Demonstrationen im Gazastreifen gegen die Hamas sind ungewöhnlich. Seit Dienstag jedoch wagen immer mehr Palästinenser offenen Protest gegen die Islamisten.
Demos in Gaza gegen Krieg und Hamas weiten sich aus

Die Proteste im Gazastreifen gegen den Krieg und die islamistische Hamas breiten sich aus. Laut Augenzeugen demonstrierten Tausende Palästinenser in verschiedenen Orten des Gebiets, darunter in Beit Lahia und der Stadt Gaza im Norden sowie in Chan Junis im Süden des Küstenstreifens. Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur zufolge haben die meisten Demonstranten auch gegen die Hamas protestiert. Israels Verteidigungsminister Israel Katz forderte die übrigen Palästinenser auf, sich den Protesten anzuschließen. Berichten zufolge soll Israel bei einem Angriff im nördlichen Gazastreifen ein weiteres hochrangiges Hamas-Mitglied getötet haben.
Schon am Dienstag hatten Hunderte Palästinenser, hauptsächlich im Norden, demonstriert. Dies ist im Gazastreifen sehr ungewöhnlich, da die Hamas dafür bekannt ist, hart gegen interne Gegner vorzugehen. Laut Augenzeugen richteten sich die Proteste vor allem gegen die Führer der Hamas im Ausland. Viele Demonstranten werfen ihnen vor, sich nicht um die Bevölkerung des im Krieg weitgehend zerstörten Gazastreifens zu kümmern.
Es ist bekannt, dass einige Hamas-Mitglieder ein luxuriöses Leben führen, zum Beispiel in Katar, während die Lebensbedingungen im Gazastreifen katastrophal sind.
In der Stadt Gaza trugen Demonstranten Transparente mit der Aufschrift «Die Hamas vertritt uns nicht». Dutzende Männer riefen Berichten zufolge: «Raus, raus, raus! Hamas geh raus!» Ähnliche Parolen wurden auch aus Beit Lahia im Norden des Gebiets gemeldet.
Hamas-Sprecher soll getötet worden sein
Abdul Latif al-Kanu, ein Sprecher der Hamas, wurde Berichten arabischer Medien zufolge bei einem israelischen Luftangriff im nördlichen Gazastreifen getötet. Er war einer der bekanntesten Sprecher der Hamas. Vor kurzem wurden im Süden des Gazastreifens laut palästinensischen Angaben bereits die hochrangigen Hamas-Mitglieder Ismail Barhum und Salah al-Bardawil getötet.
Israel griff angeblich Ziele im Libanon und in Syrien in der Nacht an. Berichten zufolge wurde die syrische Hafenstadt Latakia attackiert. Des Weiteren wurde ein Fahrzeug im Südlibanon angegriffen. Libanon und Israel beschuldigen sich regelmäßig gegenseitig Verstöße gegen das Waffenstillstandsabkommen.
Seit dem Sturz von Syriens Machthaber Baschar al-Assad im Dezember hat die israelische Armee ihre militärischen Aktivitäten auch auf syrischem Gebiet deutlich ausgeweitet. Israel begründet sein militärisches Vorgehen auf syrischem Gebiet nahe der besetzten Golanhöhen mit der Bekämpfung von Waffenlagern und Nachschubwegen, die von der Hamas und der libanesischen Hisbollah-Miliz genutzt werden sollen.
Katz an Palästinenser: Fordern Sie den Abzug der Hamas aus Gaza
Katz forderte die Menschen im Gazastreifen auf, von den Demonstrierenden in der Stadt Beit Lahia zu lernen.«Fordern Sie wie sie den Abzug der Hamas aus Gaza und die sofortige Freilassung aller israelischen Geiseln – nur so kann der Krieg beendet werden», sagte Katz.
Er kündigte zudem Einsätze in weiteren Gebieten des Gazastreifens an. «Sie werden aufgefordert, zu Ihrer eigenen Sicherheit die Kampfgebiete zu verlassen», sagte er in einer Videoansprache an die Bewohner des Küstenstreifens gerichtet. Israels Armee werde bald «mit voller Kraft in andere Gebiete Gazas einrücken».
«Die Hamas gefährdet Ihr Leben und ist Ursache dafür, dass Sie Ihre Häuser und immer mehr Gebiete verlieren, die in die israelische Verteidigungsformation integriert werden», sagte Katz weiter. Die auf der Plattform X veröffentlichte Ansprache wurde auch auf Arabisch untertitelt.
Der Krieg begann mit dem Massaker palästinensischer Terroristen aus dem Küstengebiet am 7. Oktober 2023 in Israel. Eine überwältigende Mehrheit der rund zwei Millionen Einwohner des Gazastreifens musste aufgrund der Angriffe und Kämpfe fliehen. Viele Menschen haben auch im Krieg Angehörige verloren. Vor einer Woche hat Israels Armee ihre massiven Angriffe wieder aufgenommen, nachdem Israel und die Hamas sich nicht auf eine Fortsetzung der Waffenruhe einigen konnten.
Demonstrationen auch in Israel
Auch in Israel wurde am Mittwoch erneut demonstriert. Tausende protestierten gegen die rechts-religiöse Regierung des Landes und einen höchst umstrittenen Gesetzentwurf. Rund Zehntausend Israelis seien in Jerusalem auf die Straße gegangen, meldete die israelische die Nachrichtenseite «ynet». Die Zeitung «Haaretz» sprach bei einer Kundgebung vor dem Parlament von Tausenden Teilnehmern. Auch in Tel Aviv wurde demonstriert.
Die Organisatoren der Proteste erklärten, dass die Regierung «die Geiseln im Stich gelassen hat, Israels Sicherheit gefährdet und ohne mit der Wimper zu zucken aggressive und extreme Gesetze verabschiedet» Die Regierung habe dem israelischen Volk den Krieg erklärt, hieß es in einer Erklärung.
Anlass des neuen Protests war vor allem ein Gesetzesvorhaben der Regierung. Sie will die politische Kontrolle über den Ernennungsprozess von Richtern deutlich ausweiten. Die finale Abstimmung darüber ist laut «Haaretz» voraussichtlich heute geplant. Die Opposition will ihr Berichten zufolge aus Protest fernbleiben.
Kritiker in Israel sehen in dem Gesetzvorhaben einen Versuch, die Demokratie zu untergraben. Oppositionspolitiker Benny Gantz soll Justizminister Jariv Levin laut mehreren israelischen Medien gewarnt haben, dass das Land «am Rande eines Bürgerkriegs» stehe.
In den vergangenen Tagen gab es auch immer wieder Proteste von Regierungsgegnern im Land. Sie fordern auch ein Abkommen mit der Hamas, das die Freilassung der noch immer von Islamisten im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln vorsieht.