In den Sondierungsgesprächen von Union und SPD sind große Finanzentscheidungen gefallen. Nun soll der Bundestag entscheiden – allerdings der alte. Das bringt einige Komplikationen mit sich.
Bundestag sortiert sich neu
Der Bundestag befindet sich in einer Art Schwebezustand: Abgewählte Abgeordnete, die bereits Abschied genommen hatten, kehren nach Berlin zurück, Umbauarbeiten am Plenarsaal werden verschoben und die laufenden Vorbereitungen für die Arbeit des neu gewählten Parlaments treten erneut in den Hintergrund. Trotz der Wahl eines neuen Bundestages vor elf Tagen soll der alte voraussichtlich noch einmal Beschlüsse fassen.
An diesem Donnerstag wird der Ältestenrat des alten Parlaments in einer Videoschalte darüber beraten, wie die Organisation erfolgen soll, wie die Deutsche Presse-Agentur erfahren hat. Später werden sich Vertreter des Vorältestenrats des neuen Bundestags zusammenschalten und könnten den Termin für die erste Sitzung (Konstituierung) des neuen Parlaments festlegen.
Was der Ältestenrat beschließt
Bis zur konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags bleibt der alte offiziell arbeitsfähig. Union und SPD nutzen dies, um bei ihren Sondierungsgesprächen gigantische Finanzpakete für Verteidigung und Infrastruktur zu vereinbaren. Die entsprechenden Grundgesetzänderungen sollen noch mit Hilfe des alten Parlaments verabschiedet werden, da im neuen die notwendige Zweidrittelmehrheit aufgrund des Zugewinns bei AfD und Linken fehlt.
Im Ältestenrat wird nun diskutiert, wann die beiden erforderlichen Sitzungen voraussichtlich stattfinden werden. Es wurde bereits spekuliert, dass eine Sondersitzung Ende nächster Woche und eine weitere in der darauffolgenden Woche stattfinden könnten.
Was der Vorältestenrat macht
Der Vorältestenrat, bestehend aus der noch amtierenden Bundestagspräsidentin und Vertretern der neu gebildeten Fraktionen, trifft die Entscheidung über das Datum für die konstituierende Sitzung des neu gewählten Parlaments. Gemäß Grundgesetz muss der neue Bundestag spätestens am 30. Tag nach der Wahl zusammenkommen. Dies wäre der 25. März. Der Vorältestenrat diskutiert auch über die zukünftige Sitzordnung im Plenarsaal. In der Vergangenheit gab es hier bereits Konflikte, beispielsweise weil die FDP nicht mehr neben der AfD sitzen wollte.
Es gibt Konflikte bei einigen anderen Themen des zukünftigen Parlamentsbetriebs, insbesondere in Bezug auf die AfD, die im neuen Bundestag mit 152 statt bisher 77 Politikern deutlich stärker vertreten ist.
AfD will SPD-Sitzungssaal
Die AfD beansprucht als nun zweitgrößte Fraktion den zweitgrößten Sitzungssaal unter der Reichstagskuppel, in dem bisher die SPD saß. Die SPD will den Saal, der nach Otto Wels (SPD) benannt ist, der den Nazis die Stirn geboten hatte, jedoch nicht aufgeben. Es ist nicht sicher, ob die AfD ihn erhalten wird.
Laut der Bundestagsverwaltung besteht keine Automatik, dass die zweitgrößte Fraktion automatisch den zweitgrößten Saal erhält. Es ist also möglich, dass die AfD einen anderen Saal erhält, der ausreichend groß ist. Sollten sich die Fraktionen nicht einigen können, wer wo tagt, wird dies vom zukünftigen Ältestenrat mit Mehrheitsbeschluss entschieden. Die Mehrheitsverhältnisse im Ältestenrat entsprechen denen des gesamten Bundestags.
AfD wohl weiter ohne Bundestagsvizepräsident
Ein Sitz im Bundestagspräsidium garantiert Ansehen und Einfluss. Neben dem Präsidenten oder der Präsidentin, die traditionell aus der stärksten Fraktion stammen, benennen die anderen Fraktionen jeweils einen Vizepräsidenten. Die AfD war seit ihrem Einzug in den Bundestag 2017 jedoch immer erfolglos. Alle ihre Kandidaten wurden abgelehnt. Dies wird wahrscheinlich auch im neuen Bundestag der Fall sein, obwohl die AfD aufgrund ihres Wachstums auf den Posten besteht. Union und SPD haben bereits signalisiert, dass sie keine Zustimmung aus ihren Reihen erhalten werden.
Die Geschäftsordnung des Bundestags sieht vor, dass jede Fraktion mindestens einen Vizepräsidenten stellt. Gemäß dem Grundgesetz müssen diese jedoch gewählt werden. Das Bundesverfassungsgericht wies in einem Beschluss von 2022 darauf hin und betonte, dass der Anspruch einer Fraktion auf die Besetzung des Präsidiums unter dem Vorbehalt der Wahl steht. Präsident und Vizepräsidenten werden in geheimer Wahl während der konstituierenden Sitzung des Bundestags gewählt.
Ausschuss-Vorsitze
Traditionell erhält die stärkste Oppositionsfraktion den Vorsitz im Haushaltsausschuss. In der kommenden Legislaturperiode wäre dies die AfD. Die Vorsitze der anderen Ausschüsse werden nach einem festgelegten Mechanismus vergeben: Zuerst darf sich die größte Fraktion einen Ausschuss aussuchen, dann die zweitgrößte, die drittgrößte und so weiter. Dieser Prozess erstreckt sich über mehrere Runden, bis alle Vorsitze verteilt sind.
In der Regel werden die Vorsitzenden ohne Abstimmung festgelegt. In der aktuellen Legislaturperiode wurden der AfD jedoch die Positionen verweigert, da Abstimmungen über den Vorsitz in den entsprechenden Ausschüssen beantragt wurden und die AfD-Vertreter keine Mehrheit erhielten. Die Positionen blieben unbesetzt. Ein Gang der AfD vor das Bundesverfassungsgericht brachte keinen Erfolg. Es ist zu erwarten, dass der Streit in die nächste Runde gehen wird, wenn sich die Vorgänge in den Ausschüssen wiederholen.
Parlamentarisches Kontrollgremium
Die AfD strebt auch eine erneute Vertretung im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) an. Dieses Gremium überwacht die Geheimdienste, erhält Zugang zu sensiblen Informationen und tagt regelmäßig unter strikter Geheimhaltung in einem abhörsicheren Raum.
Von 2017 bis 2021 hatte die AfD den früheren Oberstaatsanwalt Roman Reusch dort vertreten, danach nicht mehr, da ihre Kandidaten bei den entsprechenden Wahlen durchfielen. Auch das könnte sich im neuen Bundestag wiederholen.