission durch Personal- und Materialtransporte über See.

Israelische Regierung fordert den Abzug der Unifil

An Land befinden sich die Posten der UN-Mission oft an strategisch günstigen Stellen auf Anhöhen mit guter Sicht. Solche Plätze will jeder militärische Führer im Kampfeinsatz unter Kontrolle bringen, mindestens aber dem Feind verwehren. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den sofortigen Abzug der UN-Beobachtermission aus der Kampfzone im Süden des Libanons gefordert.

Experten sagen, dass die Hisbollah die UN-Präsenz ausnutzt und dass die UN-Soldaten Israel bei ihren militärischen Plänen stören. Die Hisbollah positioniert ihre militärische Infrastruktur in der Nähe von Unifil-Einrichtungen, und die UN-Mission hat keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen.

Es gibt insgesamt mehr als 10.000 Blauhelme, die den israelischen Einsatz behindern. Die Vereinten Nationen haben jedoch klargestellt, dass sie nicht abziehen möchten. Es wird auch die weitere Entwicklung, einschließlich der Hoffnung auf einen Waffenstillstand und internationale Hilfe zur Deeskalation, beobachtet.

Bundesregierung: Kampfhandlungen nur gegen militärische Ziele richten

Die Bundesregierung kritisierte den Beschuss der UN-Friedenstruppe am Montag scharf und forderte Israel auf, die Hintergründe solcher Vorgänge aufzuklären. «Alle Konfliktparteien, auch die israelische Armee, sind verpflichtet, ihre Kampfhandlungen ausschließlich gegen militärische Ziele der anderen Konfliktpartei zu richten», sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Es ist nun eine große Herausforderung für die Missionsleitung, die größeren und kleineren Posten trotz der laufenden Kämpfe zu versorgen. Die logistische Unterstützung der Blauhelme durch Israel wird aufmerksam beobachtet.

Am Wochenende hatte das israelische Militär laut UN eine wichtige «Unifil-Logistikbewegung» nahe dem libanesischen Grenzort Mais al-Dschabal gestoppt. Die Lieferung konnte demnach nicht abgeschlossen werden. Die Versorgung der eingebunkerten Blauhelme ist ein Rennen gegen die Zeit, bei dem die Unifil letztlich ohne lauten Knall gezwungen sein könnte, sich aus der Fläche zurückzuziehen.

dpa