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Neuer Bundestag tritt zusammen

Start der 21. Legislaturperiode mit Alterspräsident Gregor Gysi und Wahl der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner.

Der neue Bundestag konstituiert sich - die 21. Legislaturperiode beginnt.
Foto: Monika Skolimowska/dpa

Nach der Bundestagswahl am 23. Februar hat das alte Parlament zweimal getagt und wichtige Beschlüsse gefasst. Nun tritt der neue Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen, was den Beginn der 21. Legislaturperiode markiert. Gleichzeitig erhalten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Kabinett von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ihre Entlassungspapiere und führen ihre Aufgaben nur noch geschäftsführend aus.

Gemäß dem Grundgesetz muss das neue Parlament spätestens 30 Tage nach der Wahl erstmals zusammentreten. Der aktuell festgelegte Termin ist der spätestmögliche.

Linke-Politiker Gysi eröffnet Sitzung als Alterspräsident

Als Gregor Gysi 1966 seinen Abschluss als Facharbeiter für Rinderzucht in der DDR machte und im Dezember 1989 zum Vorsitzenden der SED im zerfallenden zweiten deutschen Staat gewählt wurde, konnte er sich wahrscheinlich nicht vorstellen, dass er einmal als Alterspräsident des Deutschen Bundestages eine Wahlperiode eröffnen würde. Nun wird er dies tun und in die Fußstapfen des inzwischen verstorbenen Wolfgang Schäuble (CDU) treten.

Der Alterspräsident ist das Mitglied des Bundestages mit den meisten Abgeordnetenjahren. Er leitet die erste Sitzung bis zur Wahl eines neuen Bundestagspräsidenten oder einer -präsidentin und ernannt in Absprache mit den Fraktionen die Schriftführer. Normalerweise hält der Alterspräsident auch eine Rede.

Vorgänger Schäuble mahnte leidenschaftliche und faire Debatten an

Schäuble etwa mahnte im Oktober 2021 die «lieben Kolleginnen und Kollegen», das Parlament als politische Bühne und nicht bloß als notarielle Veranstaltung zum Abarbeiten von Koalitionsverträgen anzusehen. «Hier ist der Ort, an dem wir streiten dürfen, an dem wir streiten sollen, aber fair und nach Regeln, leidenschaftlich, aber auch mit der Gelassenheit, die einer erregten Öffentlichkeit Beispiel geben kann.» 

Und Gysi? Sicherlich werde er etwas zur Außenpolitik sagen und auch zur Situation unserer Gesellschaft, verriet der 77-Jährige der Wochenzeitung «Das Parlament». Und: «Vielleicht werde ich auch einige Vorschläge unterbreiten, was man überparteilich mal miteinander besprechen müsste. Denn was wir wirklich brauchen, ist mehr echter Diskurs und weniger Schaukämpfe.»

Bundestag beschließt neue Geschäftsordnung

Es mag langweilig klingen, ist es jedoch nicht: Der Bundestag wird als eine der ersten Maßnahmen eine Geschäftsordnung verabschieden. Diese fungiert als eine Art Betriebsanleitung für das Parlament und enthält zahlreiche Bestimmungen für dessen Arbeitsweise – beispielsweise zu Redezeiten, der Einberufung von Sitzungen, der Festlegung von Tagesordnungen oder Verhaltensregeln für Abgeordnete und Ordnungsmaßnahmen. Dabei spielen auch Machtfragen eine Rolle.

Normalerweise übernimmt der neue Bundestag die Geschäftsordnung des alten Parlaments. Im Jahr 2021 forderte jedoch die AfD Änderungen. Dies führte zu einer ausführlichen Debatte über die Geschäftsordnung, blieb jedoch erfolglos.

Wahl des neuen Bundestagspräsidenten als Höhepunkt

Die Wahl der neuen Bundestagspräsidentin oder des -präsidenten ist zweifellos der Höhepunkt jeder konstituierenden Sitzung – auch wenn diese Personalie längst vorher geklärt wurde. Das Vorschlagsrecht für diesen Posten hat traditionell die stärkste Fraktion, diesmal also die CDU/CSU. Sie hat die frühere Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner für das Amt nominiert.

Die Politikerin der CDU wird nach Annemarie Renger (SPD), Rita Süssmuth (CDU) und Bärbel Bas (SPD) erst die vierte Frau in diesem Amt sein, das protokollarisch das zweithöchste nach dem Bundespräsidenten ist.

Klöckner war von 2002 bis 2011 Mitglied des Bundestages und ab 2009 auch Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium. Danach wechselte sie in die Landespolitik von Rheinland-Pfalz und unternahm dort zwei erfolglose Versuche, Ministerpräsidentin zu werden. Bei der Bundestagswahl 2017 kehrte sie nach Berlin zurück und war dann bis 2021 Bundeslandwirtschaftsministerin im Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Die Journalistin, die zwischen 2012 und 2022 stellvertretende CDU-Vorsitzende war, wurde zur Bundesschatzmeisterin ernannt. Während ihrer Amtszeit im alten Bundestag war sie die wirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion.

Neues Amt wird Herausforderung für Klöckner

Trotz ihrer langen politischen Erfahrung – das neue Amt dürfte zu einer großen Herausforderung für Klöckner werden. Der Umgangston im Bundestag ist seit dem Einzug der AfD 2017 erheblich rauer geworden, wie alle anderen Fraktionen beklagen.

Beispielsweise wird dies dadurch deutlich, dass die Anzahl der Ordnungsrufe, die in der nun endenden 20. Wahlperiode an Abgeordnete vergeben wurden, laut Angaben der Bundestagsverwaltung auf 134 angestiegen ist – in der 19. Wahlperiode waren es lediglich 49. Davon entfielen allein 85 Ordnungsrufe auf Mitglieder der AfD-Fraktion. Die scheidende Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) kritisierte auch, dass einige Abgeordnete Ordnungsrufe wie Trophäen sammelten und im Internet zur Schau stellten.

Auch unterhalb der Schwelle von Zwischenrufen, die mit Ordnungsrufen geahndet werden können, ist der Ton im Bundestag schärfer geworden. Weibliche Abgeordnete beklagen sexistische Sprüche – auch diese stammen hauptsächlich aus den Reihen der AfD. Die Fraktionsstärke der AfD hat sich nach der Bundestagswahl verdoppelt – was nicht unbedingt auf ruhigere Zeiten hindeutet.

Bas plante eigentlich, das Ordnungsgeld – die nächste Sanktion nach dem Ordnungsruf – von 1.000 auf 2.000 Euro zu erhöhen, um sicherzustellen, dass es wirklich wirkt. Aber dazu ist es nicht gekommen. Ihre Nachfolgerin Klöckner hat nun die Möglichkeit, dies nachzuholen.

Dauerstreitpunkt Vizepräsidentenposten für die AfD

Nachdem die Bundestagspräsidentin gewählt wurde, werden auch ihre Stellvertreter bestimmt. Die Unionsfraktion nominierte die CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz, die SPD-Fraktion die bisherige Parlamentarische Geschäftsführerin Josephine Ortleb und die Linke-Fraktion den früheren thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Bei den Grünen setzte sich der einstige Parteichef Omid Nouripour in einer Kampfabstimmung durch.

Da in der Regel die Fraktionen die Vorschläge der anderen Fraktionen unterstützen, gilt ihre Wahl als sicher. Darauf kann der AfD-Kandidat Gerold Otten nicht hoffen. Noch nie hat eine Kandidatin oder ein Kandidat der AfD für den Vizeposten bei den Abstimmungen die nötige Stimmenanzahl bekommen. So dürfte es wohl auch jetzt wieder kommen. Nach der Geschäftsordnung des Bundestages kann die AfD dann zwei weitere Wahlgänge durchsetzen.

Bundespräsident setzt Schlusspunkt unter den Tag

Im Reichstagsgebäude werden voraussichtlich volle Tribünen sein, auf denen auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sitzen wird. An diesem Tag hat er jedoch noch eine eigene Rolle zu spielen. Gemäß Artikel 69 des Grundgesetzes endet die Amtszeit des Bundeskanzlers und seiner Ministerriege mit dem Zusammentreten des neuen Bundestages.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Kabinett werden also am späten Nachmittag von Steinmeier die Entlassungsurkunden erhalten. Zugleich wird er sie auffordern, bis zur Ernennung von Nachfolgern die Geschäfte weiterzuführen – wozu sie verpflichtet sind. Auch das regelt Artikel 69.

Die geschäftsführende Bundesregierung verfügt grundsätzlich über die gleichen Befugnisse wie eine reguläre. Deutschland soll sowohl intern als auch extern voll handlungsfähig bleiben. Verfassungsrechtler sind jedoch der Meinung, dass eine geschäftsführende Regierung größtmögliche politische Zurückhaltung üben sollte. In dieser Übergangszeit steht daher eher die Politikverwaltung als die Politikgestaltung im Vordergrund.

dpa