Der härteste Wahlkampf in der Geschichte der Bundesrepublik beginnt. Scholz eröffnet mit Regierungserklärung, Union favorisiert laut Umfragen.
Neuwahlen: Scholz startet Wahlkampf mit Regierungserklärung
Die Ampel ist kaputt, der Fahrplan bis zur Neuwahl steht, der Wahlkampf kann beginnen. Es könnte der härteste werden, den es in der Geschichte der Bundesrepublik je gegeben hat. Den Auftakt macht heute – genau eine Woche nach dem Platzen seiner Koalition mit Grünen und FDP – Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit einer Regierungserklärung im Bundestag. Der schlichte Titel: «Zur aktuellen Lage». In der anschließenden Debatte wollen ihn sein CDU/CSU-Herausforderer Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder in die Mangel nehmen. Söder redet in der für zwei Stunden angesetzten Debatte als Mitglied des Bundesrats, was nur sehr selten vorkommt.
Die Regierungserklärung markiert das Ende der belastenden Trennung der Ampel-Koalition nach fast drei Jahren Zweckehe. Und sie läutet 102 Tage Wahlkampf bis zum 23. Februar ein, wenn Deutschland über eine neue Regierung entscheidet.
Die Ausgangslage
Die Union scheint klar im Vorteil zu sein. Seit einem Jahr erreicht sie in den Umfragen stabil 30 Prozent und mehr. Die SPD als stärkste Regierungspartei liegt derzeit mit 16 bis 18 Prozentpunkten dahinter auf dem 3. Platz – noch hinter der AfD. Aber Vorsicht: Vor der Wahl 2021 sah es nicht anders aus. Noch zweieinhalb Monate vor dem Wahltermin lag Scholz und die SPD bis zu 16 Prozentpunkte hinter der Union. Ein Witz von Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet im Flutgebiet änderte die Stimmung. Die SPD gewann schließlich am 26. September mit 25,7 zu 24,1 Prozent gegen die Union. Scholz wurde Ampel-Kanzler.
Die SPD schöpft jetzt Mut aus dem Triumph von 2021 und hofft auf Fehler von Merz. Die FDP liegt in den Umfragen knapp unter der 5-Prozent-Hürde, während die Linke deutlich darunter liegt. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) könnte mit aktuellen Werten von 5 bis 9 Prozent den Einzug in den Bundestag schaffen und die AfD ist mit 15 bis 19,5 Prozent die Nummer 2.
Die Kandidaten
Zum ersten Mal wird es in einem Wahlkampf vier Kanzlerkandidaten geben. CDU und CSU haben sich mit Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) als erste entschieden – und das überraschend geräuschlos. Die Grünen wollen am Wochenende auf ihrem Parteitag Wirtschaftsminister Robert Habeck zum Kanzlerkandidaten küren. Und der AfD-Vorstand will am 7. Dezember Parteichefin Alice Weidel ins Rennen schicken.
Beim amtierenden Kanzler Scholz ist noch nicht klar, wann er offiziell als Kanzlerkandidat bezeichnet werden kann. Die Parteispitze versichert zwar, dass er es zweifellos sein wird. Der Vorstand verzichtete jedoch in seiner ersten Sitzung nach dem Ampel-Aus am Montag darauf, ihn offiziell zu nominieren – und ließ somit die interne Debatte darüber, ob er der richtige Kandidat ist, weitergehen.
Eine vielversprechende Alternative wäre Verteidigungsminister Boris Pistorius, der seit Monaten unangefochten die Nummer eins in den Charts der beliebtesten Politiker ist. Einige in der Partei glauben, dass nur mit ihm die Chance besteht, den Rückstand zur Union aufzuholen. Bisher trauen sich jedoch nur vereinzelt Politiker aus der dritten und vierten Reihe, dies zu äußern.
Aber selbst der sehr loyale Fraktionschef Rolf Mützenich registriert die Unruhe – und spricht darüber. «Ja, Grummeln ist da. Natürlich gibt es auch diese Stimmen», sagte Mützenich am Dienstagabend im ZDF-«heute journal» zu den Zweifeln an Scholz. Am Ende wisse die Partei aber, dass sie nur gemeinsam gewinnen könne, fügte er hinzu. Auf die Nachfrage, ob dies mit Olaf Scholz passieren werde, antwortete Mützenich: «Da bin ich fest von überzeugt.»
Die Themen
Als Thema wurde die wirtschaftliche Lage und deren Bewältigung gesetzt. Daran ist letztendlich die Ampel gescheitert. Es wird diskutiert, wer stärker besteuert werden soll, wer weniger staatliche Unterstützung erhalten soll und wie die Migration nach Deutschland besser kontrolliert werden kann. Auch die Außen- und Sicherheitspolitik bietet Wahlkampfthemen: Wie soll die Unterstützung der Ukraine fortgesetzt werden? Wie viel Geld soll die nächste Bundesregierung für Rüstung ausgeben? Die letzten 34 Tage des Wahlkampfs fallen zusammen mit den ersten 34 Tagen von Donald Trump als US-Präsident. Auch das könnte noch eine Rolle spielen.
Die möglichen Koalitionen
Es wird keinen Koalitions-Wahlkampf geben, das haben die im Bundestag vertretenen Parteien bereits deutlich gemacht. Alle kämpfen zunächst für sich. Nach den aktuellen Umfragen ist es rechnerisch möglich, sowohl eine Koalition von Union und SPD als auch ein Bündnis von Union und Grünen zu bilden. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur bevorzugen die Wähler Schwarz-Rot. 35 Prozent würden dies unterstützen, während nur 15 Prozent für Schwarz-Grün sind. Die Ampel liegt mit 5 Prozent abgeschlagen zurück. 44 Prozent der knapp 2200 Befragten möchten sich überhaupt nicht zwischen diesen drei Koalitionen entscheiden.