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Debatte um Syrer in Deutschland: Worum es geht

Viele Syrer haben ihr altes Heimatland schon vor Jahren verlassen. Viele arbeiten, oft in Berufen, wo es an Personal fehlt. Nun ist eine Debatte entbrannt: Wer darf bleiben – und wer muss gehen?

Syrische Geflüchtete auf dem Schulweg. (Archivfoto aus Niedersachsen)
Foto: picture alliance / dpa

Es ist fast ein Jahr her, seit der syrische Langzeitmachthaber Baschar al-Assad gestürzt wurde. Was bedeutet das für die syrischen Flüchtlinge in Deutschland? Kanzler Friedrich Merz drängt darauf, dass mehr von ihnen Deutschland verlassen.

Wie ist die Lage in Syrien?

Die Übergangsregierung unter Interimspräsident Ahmed al-Scharaa bemüht sich darum, das Land nach Jahren des Bürgerkriegs zu stabilisieren und ein «Syrien für alle» zu schaffen. Doch die Lage im Land bleibt volatil. Es kommt immer wieder zu Gewaltausbrüchen, bei denen zum Teil Hunderte Menschen getötet wurden. 

Menschenrechtsaktivisten betrachten insbesondere Minderheiten wie Alawiten, Drusen oder Christen als gefährdet. Sie wurden in den letzten elf Monaten Opfer von blutigen Massakern.

Der Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung hat die Wirtschaft und die Infrastruktur stark beschädigt. Nach UN-Angaben sind immer noch sieben Millionen Menschen im Land als Binnenvertriebene eingestuft. Es sind immer noch etwa 16 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen. Syrien hat etwa 23 Millionen Einwohner.

Nach welchen Kriterien beurteilt die Bundesregierung die Situation vor Ort?

Der Lagebericht des Auswärtigen Amts spielt eine wichtige Rolle, der zuletzt im Frühjahr aktualisiert wurde – also nach dem Machtwechsel in Syrien. Diese Berichte werden nicht veröffentlicht. Frühere Berichte, die bekannt wurden, enthielten Einschätzungen der Vereinten Nationen zur Situation der Menschenrechte im Land. Seit 2012 sind alle Rückführungen wegen der Sicherheitslage im Land ausgesetzt.

Kehren Syrerinnen und Syrer freiwillig zurück?

Ja – und zwar eine steigende Anzahl. Personen, die nach Syrien zurückkehren möchten, können Unterstützung aus deutschen und europäischen Mitteln erhalten. Im Mai gab es 5 solcher geförderten Ausreisen, während es im März bereits 186 und im Oktober 476 waren, wie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) berichtete. Im September wurde mit 529 geförderten Ausreisen ein Höchststand erreicht.

Sollen jetzt alle Syrer Deutschland wieder verlassen?

Es ist unwahrscheinlich. Laut dem Ausländerzentralregister leben in Deutschland (Stand Ende August) 951.406 Syrerinnen und Syrer. Das Bundesinnenministerium gab im August an, dass 920 Personen in Deutschland sind, die ausreisepflichtig sind und keinen Duldungsstatus haben. Die Bundesregierung plant, besonders schnell diejenigen abzuschieben, die straffällig geworden sind.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt erklärte, man sei dabei, «mit Syrien Vereinbarungen zu machen, die die Rückführungen nach Syrien auch ermöglichen». Im September hatte der CSU-Politiker der «Rheinischen Post» gesagt: «Wir wollen noch in diesem Jahr eine Vereinbarung mit Syrien treffen und dann zunächst Straftäter abschieben und später Personen ohne Aufenthaltsrecht.» Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) leistet bereits Vorarbeit und bearbeitet wieder Asylanträge von Syrern – «vorrangig von arbeitsfähigen, jungen Männern», wie das Ministerium kürzlich erklärte.

Was sagt der Kanzler? 

Merz hat nun erklärt: «Es gibt jetzt keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland und deswegen können wir auch mit Rückführungen beginnen», meint der CDU-Chef. Er setze auch darauf, dass ein großer Teil der syrischen Flüchtlinge freiwillig zurückkehren werde, um sich am Wiederaufbau ihres Landes zu beteiligen, betont der Kanzler. «Und diejenigen, die sich dann in Deutschland weigern, in das Land zurück(zu)kehren, die können wir selbstverständlich auch in naher Zukunft abschieben.» 

Der Außenminister Johann Wadephul (CDU) äußerte bei seinem Besuch in Syrien Zweifel daran, dass aufgrund der Zerstörung eine große Anzahl Flüchtlinge kurzfristig freiwillig dorthin zurückkehren würde. Er betonte, dass das Auswärtige Amt und er aktiv und konstruktiv das Ziel unterstützten, Straftäter und Gefährder nach Syrien und Afghanistan zurückzuführen. „Gefährder sind Personen, denen die Behörden schwerwiegende Straftaten bis hin zu Terroranschlägen zutrauen.“

Wie sind die Chancen von Syrern auf Schutz in Deutschland?

Nicht übel. Im ersten Halbjahr 2025 erhielten insgesamt 46,4 Prozent derjenigen, deren Asylanträge nicht aus formellen Gründen erledigt wurden (zum Beispiel, weil ein anderes EU-Land zuständig war), Schutz.

Es gibt mittlerweile viele Menschen aus Syrien, die die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen. Im vergangenen Jahr wurde mehr als jeder Vierte eingebürgert, der ursprünglich aus Syrien stammte – dies betraf 83.150 Menschen, was 28 Prozent aller Einbürgerungen ausmachte. Syrerinnen und Syrer stellten somit mit großem Abstand den größten Anteil an den deutschen Neubürgern dar.

Wovon hängt es ab, ob Menschen abgeschoben werden?

Grundsätzlich können auch Menschen abgeschoben werden, die hierzulande Schutz genießen – allerdings «nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung», zum Beispiel bei Terrorgefahr. Niemand darf in ein Land abgeschoben werden, in dem ihm oder ihr Folter, die Todesstrafe oder eine andere unmenschliche Behandlung droht.

In der Regel können Personen, die Asyl oder einen anderen Schutzstatus erhalten haben, bleiben. Selbst wenn dies nicht der Fall ist und jemand als ausreisepflichtig gilt, bedeutet dies nicht zwangsläufig eine Abschiebung. Es ist möglich, dass jemand geduldet wird. Gründe dafür können fehlende Reisedokumente, eine laufende Ausbildung oder eine schwere Krankheit sein.

„Menschen, die von den Behörden keinen anerkannten Aufenthaltsgrund haben, werden aufgefordert, das Land zu verlassen. Wenn sie dem nicht nachkommen, besteht die Gefahr der Abschiebung, die von den Bundesländern durchgeführt wird.“

Haben Syrer und Syrerinnen auf dem Arbeitsmarkt Fuß gefasst?

Aus der Sicht von Arbeitsmarktforschern auffällig: Bei der Integration in den Arbeitsmarkt haben viele Syrerinnen und Syrer, die in der großen Flüchtlingsbewegung um 2015 nach Deutschland gekommen sind, Erfolg gehabt. «Bei der Integration der syrischen und anderen Flüchtlinge von 2015 steht Deutschland inzwischen im internationalen Vergleich ganz oben», sagte der Wissenschaftler Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg bereits vor einem Jahr. «Die Gruppe der 2013 bis 2019 zugezogenen syrischen Schutzsuchenden erreichte sieben Jahre nach dem Zuzug eine durchschnittliche Erwerbstätigenquote von 61 Prozent», so eine IAB-Erhebung.

Wie viele Syrerinnen und Syrer haben Jobs?

Etwa 300.000 Syrerinnen und Syrer sind in Deutschland erwerbstätig, wobei mehr als zwei Drittel sozialversicherungspflichtig sind. Laut Bundesagentur für Arbeit ist die Beschäftigungsquote einschließlich geringfügiger Beschäftigung seit 2016 um 30 Prozentpunkte auf etwa 42 Prozent im letzten Jahr gestiegen. Dabei sind etwa 6 von 10 syrischen Staatsangehörigen in qualifizierten Fachberufen tätig, wovon etwa zwei Fünftel in Berufen mit Fachkräftemangel arbeiten. Syrische Männer arbeiten hauptsächlich in Logistikberufen, während Frauen häufig im Gesundheits- und Pflegebereich tätig sind.

Welche Bedeutung haben Syrer fürs Gesundheitswesen?

Laut Bundesärztekammer würden ohne Ärztinnen und Ärzte aus dem Ausland noch größere Versorgungslücken bestehen. Über 15 Prozent der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte besitzen eine ausländische Staatsangehörigkeit. Die meisten kommen aus europäischen Ländern und dem Nahen Osten. Die häufigsten Herkunftsländer sind Syrien (7.042), Rumänien (4.682), Türkei (3.169), Russland (3.110), Österreich (3.036) und Griechenland (2.991). Auch in der Pflege, einem Mangelberuf, sind viele Syrerinnen und Syrer tätig. Laut Arbeitgeberverband Pflege sind sie eine wichtige Stütze der geflüchteten Personen, die in der Pflege arbeiten.

Welche Rolle spielt das Bürgergeld?

Laut IAB-Forschungsbereichsleiter Weber hat es sich bewährt, die Menschen eher mit deutscher Sprache und Qualifizierung in Arbeit zu bringen als so schnell wie möglich. Dafür wurde auch das Bürgergeld eingeführt, mit dem der vorherige Vermittlungsvorrang bis 2023 abgeschafft wurde. Laut Arbeitsagentur haben von Januar bis Juni rund 56.700 Teilnehmende mit syrischer Staatsangehörigkeit eine Qualifizierungsmaßnahme begonnen, wie eine Antwort der Regierung auf eine AfD-Anfrage zeigt.

Im Sommer 2024 erhielten 518.000 syrische Staatsangehörige Bürgergeld, darunter 353.000 Personen im erwerbsfähigen Alter und etwa 165.000 Kinder. Im Jahr 2018 bezogen noch über 80 Prozent diese Sozialleistung – jetzt sind es mehr als die Hälfte.

dpa