Kein Licht, keine Notrufe, geschlossene Geschäfte – eine Brandstiftung zerstört Stromleitungen. Auch Pflegeheime und Patienten sind betroffen. Tausende sind stundenlang ohne Strom.
Brandanschlag auf Kabel – Zehntausende Berliner ohne Strom

Zehntausende Berliner Haushalte erleben einen Stromausfall mitten in der Nacht. Laut ersten Ermittlungen der Polizei handelt es sich wahrscheinlich um einen politisch motivierten Brandanschlag auf zwei Strommasten in der Hauptstadt, der die Energieversorgung dort lahmgelegt hat. Etwa 50.000 Haushalte und Unternehmen im Berliner Südosten sind betroffen, einige davon waren bis zum Nachmittag ohne Strom, andere sogar noch länger. Es liegen noch keine Informationen über mögliche Täter aus extremistischen Kreisen vor.
Der Alarm wurde um 3.30 Uhr ausgelöst. Ein Feuer hat mehrere dicke Starkstromleitungen am Fuß der Masten am Königsheideweg im Bezirk Treptow-Köpenick in der Nähe eines Wohnviertels mit Einfamilienhäusern und viel Grün zerstört. Es dauerte eine Stunde, bis die Feuerwehr den Brand gelöscht hatte. Die Täter hatten anscheinend einen Brandbeschleuniger wie Benzin verwendet.
Bis zu 50.000 Haushalte vom Blackout betroffen
Laut Stromnetz Berlin waren seit der Nacht etwa 50.000 Kunden von dem Stromausfall betroffen. Die Feuerwehr meldete mehr als 43.000 Haushalte und 3.000 Unternehmen. Des Weiteren waren Schulen, Kindergärten und zwei Pflegeheime ohne Strom. Ampeln und Straßenbeleuchtung funktionierten nicht mehr. Die Feuerwehr kümmerte sich um die Pflegeheime. Einige Patienten, die beispielsweise auf Beatmungsgeräte angewiesen waren, wurden in Krankenhäuser verlegt.
„Mobilfunk- und Festnetzverbindungen sowie die Erreichbarkeit der Notrufe 110 und 112 waren teilweise gestört. Die Polizei forderte dazu auf, sich in dringenden Notfällen direkt an die nächstgelegene Wache zu wenden.“
In Berlin kommt es immer wieder zu Stromausfällen, allerdings von kleinerem Ausmaß. «Diese Dimension ist die absolute Ausnahme», sagte ein Sprecher von Stromnetz Berlin.
Spurensuche läuft – Reparatur kann noch viele Stunden dauern
Die Arbeiten an der Stromversorgung könnten noch bis Mittwoch dauern. «Wir richten uns darauf ein, dass wir nicht heute damit fertig werden», sagte Stromnetz Berlin-Geschäftsführer Erik Landeck vor Ort. Die technischen Arbeiten können erst beginnen, wenn die Polizei mit der Spurensuche vor Ort fertig sei.
Kurz nach 10.00 Uhr seien bereits mehr als 14.000 Kunden wieder versorgt gewesen, sagte Landeck. Das sei durch die Inbetriebnahme von Kabeln, die eigentlich außer Betrieb waren, gelungen. Für die restlichen Kunden werde es wegen der Reparaturen etwas länger dauern. «Wir werden keine neuen Masten aufstellen können.»
Polizei ermittelt, ob es ein politischer Anschlag war
Kriminaltechniker untersuchten am Morgen den Tatort im Stadtteil Johannisthal. Hinweise auf einen Anschlag mutmaßlich durch politische Extremisten seien die Wahl der beiden Strommasten als Anschlagsziel und das Vorgehen der Täter, hieß es von der Polizei. Ein Anwohner erzählte, eine Nachbarin habe nachts «ein Knistern und einen Knall» gehört.
Es war anfangs unklar, aus welcher politischen Richtung die Täter stammen könnten. Es gab noch kein Bekennerschreiben am Vormittag. Die Ermittlungen wurden vom Staatsschutz des Landeskriminalamts übernommen, der für politisch motivierte Straftaten zuständig ist.
Laut Polizei blieb es auf den Hauptverkehrsstraßen von Köpenick in Richtung Innenstadt sowie in den Wohnvierteln ruhig. Es wurden keine weiteren Unfälle oder Zwischenfälle gemeldet.
Stromausfall legt Ampeln und Geschäfte lahm
Polizisten regelten an Kreuzungen mit ausgefallenen Ampeln den Verkehr. «Wir sind auch sonst auf den Straßen präsent, um ansprechbar zu sein», sagte eine Polizeisprecherin. Die S-Bahnen fuhren, aber viele Lautsprecheransagen, Anzeigen, Aufzüge und Fahrkartenautomaten funktionierten nicht.
Das große Einkaufszentrum Schöneweide wirkte wie ausgestorben, am Vormittag waren die Geschäfte dunkel, Verkäufer saßen drinnen. Nur ein großer Supermarkt war hell erleuchtet. Bei einem anderen stand ein Einkaufswagen mit einem Schild quer in der geöffneten Ladentür: «Geschlossen Stromausfall !!!!»
Ein Friseur sagte, er habe sich schon beim Aufstehen gewundert: «Alles war so dunkel.» Im Laden habe es dann am Morgen geheißen: «Wir können nicht arbeiten.» Bis mittags habe sich das auch nicht geändert, es sei zu dunkel in den Räumen.
Eine Apothekerin sagte: «Wir müssen Kunden wegschicken, wir können nicht kassieren, wir können die Rezepte nicht einlösen. Wir mussten unsere Kühlware woanders hinbringen und das ganz, ganz schnell.» Heutzutage sei alles digital und das mache es ohne Strom sehr schwierig.
Senatorin schickt Lautsprecherwagen für Infos an die Anwohner
Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) schickte Lautsprecherwagen in die betroffenen Ortsteile. Sie sollen «die Bevölkerung unter anderem über Anlaufpunkte informieren». Sie habe vereinbart, dass noch am Dienstag zwei sogenannte Katastrophenschutz-Leuchttürme, das sind Anlaufstellen mit Personal und Stromversorgung, aufgebaut und in Betrieb genommen werden sollten.
Laut den Stromnetz-Betreibern ist die Situation vergleichbar mit einem Vorfall aus dem Jahr 2019 in Köpenick. Damals wurde ein Kabel bei Bauarbeiten beschädigt. Der Stromausfall betraf über 30.000 Haushalte und 2.000 Gewerbebetriebe und dauerte etwa 30 Stunden.