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Thüringer BSW vor Koalition mit CDU und SPD

Das BSW in Thüringen wird eine «starke Stimme sein gegen eine immer stärkere Kriegslogik» und eine ostdeutsche Perspektive einbringen.

Thüringens BSW-Chefin Katja Wolf und Parteigründerin Sahra Wagenknecht zeigten sich nach einem Streit im Zuge der Koalitionsverhandlungen nun bei einem Landesparteitag versöhnlich.
Foto: Michael Reichel/dpa

Im Jahr der Parteigründung könnte das Bündnis Sahra Wagenknecht an zwei Landesregierungen beteiligt werden – nach Brandenburg gab nun der Thüringer Landesverband grünes Licht für eine Koalition. Das BSW werde in Thüringen eine «starke Stimme sein gegen eine immer stärkere Kriegslogik» und eine ostdeutsche Perspektive einbringen, sagte Landesparteichefin Katja Wolf bei einem Landesparteitag in Ilmenau. «Das, was am Abendbrottisch diskutiert wird, das wollen wir in konkrete Politik übersetzen.»

Wagenknecht: CDU Inhalte «aufgezwungen»

In Thüringen könnte die erste Brombeer-Koalition aus CDU, BSW und SPD in Deutschland entstehen. Die CDU hat dem bereits über Wochen und hart ausverhandelten Vertrag bereits zugestimmt, bei der SPD läuft noch bis Montagmittag ein Mitgliederentscheid. Wagenknecht selbst hatte vor der Abstimmung in einer Rede für den Vertrag geworben. «Stimmt heute dem Koalitionsvertrag zu. Ich denke, es ist ein guter Kompromiss», rief sie BSW-Parteifreunden zu. Das BSW habe seine Handschrift durchgesetzt und der CDU «Dinge aufgezwungen, die die CDU alleine im Leben nie gemacht hätte», sagte sie.

In Brandenburg haben BSW und SPD bereits am Freitag den Weg für eine Rot-Lila-Koalition freigemacht. Dietmar Woidke (SPD) soll am Mittwoch zum Ministerpräsidenten gewählt werden, Mario Voigt (CDU) am Donnerstag in Thüringen. Doch anders als in Brandenburg wird die Koalition in Thüringen keine eigene Mehrheit im Landtag haben. CDU, BSW und SPD kommen zusammen auf 44 von 88 Sitzen im Parlament – zu den Linken und der AfD in der Opposition bestünde also ein Patt.

Liefert AfD Mehrheit bei MP-Wahl?

Bei der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen könnte dies zu einem Problem werden. Gemäß der Thüringer Verfassung ist im ersten und im zweiten Wahlgang eine absolute Mehrheit von 45 Stimmen erforderlich. Es ist theoretisch möglich, dass die AfD, die vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird, Voigt in einem dieser Wahlgänge unterstützt und ihr Wahlverhalten entscheidend ist. Im dritten Wahlgang könnte Voigt wahrscheinlich allein mit den Stimmen seiner angestrebten Koalition gewählt werden, da dann die relative Mehrheit ausreicht: Gewählt ist dann, wer die meisten Stimmen hat.

Wagenknecht sieht in einer Wahl des Regierungschefs mit AfD-Stimmen kein Hindernis. «Wir können doch nicht der AfD die Entscheidung darüber geben, ob jemand Ministerpräsident wird. Die Macht an Herrn Höcke auszuliefern, das wäre doch völlig verrückt», sagte sie am Rande des Parteitages mit Blick auf AfD-Landeschef Björn Höcke. Später sagte sie in einer Pressekonferenz auf die Frage, ob Voigt dann die Wahl annehmen könne: «Selbstverständlich kann Herr Voigt die Wahl annehmen.» Sie wies darauf hin, dass Voigt in einem dritten Wahlgang ohnehin gewählt wäre. «Also es hängt ja nicht daran, ob die AfD ihn wählen wird.»

Wagenknecht lobte die finanziellen Spielräume, die im Thüringer Koalitionsvertrag verhandelt worden seien. In Sachsen sei man bei dem Thema «gegen Wände gelaufen». Beim Punkt Migrationspolitik sei man sich mit der SPD nicht einig geworden. 

In Dresden sind die Verhandlungen über eine Brombeer-Koalition gescheitert, nun bemüht sich Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) um die Bildung einer Minderheitsregierung aus CDU und SPD.

Versöhnliche Töne

Auch in Thüringen war die Regierungsbildung zeitweise gefährdet. Wagenknecht bezeichnete ein Sondierungspapier als Fehler und forderte Nachbesserungen, das Verhältnis zwischen ihr und der Thüringer BSW-Chefin Wolf galt als belastet.

Vor der Abstimmung in Ilmenau sendeten beide nun versöhnliche Signale. «Es tut mir in der Seele weh, wenn versucht wird, einen Keil zwischen Sahra und mich zu treiben», sagte Wolf. «Wir sind zwei starke Frauen, die inhaltlich so nah beieinander stehen.» Wagenknecht sagte, Versuche, eine Differenz «herbeizureden», würden ins Leere laufen.

Wagenknecht rechtfertigte die Kritik am Sondierungsergebnis – vor allem beim Thema Krieg und Frieden. «Ja, da waren wir nicht zufrieden mit dem, was in der Präambel stand. Ich auch nicht», sagte sie. Der Druck aus der Partei habe aber dazu geführt, dass die BSW-Verhandlungsführer in Thüringen später deutlich mehr haben erreichen können. «Wir alle waren angespannt, dass wir hier nichts falsch machen dürfen», sagte Wagenknecht.

Im Zuge der Auseinandersetzung wurden rund 20 Mitglieder am Landesvorstand vorbei in die Partei aufgenommen, was Wolf und Thüringens BSW-Co-Chef Steffen Schütz ärgerte. Wolf sagte dazu nun: «Schwamm drüber, das passiert uns so nicht noch einmal. Das waren ein bisschen Wachstumsschmerzen einer jungen Partei.»

Die junge Partei ist nun unter Druck, da die Neuwahl des Bundestages bereits im Februar und nicht wie geplant im Herbst stattfinden soll. In den Umfragen war das BSW zuletzt schwach, sodass es möglicherweise um einen Einzug in den Bundestag bangen muss.

dpa