Union und SPD benötigen Grüne oder FDP für Zustimmung, Kritik an geplanten Änderungen wächst.
Milliarden-Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur in Gefahr

Die Grundlage für eine neue schwarz-rote Koalition soll ein Multimilliarden-Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur sein. Union und SPD könnten jedoch mit ihrem ersten gemeinsamen Vorhaben scheitern, da sie die Zustimmung von Grünen oder FDP benötigen, die bisher nicht bereit sind zuzustimmen. Alles, was man über die Pläne und die Kritik daran wissen muss.
Was genau ist geplant?
Union und SPD planen Änderungen am Grundgesetz, um drei Dinge zu regeln: Verteidigungsausgaben sollen bis zu einer Grenze von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – also etwa 44 Milliarden Euro – unter die Schuldenbremse fallen. Alles darüber hinaus soll durch Kredite finanziert werden. Darüber hinaus sollen die Länder mehr Spielraum für eigene Verschuldung erhalten: Gemeinsam dürfen sie zukünftig Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen. Das dritte Vorhaben betrifft ein Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur, das von der Schuldenbremse ausgenommen ist und mit 500 Milliarden Euro aus Krediten finanziert werden soll.
Was soll das bringen?
Eine enorme Finanzspritze steht für zwei Bereiche bevor, in denen Experten erheblichen Investitionsbedarf sehen. Laut Verteidigungsminister Boris Pistorius benötigt Deutschland ab 2028 jährlich 85 bis 90 Milliarden Euro allein für das Zwei-Prozent-Ziel der Nato. Die Bundeswehr soll gestärkt werden, um potenzielle Angreifer abzuschrecken und im Kampf bestehen zu können. Zudem plant Deutschland, die von Russland angegriffene Ukraine weiterhin zu unterstützen.
Auch Autobahnen, Brücken, Schienen, Energienetze, Kitas, Schulen und Hochschulen leiden unter einem großen Investitionsstau. Deutschland könnte mit einer Investition von 500 Milliarden Euro in zehn Jahren einen bedeutenden Modernisierungsschub erleben. Dies würde es der Bundesregierung ermöglichen, sowohl in die Infrastruktur als auch in soziale Absicherung oder andere wichtige Bereiche zu investieren, ohne sich entscheiden zu müssen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass unnötige Projekte finanziert und Streit zwischen den Koalitionspartnern durch finanzielle Geschenke beigelegt wird.
Wo käme das Geld dann her – und wer muss die Zeche zahlen?
Der Staat beschafft sich neues Kapital, indem er Anleihen auf dem Kapitalmarkt emittiert. Beim Kauf einer Staatsanleihe leiht ein Investor dem Staat Geld und erhält dafür Zinsen. Auch wenn der Kredit langfristig zurückgezahlt werden muss, kann dies im Gegensatz zu Privatpersonen weit in die Zukunft verschoben werden. In der Zwischenzeit muss der Staat Zinsen aus seinen jährlichen Haushalten zahlen.
Bisher hat Deutschland bei den Ratingagenturen eine Top-Bonität, das heißt, der Staat kann sich Geld zu sehr guten Zinssätzen leihen. Experten sehen dieses Rating auch bei einer größeren Verschuldung eher nicht in Gefahr. Selbst mit einer Schuldenquote von 82 Prozent in der Finanzkrise 2010 konnte Deutschland sein AAA-Rating halten. Ob das diesmal gelingt, wird auch davon abhängen, wie viel Vertrauen die Agenturen in die Wettbewerbsfähigkeit und die Wirtschaftskraft des Landes setzen.
Möglicherweise könnten auch die Pläne für Hausbauer Konsequenzen haben. Nach der Ankündigung stiegen die Bauzinsen – dies ist auf die Rendite von Bundesanleihen zurückzuführen. Es ist ungewiss, ob dieser Effekt dauerhaft bestehen bleibt, da sich die Bauzinsen täglich ändern und spürbar schwanken können.
Welche Chancen hat das im Bundestag?
Union und SPD können ihre Pläne nicht alleine umsetzen, da für Grundgesetzänderungen eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist. Im neuen Bundestag könnten AfD und Linke zusammen stark genug sein, um die Reform zu blockieren. Daher soll der alte Bundestag schnell handeln. Allerdings sind auch hier Stimmen von Grünen oder FDP notwendig – und diese sind momentan mehr als unsicher. Möglicherweise könnte man am ehesten mit den Grünen einen Kompromiss finden.
Was wollen die Grünen?
Die Grünen fürchten, dass teure Wahlgeschenke wie die Mütterrente und eine höhere Pendlerpauschale mit dem Paket finanziert werden, aber das Land kaum vorankommt. Sie würden einer Ausnahme der Schuldenbremse für die Verteidigung unter bestimmten Bedingungen zustimmen. Die Milliarden für die Infrastruktur möchten sie jedoch anders verwalten, um sicherzustellen, dass das Geld tatsächlich in zusätzliche Projekte fließt. Sie möchten vermeiden, dass Infrastrukturausgaben nicht mehr aus dem regulären Haushalt, sondern aus einem separaten Topf finanziert werden, um Haushaltsmittel für Wahlgeschenke freizumachen.
Ein Vorschlag ist, dass das Paket aufgeteilt wird: Die Schuldenbremsen-Ausnahme könnte der alte Bundestag mit Stimmen von Union, SPD und Grünen beschließen. Für Infrastruktur-Milliarden müsste der wahrscheinlich künftige Kanzler Friedrich Merz (CDU) im neuen Bundestag dann eine Lösung nicht nur mit SPD und Grünen, sondern auch mit den Linken finden. Nur so hätte er die nötige Mehrheit.
Könnte das ein Kompromiss sein?
Für die SPD wohl kaum. Denn ihr sind die Milliarden für die Infrastruktur besonders wichtig – und in dieser Variante wären sie nicht garantiert. Alles käme darauf an, ob Union und Linke zusammenarbeiten können. Bei einer Aufsplittung gilt auch der Beschluss der Verteidigungs-Ausnahme nicht mehr als sicher. Denn viele Abgeordnete der alten SPD-Fraktion werden im nächsten Bundestag nicht dabei sein. Ob sie sich noch an eine Fraktionslinie halten oder Teil eins der Vereinbarung wütend ablehnen würden, weil die Infrastruktur-Milliarden fehlen, ist offen.
Wird heute schon entschieden?
„Nein, das Gesetz muss im Parlament mehrere Runden drehen. Nach der ersten Lesung heute folgt zum Beispiel noch eine Anhörung im Haushaltsausschuss. Die entscheidende Lesung und Abstimmung ist aktuell für den 18. März geplant. Viel mehr Zeit ist auch nicht, denn am 25. März tritt der neue Bundestag zusammen.“
Welche Rolle spielt der Bundesrat?
Eine Änderung des Grundgesetzes erfordert neben dem Beschluss des Bundestages mindestens zwei Drittel der Stimmen der Länder – und selbst diese sind nicht sicher. Drei Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung (Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bremen) verlangen, dass die Länder mehr als die geplanten 100 Milliarden aus dem Infrastruktur-Sondertopf erhalten. Bundesländer mit Linken, FDP oder BSW in der Regierung können wahrscheinlich ohnehin nicht zustimmen, da ihre Regierungsparteien keine einheitliche Linie finden. Auch die Freien Wähler in Bayern haben bisher ihre Zustimmung noch nicht gegeben.
Wenn das Vorhaben scheitert, wird Merz dann nicht Kanzler?
Union und SPD hätten dann zumindest die Grundlage ihrer bisherigen Einigungen verloren. Ohne das zusätzliche Geld werden viele Vorhaben nicht finanzierbar sein – oder es wären heftige Kürzungen in anderen Bereichen im Haushalt nötig. Ob die SPD unter diesen Voraussetzungen noch bereit wäre, mit der Union zu regieren, ist ungewiss. Zumindest müsste wohl vieles noch einmal auf den Tisch und ganz neu besprochen werden. Eine echte Alternative zu einer schwarz-roten Koalition gibt es nach der Bundestagswahl allerdings auch nicht, wenn man Kooperationen mit der AfD und Minderheitsregierungen ausschließt.