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Datenschutzbeauftragte warnt vor gezielter Wahlwerbung

Parteien sollen sich gegen Microtargeting und Cyberangriffe wappnen, um den öffentlichen Diskurs zu schützen.

Das Europäische Parlament in Straßburg - am 9. Juni findet in Deutschland die Europawahl statt..
Foto: Jean-Francois Badias/AP/dpa

Meike Kamp, die Berliner Landesdatenschutzbeauftragte, hat die politischen Parteien davor gewarnt, bei der bevorstehenden Europawahl gezielt Werbung an bestimmte Personengruppen zu richten.

Die Parteien sollten jedoch nicht nur auf das sogenannte Microtargeting bei digitaler Wahlwerbung verzichten, sondern auch darauf vorbereitet sein, Angriffe auf ihre IT-Systeme sowie Desinformation abzuwehren, wie es in einem offiziellen Schreiben von Kamp an alle im Bundestag vertretenen Parteien mit Sitz in Berlin heißt.

Nach einer Beschwerde der europäischen Datenschutzvereinigung Noyb aus dem März 2023 wurde bekannt, dass bei der Bundestagswahl 2021 einzelne Parteien das umstrittene Microtargeting auf Facebook eingesetzt haben. Facebook hat dabei im Hintergrund die politischen Ansichten der Nutzer analysiert. Es wurde festgestellt, dass Facebook-Nutzer gezielt mit politischer Werbung angesprochen wurden. Obwohl dies grundsätzlich nicht verboten ist, betonte Noyb, dass politische Meinungen gemäß Artikel 9 der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) besonders geschützt sind und nicht als Grundlage für gezielte Werbung dienen sollten.

Kamp wies jetzt in ihrem Schreiben darauf hin, dass neben den Online-Plattformen, auf denen die Werbung geschaltet wird, auch die Parteien eine rechtliche Verantwortung für die Datenverarbeitungen tragen. Die Parteien nutzten die von den Werbenetzwerken über potenzielle Wählerinnen und Wähler gesammelten personenbezogenen Daten, indem sie daraus erstellte Interessenkategorien für die gezielte Ausspielung ihrer Wahlwerbung auswählten. «Es besteht die Gefahr, dass das zielgenaue Ausspielen von politischer Werbung auf der Grundlage von umfassenden Nutzungsprofilen den öffentlichen Diskurs verzerrt, polarisierende Inhalte verstärkt und Debatten fragmentiert.»

Wahlwerbung, die auf der Grundlage von umfangreichen Nutzungsprofilen selektiv ausgespielt werde, berge Risiken für die freie Meinungsbildung, erklärte Kamp. Für die Adressaten dieser Werbung sei es schwer einzuordnen, was die Werbenden veranlasst habe, speziell sie mit dem spezifisch zugeschnittenen Inhalt anzusprechen. Es sei zu befürchten, dass Adressaten und Adressatinnen von Wahlwerbung «nur noch mit dem konfrontiert werden, was sie individuell hören möchten, sodass zentrale Funktionen der Parteien wie die politische Willensbildung und die Anregung zum öffentlichen Diskurs auf der Strecke bleiben».

In ihrem Schreiben an die Parteien warnt die Datenschutzbeauftragte auch vor den Gefahren von Desinformationskampagnen und Cyberangriffen. Desinformation könne verschiedene Formen annehmen, von gefälschten Nachrichtenartikeln und manipulierten Bildaufnahmen bis hin zu gezielten Social-Media-Kampagnen. «Angriffe auf die IT-Infrastruktur einer Partei können in diesem Zusammenhang darauf abzielen, vertrauliche Informationen zu stehlen, um sie zur Verbreitung oder zur Legitimierung von Fehlinformationen zu nutzen.»

Die Wahl zum Europäischen Parlament wird vom 6. bis 9. Juni 2024 abgehalten.

dpa