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Deutschland nicht mehr führend bei Asylanträgen,Neuer Trend: Venezuela überholt Syrien als Hauptquelle für Asylanträge in Europa. Deutschland nun auf Platz drei.

Rückgang der Asylanträge in der EU, Deutschland verzeichnet Halbierung der neuen Anträge im Vergleich zum Vorjahr.

In Deutschland wohnen viele Asylbewerber länger als sie eigentlich müssten in staatlichen Unterkünften, weil sie Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu finden. (Archivbild)
Foto: Patrick Pleul/dpa

Die Zuwanderung nach Europa hat einen neuen Trend: Deutschland ist jetzt nicht mehr das Land mit den meisten neuen Asylanträgen, nach mehr als einem Jahrzehnt. Laut der Halbjahresbilanz der EU-Asylagentur hat sich noch etwas geändert: Die meisten neuen Asylbewerber kommen nicht mehr aus Syrien, sondern aus Venezuela in Südamerika, nach dem Machtwechsel.

Im ersten Halbjahr wurden laut Statistik insgesamt 70.000 neue Anträge bei deutschen Behörden eingereicht. Somit belegt die Bundesrepublik innerhalb der EU den dritten Platz hinter Frankreich (78.000) und Spanien (77.000). Deutschland steht also erstmals seit 2012 nicht mehr an erster Stelle.

Gemäß dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) haben von Anfang Januar bis Ende August 78.246 Menschen erstmalig in Deutschland Schutz beantragt. Dies entspricht etwa der Hälfte der Asylanträge im Vorjahreszeitraum. Die Unterschiede zwischen den Halbjahreszahlen der Asylagentur EUAA mit Sitz auf Malta und den Bamf-Daten für diesen Zeitraum resultieren aus der Addition der monatlichen Zahlen durch die Agentur. Dadurch werden Nachmeldungen und Doppelzählungen nicht berücksichtigt. Dennoch bleiben die Aussagen zum Gesamttrend unberührt.

Minus 43 Prozent in Deutschland

Die Anzahl der neuen Asylbewerber in der Europäischen Union sowie in den Nicht-Mitgliedsländern Norwegen und der Schweiz ist insgesamt ebenfalls zurückgegangen. Bis Ende Juni wurden in der Gruppe von 29 Ländern (EU+) insgesamt 399.000 neue Anträge registriert – ein Rückgang von 114.000 oder 23 Prozent im Vergleich zum ersten Halbjahr 2024. Dieser Rückgang wird insbesondere darauf zurückgeführt, dass nach dem Sturz von Machthaber Baschar al-Assad nicht mehr so viele Menschen aus Syrien flüchten.

Die Zahlen in allen großen Zielländern außer Frankreich gingen zurück: am stärksten in Deutschland (minus 43 Prozent), aber auch in Italien (minus 25 Prozent) und Spanien (minus 13 Prozent).

Viele Klagen gegen Asylentscheidungen 

Bei den deutschen Verwaltungsgerichten ist dieser Rückgang noch nicht spürbar. Die Zahl der Asylklagen ist nach einer Auswertung der «Deutschen Richterzeitung» (DRZ) im ersten Halbjahr deutlich gestiegen. Demnach gingen in diesem Jahr bis zum 30. Juni 76.646 neue Hauptsacheverfahren bei den Verwaltungsgerichten ein. Das sind mehr Fälle als im Gesamtjahr 2023 (71.885). 

Die deutliche Reduzierung der Zahl der Asylanträge in den vergangenen Monaten sei wohl noch nicht in den Verwaltungsgerichten angekommen, sagt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Es sei aber zu erwarten, «dass wenn wir unseren Weg konsequent weitergehen und die Asylantragszahlen weiter fallen, dass es auch irgendwann in der Justiz ankommen wird» und dann zu einer dauerhaften Entlastung der Verwaltungsgerichte führen werde. 

Wer stellt seinen Antrag in Frankreich und warum?

Unter den Asylbewerbern in Frankreich sind viele Menschen aus der Ukraine, obwohl sie automatisch Schutz gemäß der EU-Massenzustromrichtlinie erhalten. Dennoch entscheiden sich viele für diesen Weg, wenn sie eine langfristige Bleibeperspektive anstreben. Italien liegt nun auf Platz vier hinter Frankreich, Spanien und Deutschland (64.000 neue Anträge). Großbritannien taucht nach seinem Austritt aus der EU nicht mehr in dieser Statistik auf.

Fast alle Asylbewerber aus Venezuela haben ihren Antrag in Spanien gestellt, wo ihre Muttersprache gesprochen wird. Für die Venezolaner ist Spanien als Zielland auch aufgrund einer wachsenden Wirtschaft und einer einwanderungsfreundlichen Regierung attraktiv.

Autoritäre Herrschaft und Armut in Venezuela als Fluchtgrund 

Die direkte Folge der autoritären Herrschaft von Präsident Nicolás Maduro seit 2013 wird als Grund für die Massenauswanderung aus dem lateinamerikanischen Land angesehen. Laut Angaben des Observatorio de la Diáspora Venezolana leben mittlerweile mehr als 9,1 Millionen Venezolaner außerhalb ihres Heimatlandes.

Die Bevölkerung Venezuelas ist seit 2017 trotz hoher Geburtenrate von rund 30 Millionen auf aktuell gut 28 Millionen geschrumpft. Viele fliehen vor Armut, fehlender Infrastruktur und Gesundheitsversorgung sowie fehlenden Perspektiven. Ziel der Migration sind Nachbarländer wie Kolumbien, Peru und Chile, zunehmend aber auch Europa und Nordamerika.

Meiste Neuankömmlinge aus Venezuela

Zum ersten Mal seit zehn Jahren stammten die meisten neuen Asylbewerber (25.000) nicht aus Syrien, sondern aus Venezuela (49.000). Es wurden 42.000 neue Asylanträge von Menschen aus Afghanistan gestellt.

Der Umgang mit Migranten ist seit Jahrzehnten ein umstrittenes Thema in der europäischen Politik. Die EU kooperiert mittlerweile mit nordafrikanischen Ländern, um die Migration nach Europa zu stoppen. Beim Versuch, das Mittelmeer in oft kaum seetüchtigen Booten zu überqueren, enden viele dieser Unternehmungen in tödlichen Tragödien.

EU-Kommissar Magnus Brunner bezeichnet den Rückgang in Brüssel als «Ergebnis einer konsequenteren Politik». Jetzt müsse die Zusammenarbeit mit sogenannten Drittstaaten verbessert werden, «damit Rückführungen tatsächlich funktionieren und unsere Asylsysteme entlastet werden». 

Nur jeder vierte Antrag wird anerkannt

Laut der Agentur sank die sogenannte Anerkennungsquote auf den niedrigsten je gemessenen Stand: Nur jeder vierte Erstantrag (25 Prozent) wurde bewilligt. Trotzdem gibt es einen großen Berg an Anträgen, die noch bearbeitet werden müssen: Ende Juni waren über 900.000 Anträge in erster Instanz noch nicht entschieden. Aufgrund der Möglichkeit eines Widerspruchs stehen insgesamt etwa 1,3 Millionen Entscheidungen aus.

dpa