Die CDU will nach einer Regierungsübernahme rasch weitreichende Veränderungen durchsetzen. Die Partei dürfte auf Koalitionspartner angewiesen sein. Ob die so einfach mitmachen?
CDU-Sofortprogramm mit Fünf-Punkte-Migrationsplan von Merz
Trotz lauter Proteste und Kritik aus den eigenen Reihen will die CDU direkt nach einer Regierungsübernahme den umstrittenen Fünf-Punkte-Plan von Parteichef Friedrich Merz zum Stopp der illegalen Migration umsetzen. Das verspricht die Partei im Beschlussentwurf für ein «Sofortprogramm», das an diesem Montag von den 1001 Delegierten eines Wahlparteitags in Berlin verabschiedet werden soll. Er liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.
Zuerst hatten die «Rheinische Post» aus Düsseldorf und das Portal «Politico» über das Papier berichtet. Das 15-Punkte-Programm unter dem Titel «Unser Sofortprogramm für Wohlstand und Sicherheit» wurde am Abend an den Parteivorstand verschickt. Es ist in zwei Themenkomplexe unterteilt und enthält komprimiert wesentliche Teile aus dem CDU-Wahlprogramm.
Mit neun von 15 Einzelpunkten legt das Sofortprogramm unter der Zwischenüberschrift «Vorrang für Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand» einen Schwerpunkt auf Wirtschaftsthemen. Mehrere Beschlüsse der gescheiterten Ampel-Regierung von SPD, Grünen und FDP sollen rasch zurückgedreht werden. Bei jeder Entscheidung werde man genau darauf achten, «dass sie der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft, dem Wohlstand und der Sicherheit der Menschen im Land dient», heißt es in dem Papier.
«Vorrang für Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand»
Die CDU plant, die Stromsteuer und Netzentgelte zu senken, um eine Entlastung von mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde zu erreichen. Um den Bürokratieabbau voranzutreiben, sollen weniger Betriebsbeauftragte eingesetzt, keine Bonpflicht eingeführt, die deutsche Lieferkettenregulierung abgeschafft und die Belastungen durch das Energieeffizienzgesetz reduziert werden. Des Weiteren soll das Heizungsgesetz der Ampel aufgehoben und die Agrardieselrückvergütung wieder vollständig eingeführt werden.
Statt einer täglichen soll eine wöchentliche Höchstarbeitszeit festgelegt und so flexibleres Arbeiten ermöglicht werden. Überstundenzuschläge sollen steuerfrei sein. Wer in der Rente freiwillig mehr arbeiten möchte, soll bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei erhalten. Die CDU plant, die Umsatzsteuer auf Speisen in Restaurants und Gaststätten auf sieben Prozent zu senken. Außerdem soll die Anzahl der Regierungsbeauftragten halbiert werden.
«Sicherheit für die Menschen in Deutschland»
Neben dem Fünf-Punkte-Plan von Merz mit dauerhaften Grenzkontrollen, Zurückweisungen an den Grenzen und einem zeitlich unbefristeten Ausreisearrest für ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder will die CDU das am Freitag im Bundestag gescheiterte «Zustrombegrenzungsgesetz» weiter verfolgen. Eine Begrenzung der Migration wird als klares Gesetzesziel genannt, ebenso das Ende des Familiennachzugs für subsidiär – also eingeschränkt – Schutzberechtigte und mehr Befugnisse für die Bundespolizei.
Die CDU will laut Sofortprogramm zudem so rasch wie möglich die «Express-Einbürgerung der Ampel rückgängig» machen. Sie betont: «Der deutsche Pass steht am Ende der Integration und nicht am Anfang.» Das Cannabis-Gesetz soll abgeschafft werden. Sexueller Missbrauch von Kindern soll mit der Speicherung von IP-Adressen bekämpft werden. Mit einer elektronischen Fußfessel will die Partei Gewalttäter gegen Frauen stoppen.
Mit welchem Partner kann die CDU ihr Programm umsetzen?
Es bleibt unklar, ob die CDU ihre Versprechen nach einem Sieg bei der Bundestagswahl umsetzen kann – und wenn ja, in welchem Ausmaß. Laut aktuellen Umfragen wird die Union bei der Regierungsbildung mindestens auf SPD oder Grüne angewiesen sein, die in der gescheiterten Ampel-Regierung viele der Maßnahmen beschlossen haben, die nun rückgängig gemacht werden sollen.
Empörung wegen Beschluss zu Fünf-Punkte-Plan mit AfD-Stimmen
Der CDU-Chef und Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hat für Aufregung gesorgt, da er im Bundestag in Kauf genommen hat, dass AfD-Stimmen entscheidend für Mehrheiten jenseits von SPD und Grünen sein könnten. Sein Fünf-Punkte-Migrationsplan erhielt am Mittwoch eine Mehrheit – erstmals auch dank AfD-Stimmen. Der Beschluss hat keine bindende Wirkung für die Regierung. Ein Gesetzentwurf der Union zur Begrenzung der Migration wurde am Freitag im Bundestag trotz der Zustimmung der AfD abgelehnt.
Zehntausende Menschen protestierten auf den Straßen, die beiden großen Kirchen und Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerten scharfe Kritik. Der Publizist und Moderator Michel Friedman trat aus der CDU aus. Während SPD, Grüne und Linke von einem Tabu- und Dammbruch sprechen, sagt Merz, dass eine richtige Entscheidung nicht falsch wird, nur weil die Falschen zustimmen. Es wird gespannt erwartet, wie die 1001 Delegierten auf Merz‘ Kurs in Bezug auf die AfD reagieren – eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten hat der CDU-Chef strikt abgelehnt.
Merz plant an diesem Sonntag, die Parteitagshalle zu besichtigen. Am späten Nachmittag treffen sich zunächst das Präsidium und anschließend der Vorstand zu abschließenden Beratungen vor dem Delegiertentreffen.