Neue Vorgaben für gleichen Zugang zu medizinischer Versorgung gefordert, unabhängig vom Versichertenstatus.
Gerechtere Terminvergabe gefordert – Bundesrat prüft Antrag aus Niedersachsen
Viele gesetzlich versicherte Patienten finden die Suche nach einem Arzttermin mühsam und langwierig – heute befasst sich der Bundesrat daher mit der Terminvergabe. Anlass ist ein Antrag Niedersachsens für ein gerechteres Terminsystem.
Um was geht es im Bundesrat?
Die Initiative aus Niedersachsen hat zum Ziel, dass der Bundesrat einen Appell ausspricht: Die nächste Bundesregierung soll aufgefordert werden, zu überprüfen, ob es eine Ungleichbehandlung von gesetzlich und privat Krankenversicherten gibt. Sollte dies der Fall sein, sind nach Auffassung der Landesregierung neue Vorgaben erforderlich – wie beispielsweise eine Mindestquote von Terminen für gesetzlich Versicherte oder finanzielle Anreize für Ärzte, die hauptsächlich gesetzlich Versicherte behandeln. Die Länderkammer wird darüber abstimmen, ob sie diese Position beim Bund vertritt – dies passt auch zu den laufenden Koalitionsverhandlungen.
Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) sagte, dass alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen Zugang zu schneller, hochwertiger medizinischer Versorgung haben sollten – «unabhängig von ihrem Einkommen, ihrem Wohnort oder der Frage, ob sie privat oder gesetzlich krankenversichert sind».
Blockieren Privatpatienten die Termine?
Nein, sagt der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen. Dafür gebe es gar nicht genügend Privatpatienten. Rund 90 Prozent der Menschen in Deutschland seien gesetzlich krankenversichert. «Auf sie entfällt dementsprechend automatisch der mit Abstand größte Anteil der Termine», sagte Gassen. «Zudem gehen die rund zehn Prozent privat Versicherten deutlich seltener zum Arzt.»
Der Orthopäde sieht in dem niedersächsischen Vorstoß «pure Augenwischerei»: Termine, die es nicht gebe, oder Leistungen, die nicht vergütet werden, könnten auch nicht per Gesetz erzwungen werden.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) beklagt hingegen eine «Diskriminierung der gesetzlich Versicherten gegenüber Privatpatienten bei der Terminvergabe», wie Vorstandsvize Stefanie Stoff-Ahnis sagte.
Wie lang sind die Wartezeiten?
Die KBV hat auf eine Analyse der Termin-Servicestellen unter der Rufnummer 116 117 hingewiesen: Im Jahr 2023 wurden Facharzttermine im Durchschnitt innerhalb von 12 Tagen nach der ersten Anfrage vermittelt. Am schnellsten ging es bei Hausärzten (4 Tage), während es bei Kinderärzten (9 Tage), Augenärzten (11 Tage) oder Hautärzten (14 Tage) länger dauerte. Die längste Wartezeit wurde im KBV-Bericht mit durchschnittlich 26 Tagen für die Endokrinologie (Hormonheilkunde) und Diabetologie festgestellt.
Wie nehmen die Patienten die Wartezeiten wahr?
Fast jeder dritte gesetzlich Versicherte (31 Prozent) findet, dass die Wartezeit auf einen Facharzttermin zu lang ist – und jeder Vierte wartet eigenen Angaben zufolge länger als 30 Tage darauf. Dies ergab eine repräsentative Umfrage aus dem Jahr 2024 im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes. Auch in dieser Untersuchung schneiden die Hausärzte besser ab: Nur 12 Prozent empfinden die Termin-Wartezeiten als zu lang.
Welches Problem sehen die Ärzte?
KBV-Chef Gassen fordert eine für alle Beteiligten verbindliche Terminvergabe. Häufig würden Patienten nicht erscheinen, obwohl sie einen Termin haben. Eigentlich müsste den Ärzten daher jeder Termin von gesetzlich versicherten Patienten automatisch vergütet werden, sagte der KBV-Chef: «Es geht eben nicht nur um ein Datum im Kalender wie bei einem Friseurtermin, sondern um die Koordination von Versorgung.»
Was wollen die Krankenkassen?
Im Fokus steht für den GKV-Spitzenverband eine digitale Terminvermittlung, für die die Ärzte je nach Fachgruppe eine gewisse Stundenzahl diskriminierungsfrei zur Verfügung stellen müssten – unabhängig vom Versichertenstatus. «Wer echte Gleichbehandlung will, muss dafür sorgen, dass bei der Terminvergabe nicht mehr danach gefragt werden darf, ob jemand gesetzlich oder privat versichert ist», sagte Vorstandsvize Stoff-Ahnis. «Ich hoffe, dass die neue Bundesregierung das Thema zeitnah aufnimmt und nicht erneut vergeblich versucht wird, das Problem über immer mehr Geld für die Ärzteschaft zu lösen.»