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Bürgergeld: Zahlungen steigen auf 47 Milliarden Euro

Die Ausgaben für die Grundsicherung für Erwerbsfähige haben im vergangenen Jahr erneut zugelegt. Die AfD übt Kritik. Doch es gibt auch Erklärungen.

Rund 5,5 Millionen Menschen in Deutschland beziehen Bürgergeld. (Symbolbild)
Foto: Jens Kalaene/dpa

Die Beträge für Personen im Bürgergeld sind im letzten Jahr auf 46,9 Milliarden Euro gestiegen – ein Anstieg von etwa vier Milliarden Euro. Dies ergibt sich aus der Antwort des Bundessozialministeriums auf eine Anfrage der AfD im Bundestag.

Zusammen gab es im Jahr 2024 insgesamt rund 5,5 Millionen Leistungsempfänger, einschließlich Kindern und Jugendlichen, von denen knapp 4 Millionen erwerbsfähig waren – also Menschen, die grundsätzlich in der Lage sind, mindestens drei Stunden am Tag zu arbeiten. Laut Regierungsangaben wurden etwa 24,7 Milliarden Euro oder 52,6 Prozent der Gesamtsumme an Deutsche ausgezahlt, während 22,2 Milliarden Euro an Menschen ohne deutschen Pass gingen (47,4 Prozent). Diese Verteilung entspricht in etwa dem Niveau des Vorjahres.

Hunderttausende Geflüchtete aus der Ukraine

In der Gruppe der ausländischen Empfänger befinden sich mehrere Hunderttausend Ukrainerinnen und Ukrainer und deren Kinder, die seit 2022 vor dem russischen Angriffskrieg nach Deutschland geflohen sind. Laut Ministerium flossen im Jahr 2024 rund 6,3 Milliarden Euro an sie. Für Menschen aus den acht wichtigsten Asylländern wurden demnach 7,4 Milliarden Euro ausgezahlt.

Der AfD-Abgeordnete René Springer kritisierte: «Die Ausgaben beim Bürgergeld schießen weiterhin unkontrolliert in die Höhe.» Er verband dies mit der Forderung: «Ausländern ist der Zugang zum Bürgergeld grundsätzlich zu verwehren.»

Anstieg erklärt sich auch aus höheren Regelsätzen

Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg widerspricht jedoch in beiden Punkten. Der jüngste Anstieg der Gesamtsumme erkläre sich unter anderem mit einer deutlichen Erhöhung der Regelsätze 2023 und 2024 wegen der Inflation. In diesem Jahr folgte eine Nullrunde, dies wird auch für 2026 erwartet.

«Das ist also kein Trend, der absehbar so weiter gehen wird», sagte Weber der Deutschen Presse-Agentur. Die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten gehe zudem seit Herbst 2024 zurück. «Das ist eine Trendwende», sagte der Wissenschaftler. 

«Grundsicherung als Fitmacher»

Weber nennt es plausibel, dass fast die Hälfte der Bürgergeldbezieher Ausländer sind. Personen, die bereits in Deutschland gearbeitet haben, haben in der Regel ein Jahr Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung, wenn sie arbeitslos werden, und finden oft in dieser Zeit eine neue Beschäftigung. Geflüchtete hingegen kommen unvorbereitet auf den deutschen Arbeitsmarkt und starten mit erheblichen Nachteilen.

Deshalb sei es wichtig, dass die Menschen im Bürgergeldbezug Hilfen für den Start in den Arbeitsmarkt bekämen, sagte Weber. Im System der Leistungen für Asylbewerber sei dies nicht der Fall. «Wir sollten die Grundsicherung nicht als Problem begreifen, sondern als Fitmacher», sagte Weber. «Wir müssen erst einmal investieren, um die Kosten runterzukriegen. Nichts ist so teuer wie strukturelle Arbeitslosigkeit.» 

Laut IAB-Ergebnissen würden 100.000 weniger Empfänger etwa drei Milliarden Euro mehr für die öffentlichen Haushalte bedeuten. Bei ukrainischen Geflüchteten ist die Beschäftigungsquote inzwischen gestiegen – von 24,8 Prozent im Oktober 2023 auf zuletzt 33,2 Prozent. Die Integration durch Sprachkurse und Qualifizierung sollte jedoch schneller erfolgen, sagte Weber. Auch der Bundesrechnungshof hatte zuletzt Mängel bei der Vermittlung von Personen im Bürgergeld kritisiert.

DGB gegen «Ausgrenzung und Hass»

Der Deutsche Gewerkschaftsbund wandte sich gegen die Forderungen der AfD und erinnerte daran, dass Deutschland Einwanderung brauche. «Statt sinnvoller Politik gibt es bei der AfD nur Ausgrenzung und Hass, egal ob es dabei um Migrantinnen und Migranten oder Menschen mit berechtigtem Anspruch auf Leistungen des Sozialstaats geht», sagte Vorstandsmitglied Anja Piel der dpa. «Jede und jeder hat bei uns ein Recht auf Absicherung der Existenz in der Not. Der soziale Fortschritt ist das Fundament unserer funktionierenden Demokratie.»

Auch der Sozialverband Deutschland gab der AfD Kontra. Es sei nicht zielführend, gesellschaftlichen Gruppen gegeneinander auszuspielen – ob nun Erwerbstätige gegen Rentner und Menschen im Bürgergeld oder Menschen mit und ohne deutschen Pass, erklärte SoVD-Vorstandschefin Michaela Engelmeier. «Das ist sogar brandgefährlich, denn es befeuert die Spaltung der Gesellschaft und dient als giftiger Nährboden für Neiddebatten, Hass und Hetze.» 

Union sieht Bärbel Bas am Zug

Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Marc Biadacz, bezeichnete den Anstieg der Ausgaben als Weckruf. Die Entwicklung erhöhe den Reformdruck erheblich, sagte der CDU-Politiker dem «Handelsblatt». Deutschland brauche schnell die im Koalitionsvertrag vereinbarte neue Grundsicherung, die Arbeit in den Mittelpunkt stelle, Vermittlung stärke und klare Mitwirkungspflichten vorsehe. An die Adresse von Ressortchefin Bärbel Bas (SPD) sagte er: «Das Bundesarbeitsministerium muss jetzt liefern.»

dpa