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Chef-Koalitionsverhandler vor Schlussrunde unter Druck

Die AfD zieht in Umfragen mit der CDU/CSU gleich. Das Gegrummel in der Union über Merz‘ Kurs bei den Beratungen mit der SPD wird lauter. Mit einem Koalitionsvertrag soll es jetzt schnell gehen.

An diesem Montag gehen die Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD in die voraussichtliche Schlussrunde.
Foto: Michael Kappeler/dpa

Mit steigenden AfD-Umfragewerten und wachsendem Unmut an der Unionsbasis beginnt die Schlussrunde der Koalitionsverhandlungen für die Top-Verhandler von CDU, CSU und SPD. Führende Politiker der Union versuchen, Bedenken zu zerstreuen, dass CDU-Chef Friedrich Merz den im Wahlkampf versprochenen Politikwechsel in Kernbereichen wie der Migrations-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik nicht gegen die SPD durchsetzen könnte. Eine Umfrage sorgt zusätzlich für Unruhe, da die AfD erstmals mit einem Wert von 24 Prozent gleichauf mit der Union liegt.

CSU-Chef Markus Söder schrieb am Sonntag auf der Plattform X: «Nach einer intensiven Woche in Berlin mit vielen langen Tagen heute eine kurze Verhandlungspause. Nutze die Zeit zum Nachdenken, bevor es ab morgen in die Schlussrunde geht.»

Wie ist die Stimmung in der Union?

Befürchtet wird in der Union, der voraussichtlich künftige Kanzler Merz werde der SPD nach seinem Kurswechsel bei der Schuldenbremse mit den riesigen Milliarden-Paketen für Verteidigung und Infrastruktur weitere weitreichende Zugeständnisse machen. Großen Unmut soll es demnach auch beim Parteinachwuchs geben. In der Jungen Union «brodelt es richtig», heißt es hinter vorgehaltener Hand. Dort wird befürchtet, viele Entscheidungen gingen zu Lasten der jungen Generation.

Die Absage von Sitzungen der CDU-Spitzengremien am Montag führte zu Unverständnis in den eigenen Reihen. Merz hat sich laut Partei aus Gründen der mit der SPD vereinbarten Vertraulichkeit entschieden, keinen Zwischenstand über die bislang ausgehandelten Details zu geben.

Peter Müller: So wird’s nichts

Der frühere Saar-Ministerpräsident und Ex-CDU-Landeschef Peter Müller rechnete in einem Gastbeitrag für die «Süddeutsche Zeitung» mit Union, SPD und Grünen ab. Zwar sei die politische Mitte bei der Wahl abgestraft worden. «Dennoch ist ein dem Wählervotum Rechnung tragender Politikwechsel weiter entfernt denn je. Es läuft gut seit der Wahl – für die AfD.» Er warnt: «Wem es an der gebotenen Demut gegenüber dem Volk fehlt, der darf sich nicht wundern, wenn er bei nächster Gelegenheit von diesem gedemütigt wird.»

Für die von der Union versprochene «Migrationswende» mit mehr Zuwanderung von Fachkräften, besserer Integration und einer deutlichen Reduktion der illegalen Zuwanderung würden die bisher bekannten Verhandlungsergebnisse nicht reichen, schreibt der ehemalige Bundesverfassungsrichter. Das schuldenfinanzierte Sondervermögen sei vereinbart worden, ohne dass man sich vorher über Einsparungen, Strukturreformen und ein tragfähiges Konzept zur Wiederbelebung der Wirtschaft verständigt habe. «Dies steht im krassen Gegensatz zu den Sprüchen der Unionsspitzen im Wahlkampf.» 

Unionsspitzen versuchen, Unmut zu dämpfen

Spitzenverhandler der Union versuchten, den Unmut in den eigenen Reihen zu dämpfen, indem sie einen schnell spürbaren Politikwechsel nach Abschluss der Verhandlungen mit der SPD ankündigten. «Die Umfragewerte sind bitter», sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann der «Bild am Sonntag». «Sie zeigen, dass es jetzt nicht nur auf einen guten Koalitionsvertrag ankommt, sondern vor allem auf die Taten der neuen Regierung. Es darf kein „Weiter-so“ geben.»

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, der Merz-Vertraute Thorsten Frei (CDU), verspricht in dem Medium: «Sobald die Regierung steht, stellen wir die Weichen in der Wirtschafts-, Migrations- und Verteidigungspolitik um. Der Neustart wird in jedem Dorf und in jeder Stadt zu spüren sein.» Die Union werde die innere und äußere Sicherheit Deutschlands auf der Prioritätenliste wieder nach ganz oben rücken.

AfD und Union erstmals in Umfrage gleichauf 

Die AfD hatte zuvor erstmals in einer Umfrage mit der Union gleichgezogen. Sechs Wochen nach der Bundestagswahl liegen CDU/CSU und AfD in der Erhebung des Meinungsforschungsinstitutes Insa für «Bild» jeweils bei 24 Prozent. Bei der Wahl am 23. Februar hatte die Union mit 28,5 Prozent gewonnen, die AfD war mit 20,8 Prozent auf Platz zwei gelandet.

Esken über AfD-Werte: Müssen jetzt liefern

SPD-Chefin Saskia Esken sagte am Samstag am Rande der Verhandlungen in der CDU-Zentrale in Berlin: «Um die AfD wieder kleiner zu machen, kommt es darauf an, dass wir jetzt liefern. Dass wir einen Koalitionsvertrag aufschreiben, uns Vorhaben vornehmen, die wir auch erfüllen können.» Als weiterhin offene Punkte nannte sie die Stabilisierung der Rente, eine gerechtere und verlässlichere Bildung sowie die Arbeitsplatzsicherung. 

Frei zuversichtlich über Verhandlungsende kommende Woche

Der CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Frei sagte am Samstag, es gebe noch eine Menge Punkte, über die man sich unterhalten müsse. «Aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir nächste Woche zu einem Ergebnis kommen.» Es gehe darum, die Verhandlungen «so zügig wie möglich, aber auch so gut wie möglich abzuschließen». CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, man beuge sich «über die dicken Klopper», es gebe aber viel Einigungswillen.

Wie geht es weiter?

Falls CDU, CSU und SPD in dieser Woche einen Koalitionsvertrag abschließen, plant die SPD, ihre Mitglieder innerhalb von etwa zwei Wochen darüber abstimmen zu lassen. Auch in der CDU gibt es erste Forderungen nach einer Mitgliederbefragung. Gemäß den Parteistatuten entscheidet ein Kleiner Parteitag (Bundesausschuss) über das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen. Als Datum dafür wird voraussichtlich der 28. April angestrebt.

Direkt im Anschluss könnte CDU-Chef Merz zu einem Kongress der konservativen europäischen Parteienfamilie EVP am 29. und 30. April nach Valencia in Spanien reisen, um dort mit seinen Parteifreunden über den weiteren Kurs in der Europäischen Union zu beraten. Als mögliches Datum für die Wahl und Vereidigung von Merz zum Kanzler steht der 7. Mai im Raum.

dpa