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Neue Vorschläge für Krankenkassen-Finanzen

Experten empfehlen höhere Zuzahlungen für Arzneimittel zur Entlastung der Kassen und der Patienten.

Wer Arzneimittel kauft, könnte nach einem neuen Vorschlag mehr zahlen müssen.
Foto: Jens Kalaene/dpa

Nach Überlegungen für eine Praxisgebühr zielt ein neuer Vorschlag zur Aufbesserung der Krankenkassen-Finanzen auf höhere Arzneimittel-Zuzahlungen ab. Der Bielefelder Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner schlug in den Zeitungen der Funke Mediengruppe vor, die aus seiner Sicht sehr geringen Selbstbeteiligungen der Patientinnen und Patienten an die Inflationsentwicklung in den zurückliegenden Jahren anzupassen. Dies käme seinen Angaben zufolge einer Verdoppelung gleich: «Also 10 Euro pro Medikament, maximal 20 Euro.»

Medikamente würden aus der Erstattung fallen

Die Einnahmen durch die Zuzahlungen würden sich laut Greiners Schätzung verdoppeln. Aktuell belaufen sie sich auf etwa 2,5 Milliarden Euro. Einige Arzneimittel würden dann nicht mehr erstattet werden, da ihr Preis niedriger als die Selbstbeteiligung wäre, erklärte Greiner. Derzeit leisten die Kassenmitglieder Zuzahlungen in Höhe von zehn Prozent des Preises, mindestens jedoch fünf, höchstens zehn Euro. Wenn ein Medikament beispielsweise 4,75 Euro kostet, zahlen Versicherte 4,75 Euro. Die Höhe der Zuzahlung ist seit 20 Jahren konstant.

Arbeitgeber fordern breite Kostendämpfung

Auch die Debatte über eine Praxisgebühr geht weiter. Deutschlands Arbeitgeber fordern neben so einer Kontaktgebühr kostendämpfende Reformen in allen Versicherungsbereichen. «Dann ist endlich Schluss mit dieser Strafsteuer auf Arbeit», sagte der BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mit Blick auf die gestiegenen Lohnnebenkosten.

«Unsozial sind die ständig steigenden Beiträge für die Krankenversicherung. Die sorgen für immer weniger Netto vom Brutto bei den Arbeitnehmern», sagte Kampeter. «Arbeit ist in Deutschland zu teuer. So kommen wir nicht aus der Rezession.»

Praxisgebühr: Irrweg oder Möglichkeit?

Kampeter hatte mit dem Vorschlag einer Kontaktgebühr bei jedem Arztbesuch zur Begrenzung von «Ärzte-Hopping» und einer Beitragsstabilisierung heftige Kritik auf sich gezogen. Hausärzte, Patientenschützer und Gewerkschafter hatten sich gegen ihn gestellt. Nun verteidigte er den umstrittenen Vorschlag als Möglichkeit, um die Sozialsysteme effizienter und gerechter zu machen. «Sinnvoll wäre auch eine Konzentration der Krankenhauslandschaft, eine bessere Patientensteuerung, eine bessere Verzahnung von ambulant und stationär – und insgesamt mehr Wettbewerb im System.»

Auch die Grünen fordern Kurskorrekturen – allerdings andere. «Eine Kontaktgebühr für Arztbesuche wäre nichts anderes als ein Rückfall in alte Irrwege», sagte der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen der Deutschen Presse-Agentur. Das Kernproblem des Gesundheitswesens liege auch nicht auf der Einnahmenseite, sondern unter anderem bei aus dem Ruder laufenden Ausgaben etwa für Krankenhausversorgung und Arzneimittel. 

«Gerade deshalb ist es so sträflich, dass die Union mit Gesundheitsministerin Nina Warken auch nach 100 Tagen keine einzige der überfälligen Strukturreformen auf den Weg gebracht hat», sagte Dahmen an die Adresse der CDU-Ressortchefin. «Das ist Gesundheitspolitik der Wirklichkeitsverweigerung.»

Steuerzahler auch zur Kasse gebeten

Experte Greiner ist der Meinung, dass angesichts der steigenden Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben bei den Krankenkassen Milliardenbeträge des Bundes aus Steuermitteln erforderlich sind – und zwar wie Warken als Zuschuss und nicht nur als Darlehen. Ein Darlehen allein würde nicht ausreichen und das Problem nur verschieben. Warken plant, sich in den bevorstehenden Haushaltsverhandlungen für Zuschüsse einzusetzen.

Mehr als 1 Prozentpunkt höherer Zusatzbeitrag?

Der Bundesrechnungshof hatte zuletzt Alarm geschlagen: Trotz eines Rekordwachstums bei den Ausgaben der Krankenkassen im Jahr 2024 würden die Kasseneinnahmen auch in Zukunft hinter den Ausgaben zurückbleiben. Dies würde zu höheren Zusatzbeiträgen führen. Laut einem Szenario, das von den Finanzkontrolleuren zitiert wurde, könnten diese im Durchschnitt von Anfang 2025 bis 2029 von 2,9 Prozent auf 4,05 Prozent steigen.

Druck von Landesseite

Der jüngste Bericht des Rechnungshofs sollte in Berlin «der endgültige Weckruf sein», sagte die Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Thüringens Gesundheitsministerin Katharina Schenk (SPD), den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Die gesetzliche Krankenversicherung muss jetzt dringend einer grundlegenden Strukturreform unterzogen und als solidarisch finanziertes System weiterentwickelt werden.»

dpa