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Darum braucht Harris im Swing State Georgia schwarze Wähler

Was zieht schwarze Wähler zu Harris – und was zu Trump? In Georgia prallen Bürgerrechtsgeschichte und wirtschaftliche Sorgen der Gegenwart aufeinander. Das führt bei manchen zu neuen Allianzen.

«Make America Great Again» - der Slogan von Donald Trump ist bei jeder Wahlkampfveranstaltung allgegenwärtig.
Foto: Luzia Geier/dpa

Kurz vor der US-Präsidentschaftswahl ist viel los in einer Bücherei im Norden von Atlanta in Georgia – dort kann bereits gewählt werden. Die vorzeitige Stimmabgabe in diesem Bundesstaat erreicht derzeit Rekordwerte. Allerdings deuten Untersuchungen darauf hin, dass die Beteiligung schwarzer Amerikaner höher sein könnte. Sie machen etwa ein Drittel der wahlberechtigten Bevölkerung in diesem wichtigen Swing State aus – mehr als in jedem anderen dieser entscheidenden Bundesstaaten. Für die Demokratin Kamala Harris stellt dies eine Herausforderung dar, da es schließlich um die Parteibasis geht. Gleichzeitig gewinnt der Republikaner Donald Trump laut Umfragen bei schwarzen Männern unter 50 Jahren an Zustimmung.

«Ein Volk ohne Stimme ist ein machtloses Volk»

Martin Luther King III lässt sich davon nicht beeindrucken. Der älteste Sohn des 1968 ermordeten Bürgerrechtlers und seine Ehefrau Arndrea Waters King haben gerade in Atlanta ihre Stimmen abgegeben und werben nun für Harris. «Mein Vater pflegte zu sagen, dass ein Volk ohne Stimme ein machtloses Volk ist», sagt der 67-Jährige in die Kamera eines jungen Harris-Wahlkampfhelfers. Die Botschaft: Trump ist gefährlich. Es geht um das Erbe der Bürgerrechtsbewegung.

https://x.com/KamalaForGA/status/1848738581441110387

Im dpa-Gespräch erklären die Kings, dass die Unterstützung für Harris weit über Identitätsfragen hinausgeht. «Es ist fast beleidigend zu denken, dass Frauen oder schwarze Frauen oder schwarze Männer Harris nur wegen ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts wählen», betont Arndrea Waters King. Harris habe Erfahrung, konkrete Pläne für wirtschaftliche Chancengleichheit und sie baue politische Brücken – im Gegensatz zu ihrem Kontrahenten.

Für Harris sind solche Appelle entscheidend. Im Jahr 2020 gewann Joe Biden in Georgia nur knapp. Jetzt verlässt sich Harris’ Team auf prominente Unterstützer wie die Kings und auf Initiativen, die speziell schwarze Männer zur Wahl motivieren sollen. Es bleibt abzuwarten, ob das erfolgreich ist. In einem Staat, in dem jede Stimme zählt, könnte schon ein kleiner Verlust den Demokraten viel kosten.

«Ich liebe Trump»

Ein anderer Ort, andere Stimmung: Vor einem Stadion in Duluth hat sich Händler Mack Purnell mit Trump-Devotionalien postiert. In glitzernder «Make America Great Again»-Jacke schäkert er mit Kunden. Sonst verkauft der 38-Jährige Fanartikel bei Football-Spielen im ganzen Land, jetzt reist er Trump hinterher. Wenig später tritt der Republikaner hier auf.

Für Purnell verkörpert Trump Eigenschaften, die er bei Harris vermisst. «Ich liebe Trump, weil er sein Wort hält und stark ist», sagt er. Besonders dankbar ist er dem Ex-Präsidenten für eine Strafrechtsreform von 2018, die ihm, wie er sagt, den Weg aus dem Gefängnis ebnete. Damals kamen Tausende Insassen, die wegen geringfügiger Delikte inhaftiert waren, vorzeitig frei. Für viele war das eine Chance auf wirtschaftlichen Neustart. 

Trump nutzt diese Hoffnung auf Stabilität: In Wahlkampfreden erwähnt er oft den Niedriglohnsektor, spricht unverblümt von «Black Jobs» und verspricht, sie durch seine Einwanderungspolitik vor Konkurrenz durch billige Arbeitskräfte zu schützen.

«Alles ist doppelt so teuer»

Davon fühlt sich auch Tee angesprochen. Der Mittvierziger ist mit seiner Familie nach Duluth gekommen. Was ihn zu Trump zieht? Eine ganze Reihe an Themen, etwa die hohen Lebenshaltungskosten. «Brot, Eier, Benzin – alles ist doppelt so teuer», klagt er. Zwar hat sich die US-Wirtschaft zuletzt erholt und die Preise haben sich nicht tatsächlich verdoppelt, doch das spüren nicht alle gleichermaßen. Besonders schwarze Amerikaner kämpfen mit größeren Einkommenslücken – das belastet. Manche fühlen sich politisch im Stich gelassen.

Und die Kritik, Trump bediene rassistische Stereotype, wenn er die erste schwarze Vizepräsidentin Harris etwa als «faul» bezeichnet? Ablenkung, meint Tee. Der Rassismusvorwurf werde politisch instrumentalisiert, sagt er und äußert dann Überzeugungen, die von Wahlmanipulation bis zu wirtschaftlichen Verschwörungen reichen. Schwarze Amerikaner sind laut Studien online überproportional oft Ziel von Falschinformationen.

«Frauen müssen über ihren eigenen Körper entscheiden»

Für Inez Bonita Carter, die in Lawrenceville für Harris gestimmt hat, steht hingegen das Thema Abtreibung im Vordergrund. «Es ist wichtig, dass Frauen über ihren eigenen Körper entscheiden», sagt die Mutter mehrerer Töchter. In Georgia sind Abtreibungen nach der sechsten Schwangerschaftswoche (oft bevor Frauen überhaupt davon wissen) fast vollständig verboten. Für Wählerinnen wie Carter ist das eng mit Bürgerrechten verknüpft – denn es geht um die individuelle Freiheit und staatliche Eingriffe ins Privatleben.

«Man muss Kompromisse eingehen»

Trotz Trumps Bemühungen, schwarze Wähler anzusprechen, bleibt für die meisten – insbesondere Frauen und Ältere – die Bürgerrechtsbewegung und die historische Nähe zur Demokratischen Partei entscheidend. Für Chasbo (85) und Peggles (80) aus Lawrenceville ist dieses Erbe sehr persönlich. Das Ehepaar hat eine Zeit erlebt, in der sie für grundlegende Freiheiten kämpfen mussten. Als sie im tiefen Süden der USA aufwuchsen, erlebten sie selbst, was es bedeutet, bestimmte Wasserspender nicht benutzen zu dürfen und nicht überall im Bus sitzen zu können. Oder wenn die Polizei willkürlich Familienmitglieder festnahm – nur um sie zu verprügeln. Diese Erfahrungen prägen sie bis heute.

Dass jemand für Trump stimmen könnte, ist ihnen unbegreiflich. «Sie versuchen, uns wieder auszubeuten», sagt Chasbo über die Republikaner. Anders als Tee hält er Trump für rassistisch. Doch trotz der Spannung rund um die Wahl sehen Chasbo und Peggles eine Chance auf Annäherung: «Wenn jemand gewinnt, sollte das nicht das Ende sein», sagt Peggles. «Man muss Kompromisse eingehen. Es ist ein Geben und Nehmen.»

dpa