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Deutschland wählt neuen Bundestag nach Winterwahlkampf

Die politischen Machtverhältnisse werden für die nächsten vier Jahre entschieden. Die Wahllokale sind heute von 8.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.

Gut 59 Millionen Wahlberechtigte können heute einen neuen Bundestag wählen.
Foto: Patrick Pleul/dpa

Deutschland wählt nach einem kurzen und teils polarisierenden Winterwahlkampf einen neuen Bundestag. Die Wahllokale sind heute von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet. Entschieden wird über die politischen Machtverhältnisse in den nächsten vier Jahren. Unter den gut 59 Millionen Wahlberechtigten im Bundesgebiet sind etwa 2,3 Millionen junge Erstwähler. Hinzu kommen mehr als 200.000 Deutsche, die im Ausland leben und sich für die Wahl registriert haben. Für sie wurde es mit der Stimmabgabe wegen der kurzen Fristen diesmal aber sehr knapp.

Die Bundestagswahl, die eigentlich erst im Herbst stattfinden sollte, wurde vorgezogen, weil die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im November zerbrochen war und Kanzler Olaf Scholz (SPD) planmäßig eine Vertrauensfrage im Parlament verloren hatte.

Umfragen sehen Merz‘ Union als stärkste Kraft

Gemäß Umfragen wird die Union mit Kanzlerkandidat und CDU-Chef Friedrich Merz voraussichtlich die stärkste Kraft sein. CDU/CSU liegen daher zwischen 28 und 32 Prozent, gefolgt von der AfD (20 bis 21 Prozent). Die SPD (14 bis 16 Prozent) und die Grünen (12 bis 14 Prozent) belegen dahinter Plätze. Die Linke könnte laut Umfragen bis zu 8 Prozent erhalten. Die FDP (4 bis 5 Prozent) und das Bündnis Sahra Wagenknecht (3 bis 5 Prozent) müssen aufgrund der Fünf-Prozent-Hürde um den Einzug in den Bundestag bangen. Untersuchungen zeigen, dass zuletzt etwa ein Fünftel der Wähler noch unentschieden war, ob oder wen sie wählen.

Neben Scholz und Merz kandidieren auch Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck und die AfD-Vorsitzende Alice Weidel als Kanzlerkandidaten.

Deutschland droht komplizierte Regierungsbildung

Je nach Mehrheitsverhältnissen könnte die Regierungsbildung eine große Herausforderung darstellen. Merz plant eine Zweierkoalition mit SPD oder Grünen, während CSU-Chef Markus Söder eine Koalition mit den Grünen kategorisch ausschließt. Wenn mehrere kleine Parteien die Fünf-Prozent-Hürde überschreiten, könnte die Union auf zwei Koalitionspartner angewiesen sein. Ähnlich wie beim gescheiterten Ampel-Bündnis könnte dies zu einer größeren Instabilität führen.

Merz betonte beim gemeinsamen Wahlkampfabschluss mit Söder in München rote Linien für Koalitionsverhandlungen. Die Union werde mit niemandem in ein Bündnis eintreten, «der nicht bereit ist, in der Wirtschaftspolitik und in der Migrationspolitik in Deutschland den Politikwechsel herbeizuführen». Und er unterstrich, dass er keine Koalitionsgespräche mit der AfD führen werde: «Wir werden unter keinen Umständen, unter keinen Umständen, irgendwelche Gespräche, geschweige denn Verhandlungen oder gar Regierungsbeteiligungen mit der AfD besprechen. Das kommt nicht infrage.»

Scholz und Merz werben um Unentschlossene

Sowohl Merz als auch Scholz warben am Samstag bei den Abschlussveranstaltungen ihrer Parteien um unentschlossene Wählerinnen und Wähler. «Ich glaube nicht an Wunder, sondern an einen Wahlsieg», sagte Scholz in seiner Heimatstadt Potsdam. «Ich bin überzeugt, es wird diesmal so sein, dass ganz viele sich erst im Wahllokal entscheiden.» Auch Merz gab sich siegessicher: «Es sind noch knapp 26 Stunden. Dann ist die Ampel endgültig Geschichte in Deutschland», rief er in München.

Scholz sagte, er setze darauf, dass viele der SPD beide Stimmen geben, «damit wir stark genug sind und damit die Regierung unter meiner Führung fortgesetzt werden kann». Er gab sich optimistisch, einen Erfolg in seinem Wahlkreis in Potsdam zu erzielen, wo er unter anderem gegen Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) antritt. Falls Scholz das Direktmandat in Potsdam gewinnt, will er die gesamte Legislaturperiode im Bundestag bleiben – auch wenn er nicht erneut Kanzler wird. «Das steht schon ewig lange fest», sagte Scholz.

Söder demonstrativ hinter Merz – und gegen Schwarz-Grün 

Trotz zuletzt teils schlechter werdender Umfragewerte für die Union stärkte Söder Merz demonstrativ den Rücken. Der CDU-Chef sei ein Mann mit Rückgrat und habe alle Zusagen eingehalten, die er der CSU gegeben habe. Als Beispiel nannte er die Migrationspolitik. Unter Jubel wiederholte Söder auch seine kategorische Absage an eine Koalition mit den Grünen. Merz hält sich die Option einer Zusammenarbeit mit den Grünen hingegen offen. In Richtung FDP-Chef Christian Lindner sagte Söder: «Sorry, lieber Christian Lindner. Die Zeit ist vorbei.» 

TV-Speed-Dating zum Wahlkampfabschluss

Die Parteien haben bei den diesjährigen Wahlen noch stärker als zuvor auf Fernsehen und Internet als Medien im Wahlkampf gesetzt. Scholz und Merz haben sich in zwei TV-Duellen gegenübergestanden, und es gab weitere Runden mit allen vier Kanzlerkandidaten.

Am Samstagabend, also kurz vor dem Öffnen der Wahllokale, nahmen Scholz, Habeck und Weidel an einer Art Speed-Dating teil, bei dem sie von Bürgern befragt wurden. Merz hatte aus terminlichen Gründen abgesagt. Jeder der drei Politiker wurde von den Fragestellern jeweils drei Minuten lang befragt, wobei die Themen bunt gemischt waren.

Scholz befürwortete die Einführung eines neuen freiwilligen Wehrdienstes. Habeck argumentierte dafür, dass der Bund mehr Geld in die Kinderbetreuung investieren sollte, obwohl dies normalerweise Aufgabe der Länder und Kommunen sei. Weidel verlangte, die staatliche Förderung von Elektromobilität zu beenden.

Rund 100 Abgeordnete weniger

Der neue Bundestag muss spätestens 30 Tage nach der Wahl zusammentreten – also bis zum 25. März. Die Entscheidung über die künftige Regierung wird voraussichtlich aber erst Wochen oder gar Monate danach fallen. Bis dahin bleibt die bisherige Regierung geschäftsführend im Amt. Der neue Bundestag wird wegen einer Wahlrechtsreform deutlich schlanker sein. Die Zahl der Abgeordneten wurde auf 630 begrenzt – das sind gut 100 weniger als aktuell.

Wahlkampf kreiste um Migration und Wirtschaftsschwäche

Der kurze Winterwahlkampf wurde zuletzt von der Diskussion über eine Begrenzung der Migration geprägt. Die Anschläge in Magdeburg, Aschaffenburg und München, bei denen mehrere Menschen getötet und viele verletzt wurden, haben das Dauerthema erneut entfacht. Ein weiteres Hauptthema war die schwächelnde Wirtschaft. Merz hat Steuersenkungen und radikale Änderungen beim Bürgergeld angekündigt, während die SPD staatliche Investitionen durch eine Reform der Schuldenbremse erleichtern will.

dpa