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Brandenburg-Wahl: Schwierig in Potsdam, schwierig im Bund

Ministerpräsident Dietmar Woidke hat, was er wollte: den Wahlsieg für seine SPD. Aber leicht wird das Regieren für ihn nicht. Und für seinen Parteikollegen Olaf Scholz dürfte es auch im Bund rumpeln.

Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat sein Wahlziel erreicht - und nun doch eine schwierige Aufgabe.
Foto: Kay Nietfeld/dpa

Nachdem die SPD knapp vor der AfD gewonnen hat, steht Brandenburg vor einer komplizierten Regierungsbildung – und die Ampel-Koalition im Bund vor einer neuen Zerreißprobe. Ministerpräsident Dietmar Woidkes Sozialdemokraten waren zwar die stärkste Kraft bei der Landtagswahl am Sonntag nach einer Aufholjagd, aber ihre bisherigen Koalitionspartner CDU und Grüne haben deutlich verloren. Eine Mehrheit ohne die AfD könnte Woidke nur mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erreichen. Die FDP ist so stark abgestürzt, dass sie nun erneut die Koalition im Bund in Frage stellt.

Die AfD ist Nummer zwei – aber sehr stark

Woidke hat mit seiner SPD laut vorläufigem amtlichen Ergebnis 30,9 Prozent der Stimmen erreicht und somit sein erklärtes Ziel erreicht: vor der AfD zu liegen. Die Rechtsaußenpartei schnitt jedoch auch stark ab, mit 29,2 Prozent. Auf dem dritten Platz landete die erst vor wenigen Monaten gegründete BSW mit 13,5 Prozent, vor der CDU mit 12,1 Prozent. Dies sind die vier Parteien im Parlament.

Grüne, Linke und Freie Wähler scheiterten jedoch an der Fünf-Prozent-Hürde und sind somit nicht mehr im Potsdamer Landtag vertreten. Die FDP war dort bisher nicht vertreten und erzielte nun nur noch 0,8 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit 72,9 Prozent so hoch wie noch nie bei Landtagswahlen in Brandenburg.

Die AfD hat es geschafft, eine sogenannte Sperrminorität zu erlangen – zum zweiten Mal nach ihrem Erfolg in Thüringen vor drei Wochen. Mit 30 von 88 Sitzen hat sie zukünftig mehr als ein Drittel der Mandate und kann somit Entscheidungen blockieren, für die eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist. Dies betrifft beispielsweise die Wahl von Verfassungsrichtern und auch Verfassungsänderungen. Auf diese Weise hat die AfD trotz des Unwillens anderer Parteien, mit ihr zu regieren, erheblichen Einfluss.

SPD und BSW – geht das?

Ministerpräsident Woidke kündigte an, zuerst Gespräche mit seinem bisherigen Partner CDU führen zu wollen. Doch fehlt diesem Zweierbündnis die Mehrheit. Die käme rechnerisch nur mit dem BSW zustande. Dessen Co-Chefin Amira Mohamed Ali signalisierte auch grundsätzlich Bereitschaft. «Wir bringen da eine Offenheit mit», sagte sie bei Phoenix. «Aber uns ist eben wichtig, dass die Inhalte stimmen und dass es wirklich echte Verbesserungen für die Menschen in Brandenburg gibt.» Als zentrales Thema nannte sie unter anderem die Friedenspolitik.

Ein Bündnis mit der SPD, für das eben jene Friedenspolitik zum Stolperstein werden könnte, hält nicht nur der Parteienforscher Thorsten Faas für schwierig. «Das ist alles nicht erprobt», sagte der Politologe der Deutschen Presse-Agentur. «Es ist nicht gesichert, dass das eine reibungslos funktionierende Koalition wird.» 

Die AfD sieht sich als Kraft der Zukunft

Da die AfD mehr Stimmen von jungen Leuten holte als die anderen Parteien, betrachtet sie sich selbst als Kraft der Zukunft, wie es Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt ausdrückte. Laut einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen erhielt die Partei bei den unter 30-Jährigen 30 Prozent der Stimmen. Die SPD hatte in dieser Altersgruppe nur einen Anteil von 21 Prozent, war jedoch bei der Generation 60 Plus besonders stark vertreten.

Politologe Faas rät dazu, diesen hohen Anteil junger AfD-Wähler «sehr ernst zu nehmen». Allerdings zeige sich im Wahlverhalten junger Leute auch, dass sie oft nach allen Richtungen offen seien. Die Gleichsetzung der AfD mit einer Partei der Zukunft halte er für sehr übertrieben, sagte Faas, der an der Freien Universität Berlin lehrt.

Die Rechtsextremismus-Forscherin Heike Radvan von der Universität Cottbus-Senftenberg betonte: «Wir brauchen mehr politische Bildung.» Jugendliche hätten oft noch kein gefestigtes rechtes Weltbild. Doch müsse mehr über die deutsche Geschichte aufgeklärt werden, auch der Kampf gegen Falschinformationen sei wichtig. Dass die AfD nur Nummer zwei geworden sei, sei «kein Grund zur Entwarnung», sondern eine große Herausforderung.

Desaster für zwei von drei Ampel-Parteien

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), derzeit auf Dienstreise in New York bei den Vereinten Nationen, hatte eigentlich angekündigt, sich erst heute Nachmittag zum Wahlergebnis zu äußern. Nach dem Erfolg seines Parteikollegen Woidke sagte Scholz aber doch schon etwas: «Ist doch super, dass wir gewonnen haben.» Und weiter: «Ich habe es gespürt, dass da was passiert.»

Woidke hatte im Wahlkampf ausdrücklich auf Scholz’ Unterstützung verzichtet, von der in Umfragen bei Wählerinnen und Wählern sehr unbeliebten Ampel versprach er sich wohl wenig Rückenwind. Nach der Wahl stärkte Woidke seinem Parteikollegen aber den Rücken: «Der Bundeskanzler ist gesetzt als Kanzlerkandidat», sagte der Ministerpräsident in der ARD. 

Die SPD zieht aus dem Ergebnis die Botschaft: Kämpfen lohnt sich. Die Grünen als Wahlverlierer zeigen sich dagegen ratlos. Es gebe einen negativen Trend, «und da werden wir uns gemeinsam rauskämpfen», sagte Parteichefin Ricarda Lang in der ARD. Verlorenes Vertrauen müsse zurückgewonnen werden.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki schaltete hingegen auf Attacke. Dem Sender Welt TV sagte er: «Die Menschen sind mit der Ampel fertig.» Es gebe völlig unterschiedliche Auffassungen, wie man die Wirtschaft wieder flott machen könne. «Und entweder, es gelingt uns in den nächsten 14 Tagen, drei Wochen, hier tatsächlich einen vernünftigen gemeinsamen Nenner zu finden – oder es macht für die Freien Demokraten keinen Sinn mehr, an dieser Koalition weiter mitzuwirken.»

dpa