Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro steht kurz vor einer historischen Verurteilung. Eine Mehrheit des Bundesgerichts stimmt dafür. Die Obersten Richter können ihre Meinung aber noch ändern.
Brasiliens Oberstes Gericht neigt zu Verurteilung Bolsonaros
In Brasilien zeichnet sich eine Verurteilung des Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro wegen eines versuchten Staatsstreichs ab. Drei der fünf Richter des Obersten Bundesgerichts (STF) haben bereits bei den Beratungen für eine Verurteilung gestimmt, wie die Live-TV-Übertragung gezeigt hat. Damit haben sie eine Mehrheit im Gericht. Die Richter können jedoch ihre Entscheidung bis zur erwarteten Urteilsverkündung an diesem Freitag noch ändern.
Falls es bei einer Mehrheit bleibt, wäre Bolsonaro der erste Präsident Brasiliens, der nach seiner Amtszeit wegen versuchten Staatsstreichs verurteilt wird. Dem 70-Jährigen drohen bis zu 43 Jahre Haft. Aufgrund seines Alters und gesundheitlicher Probleme nach einem Attentat käme auch ein Hausarrest in Betracht. Bolsonaro steht bereits seit Anfang August wegen Verstößen gegen Auflagen unter Hausarrest und wird wegen Fluchtgefahr überwacht.
Anklage: Bolsonaro plante Putschversuch gegen die Regierung
Bolsonaro soll nach seiner Wahlniederlage versucht haben, gemeinsam mit Militärs und Verbündeten einen Putsch gegen die Regierung seines linken Nachfolgers Luiz Inácio Lula da Silva zu inszenieren. Laut Anklage plante er, einen Ausnahmezustand auszurufen und Neuwahlen anzusetzen, jedoch konnte er die Unterstützung der Militärführung nicht gewinnen.
Am 8. Januar 2023 stürmten Anhänger Bolsonaros kurz nach Amtsantritt Lulas den Kongress, das Oberste Gericht und den Präsidentenpalast. Darüber hinaus soll Bolsonaro von Mordplänen gegen Lula, Vizepräsident Geraldo Alckmin und Richter Alexandre de Moraes gewusst haben.
Der Fall wird vor dem Obersten Gericht verhandelt – es gibt keine höhere Instanz. Im STF sind jedoch begrenzte Rechtsmittel möglich, z.B. bei formalen Unklarheiten oder nicht einstimmigen Urteilen. Bei mindestens zwei abweichenden Stimmen könnte eine erneute Prüfung einzelner Streitpunkte im Plenum beantragt werden.
Mitangeklagte aus Militär und Regierung
Die Verteidigung wies während des Verfahrens sämtliche Vorwürfe zurück und argumentierte, dass keine stichhaltigen Beweise für eine Beteiligung Bolsonaros an einem Umsturzplan vorlägen. Zudem sprachen seine Anwälte von einem «politischen Prozess», in dem ihr Mandant keine faire Chance gehabt habe. Sie verwiesen dabei auf den Obersten Richter de Moraes, der sowohl eine zentrale Rolle in den Ermittlungen gespielt habe als auch selbst als mutmaßliches Ziel der Putschpläne genannt werde. Für Bolsonaros Anhänger sei damit eine «Vorverurteilung» durch das Gericht unvermeidlich gewesen.
Neben Bolsonaro sollen auch ehemalige Kabinettsmitglieder und hochrangige Militärs verurteilt werden, darunter der ehemalige Verteidigungsminister Paulo Sérgio Nogueira, der frühere Marinechef Almir Garnier und Bolsonaros damaliger Sicherheitsberater Augusto Heleno. Ihnen werden bis zu fünf Straftaten zur Last gelegt – darunter versuchter Staatsstreich, Beteiligung an einer bewaffneten kriminellen Vereinigung und Beschädigung denkmalgeschützter Güter.