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Bund-Länder-AG für große Pflegereform startet

Die Antwort auf steigende Milliardenkosten für die Pflege waren zuletzt vor allem höhere Beiträge. Jetzt beginnt ein neuer Anlauf für tiefgreifendere Lösungen.

Die Kosten für die Pflege steigen und steigen. (Symbolbild)
Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Die Pflege wird immer teurer für Millionen von Betroffenen und Angehörigen, und die Kosten für die Pflegeversicherung steigen kontinuierlich an. Um die Finanzierung grundlegend zu stabilisieren, wird eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern jetzt Vorschläge für eine Reform erarbeiten. Das im Koalitionsvertrag von Union und SPD vorgesehene Gremium trifft sich heute zu seiner konstituierenden Sitzung bei Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Die Ergebnisse sollen noch in diesem Jahr vorliegen.

Ziel ist ein «Zukunftspakt Pflege», wie es vorab aus dem Ministerium hieß. Der AG gehören aus der Bundesregierung auch Familienministerin Karin Prien (CDU) und weitere Ministerien an, auf Länderseite die für Pflege zuständigen Ressortchefinnen und Ressortchefs. Beteiligt sind außerdem die kommunalen Spitzenverbände und die schwarz-roten Koalitionsfraktionen im Bundestag. 

Die finanziellen Probleme in der Pflege sind bereits chronisch geworden. Nach einem Defizit von 1,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr kam Anfang 2025 die nächste Beitragsanhebung nach der vorherigen im Sommer 2023. In diesem Jahr erwartet die Pflegeversicherung ein kleines Minus von 166 Millionen Euro. Die Bundesregierung plant, zur Stabilisierung ein Darlehen von 500 Millionen Euro und 2026 noch eins von 1,5 Milliarden Euro bereitzustellen. Trotzdem fehlt noch Geld, um im nächsten Jahr erneute Beitragserhöhungen zu vermeiden.

Die Finanzspritzen sollen der Politik jetzt Zeit verschaffen, um die angepeilte «große Reform» anzugehen. Die Baustellen und Stellschrauben im Überblick:

Mehr Pflegebedürftige

Die Zahl der Menschen, die Pflegeleistungen bekommen, nimmt deutlich zu – und zwar «in stärkerem Maße, als durch die Alterung der Gesellschaft erwartbar ist», wie das Statistische Bundesamt erläuterte. Hintergrund ist eine Reform von 2017, die weiter gefasste Kriterien für die Einstufung einer Pflegebedürftigkeit einführte. Aktuell gibt es 5,6 Millionen Leistungsempfänger, nachdem es 2019 4,0 Millionen gewesen waren. Bis 2055 könnte es nach einer Prognose der amtlichen Statistiker einen Anstieg auf 7,6 Millionen Pflegebedürftige geben. 

Mehr Kosten

Die Kosten der Pflegeversicherung stiegen im letzten Jahr auf 63,2 Milliarden Euro, nach knapp 57 Milliarden Euro im Jahr 2023. Im Jahr 2014 beliefen sie sich noch auf 24 Milliarden Euro und 2019 auf gut 40 Milliarden Euro. Ein bedeutender Kostenfaktor sind die steigenden Personalausgaben für dringend benötigte Pflegekräfte. Seit 2022 dürfen Pflegekassen nur noch Verträge mit Einrichtungen abschließen, die nach Tarifverträgen oder ähnlichem bezahlen.

Mehr aus eigener Tasche

„Pflege bedeutet für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen, dass sie einen Teil der Kosten selbst übernehmen müssen – und dieser Anteil steigt stetig an. Im Gegensatz zur Krankenversicherung übernimmt die Pflegeversicherung nicht die gesamten Kosten. Neben Unterkunft und Verpflegung in Heimen müssen auch Umlagen für Investitionen und Ausbildung gezahlt werden. Laut Kassendaten beliefen sich die Kosten im ersten Jahr des Heimaufenthalts Anfang 2025 bundesweit auf fast 3000 Euro pro Monat.“

Erste Entlastungen 

Einige Maßnahmen zur Kostendämpfung wurden bereits von früheren Bundesregierungen eingeführt. Dadurch erhalten Heimbewohnerinnen und Heimbewohner jetzt höhere Zuschläge, um den Anstieg der Zuzahlungen für die Pflege zu mildern. Dies verursacht jährliche Kosten in Milliardenhöhe für die Pflegekassen. Das Pflegegeld für zuhause betreute Personen wurde im Jahr 2024 nach mehreren Jahren erneut erhöht. Allerdings wurde ein Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro pro Jahr gestrichen.

Palette an Vorschlägen

Es gibt verschiedene Vorschläge für eine Finanzreform, die bereits auf dem Tisch liegen: von einer Erhöhung der Steuermilliarden über eine Begrenzung der Eigenanteile bis hin zu einer Umgestaltung des Modells zu einer Vollversicherung, die alle Pflegekosten abdeckt. Die Pflegekassen fordern außerdem, dass der Bund Milliardenkosten aus der Corona-Krise erstattet und die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige übernimmt. Die Bund-Länder-AG soll auch Anreize für mehr Eigenvorsorge prüfen – und den Umfang von Leistungen.

Bayern fordert mehr Geld vom Bund für Pflegeversicherung

Vor dem Treffen forderte Bayern noch einmal deutlich mehr Bundesmittel für die Pflegeversicherung. Versicherungsfremde Leistungen müssten endlich aus Steuermitteln finanziert werden, die nachhaltige Finanzierung dürfe nicht durch Darlehen «auf die lange Bank» geschoben werden, sagte Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) der «Augsburger Allgemeinen». 

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz wies auf die zusätzlichen Kosten hin, die für Versicherte und Hilfsbedürftige entstehen. Vorstand Eugen Brysch kritisierte, dass Pflegeheimbewohner beispielsweise die medizinische Pflege selbst bezahlen müssen. Es sei erforderlich, dass die Bund-Länder-Kommission Fehlentwicklungen stoppt.

dpa