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Israel und Iran: Gewaltspirale vorerst gestoppt

Die abwiegelnde Reaktion Teherans und die begrenzte Ausmaß des Angriffs deuten auf eine vorübergehende Pause in der Gewaltspirale hin.

Iranische Gläubige nehmen an einer anti-israelischen Versammlung in Teheran teil.
Foto: Vahid Salemi/AP

Die Eskalation der Gewalt zwischen Israel und dem Iran könnte vorerst gestoppt sein, wie das begrenzte Ausmaß des Angriffs am frühen Freitagmorgen und die zurückhaltende Reaktion Teherans nahelegen. Sowohl Israels westliche Partner wie die USA, Deutschland und die EU als auch Russland und China haben zur Deeskalation aufgerufen, um die Gefahr eines Flächenbrandes in der Region zu verhindern.

Die verfeindeten Länder standen noch nie so nah an einem Krieg. Israel betrachtet das umstrittene Atomprogramm sowie das massive Raketen- und Drohnenarsenal des Erzfeinds Iran als die größte Bedrohung seiner Existenz. Die Führung der Islamischen Republik bestreitet dem jüdischen Staat das Existenzrecht.

Die israelische Regierung hatte angekündigt, auf den Angriff des Irans zu reagieren, bei dem am vergangenen Wochenende mehr als 300 Drohnen und Raketen auf Israel abgefeuert wurden. Dies war der erste direkte Angriff auf das Land. Teheran gab an, dass dies eine Vergeltung für den Tod von zwei Generälen bei einem vermutlich von Israel durchgeführten Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in Damaskus war. Teheran warnte, dass ein israelischer Gegenschlag zu einer noch heftigeren Reaktion des Irans führen würde.

Nun aber tat der iranische Außenminister Hussein Amirabdollahian die heftigen Explosionen unweit von Atomanlagen seines Landes am Freitagmorgen fast als Lappalie ab. «Durch die bei Isfahan abgeschossenen kleinen Drohnen gab es weder Schäden noch Opfer», zitierte ihn die staatliche iranische Nachrichtenagentur Irna. Irans Präsident Ebrahim Raisi erwähnte den Angriff bei einer Rede in der Provinz Semnan erst gar nicht. 

In Israel hüllte sich die Regierung in beredtes Schweigen. Nur der rechtsextreme Polizeiminister Itamar Ben-Gvir kritisierte den Angriff als «lahm» und legte nahe, sein Land stehe hinter der Aktion. Beobachter werteten die verhaltenen Reaktionen als Zeichen dafür, dass beide Seiten eine weitere Eskalation vermeiden wollen.

Blinken: USA waren nicht beteiligt

US-Außenminister Antony Blinken sagte bei einem Treffen der G7-Außenminister auf der italienischen Mittelmeerinsel Capri, er werde auf das Geschehen vom Freitag «nicht näher eingehen – außer zu sagen, dass die Vereinigten Staaten an keinen Offensivoperationen beteiligt waren». Erneut warnte er vor einer Eskalation. «Wir fühlen uns der Sicherheit Israels verpflichtet», sagte Blinken. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz warnte am Freitag erneut vor einer Ausweitung des Konflikts. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zeigte sich beunruhigt über die Lage im Nahen Osten. «Es ist entscheidend, dass der Konflikt nicht außer Kontrolle gerät, und daher fordern wir alle Parteien auf, Zurückhaltung zu zeigen», betonte der Norweger. 

Einem Bericht der israelischen Zeitung «Jerusalem Post» zufolge galt der Angriff einer Luftwaffenbasis im zentraliranischen Isfahan. Die iranischen Atomanlagen in der Nähe der Stadt wurden nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde aber nicht getroffen. Iranische Staatsmedien wiesen US-Medienberichte über einen Angriff mit Raketen zurück. Es seien nur mehrere kleine Flugobjekte beschossen worden. 

Der US-Sender ABC News berichtete unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten US-Vertreter, dass israelische Kampfjets außerhalb des iranischen Luftraums drei Raketen auf eine Radaranlage abgefeuert haben, die Teil des Verteidigungssystems der Atomanlage von Natans nordwestlich von Isfahan war. Die Radaranlage wurde wahrscheinlich zerstört.

Schattenkrieg zwischen Israel und Iran hat lange Geschichte

Seit Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober 2023 nach den Massakern der islamistischen Hamas und anderer Extremisten aus dem Gazastreifen in Israel hat sich der seit Jahrzehnten alte Konflikt zwischen Israel und der Islamischen Republik Iran dramatisch verschärft. Der jüdische Staat sieht sich nach Angriffen von Milizen im Libanon, in Syrien, im Irak und im Jemen, die mit dem Iran verbündet sind, an mehreren Fronten unter Beschuss.

In der Zwischenzeit führten israelische Truppen ihren Kampf gegen die Hamas im Gazastreifen und gegen die schiitische Miliz Hisbollah im Libanon fort. Laut Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde stieg die Zahl der Toten im Gaza-Krieg auf 34.012. Darüber hinaus wurden mehr als 76.800 Menschen verletzt. Es ist schwer, die Zahlen zu überprüfen, da nicht zwischen Kämpfern und Zivilisten unterschieden wird.

Baerbock verärgert

Außenministerin Annalena Baerbock äußerte sich indes verärgert über Berichte, es habe einen massiven Streit zwischen ihr und Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu gegeben. «Wir berichten nicht aus vertraulichen Gesprächen», betonte sie beim G7-Gipfel in Capri. Eine israelische Journalistin hatte auf der Plattform X (vormals Twitter) berichtet, Baerbock seien beim jüngsten Treffen mit Netanjahu in Israel Aufnahmen aus dem Gazastreifen gezeigt worden, auf denen mit Lebensmittel gefüllte Märkte zu sehen waren. Die Grünen-Politikerin habe daraufhin auf den Hunger in dem Küstengebiet hingewiesen. Netanjahu soll dem widersprochen und gesagt haben, die Bilder seien echt und Israel zeige nicht wie einst die Nazis eine erfundene Realität. Das Nazi-Regime hatte 1942 unter anderem einen Propagandafilm mit gestellten Szenen des Alltags im Warschauer Ghetto drehen lassen.

Israel: Mehr Hilfsgüter für den Gazastreifen

Israel hat nach eigenen Angaben die Bemühungen zur Versorgung der Menschen im Gazastreifen mit humanitären Hilfsgütern verstärkt. Am Donnerstag seien 276 Lastwagen mit Lebensmitteln und Medikamenten in das umkämpfte Küstengebiet gefahren, teilte die israelische Behörde Cogat mit. Am selben Tag seien außerdem 144 Paletten mit Nahrungsmitteln aus der Luft abgeworfen worden. Trotzdem beklagen Hilfsorganisationen, dass immer noch viel zu wenig bei der notleidenden Zivilbevölkerung ankomme.

EU verhängt Sanktionen gegen israelische Siedler

Erstmals hat die EU Sanktionen gegen radikale israelische Siedler verhängt, die Gewalt gegen Palästinenser im Westjordanland ausüben. Die Mitgliedstaaten haben die Strafmaßnahmen am Freitag in einem schriftlichen Verfahren beschlossen, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten. Die Sanktionen zielen auf Personen und Organisationen ab, die für Gewalttaten gegen Palästinenser im Westjordanland verantwortlich sind. Auch die USA haben ihre Sanktionen gegen radikale Siedler verschärft.

Das wird am Samstag wichtig

Ismail Hanija, der Auslandschef der Hamas, reist in die Türkei, um sich mit Präsident Recep Tayyip Erdogan zu treffen.

dpa