SPD und CDU nähern sich an, um fünftes Bündnis zu schmieden. Gräben überwunden, Vertrauen wächst – Kanzlerkandidatur im Blick.
Schwarz-Rot: Merz und Klingbeil auf dem Weg zur Koalition

Eine Grundlage für die absehbare schwarz-rote Koalition ist gelegt: Friedrich Merz und Lars Klingbeil als wohl wichtigste Eckpfeiler sind nun per Du. «Wir wollen gar nicht beste Freunde werden, aber ein Vertrauensverhältnis ist gerade dabei zu wachsen», sagte der SPD-Vorsitzende in der ARD-Sendung von Caren Miosga. Merz und Klingbeil schicken sich an, das fünfte Bündnis von Union und SPD zu schmieden, das fünfte Mal wären die Sozialdemokraten dabei die Juniorpartner.
Vor ein paar Wochen war schwer vorstellbar, dass beide zueinander finden. Im Wahlkampf hatten sie sich nichts geschenkt. Vor allem der Vorstoß von Merz, im Parlament beim Thema Migration auch eine Mehrheit mit der AfD zu suchen, erboste Klingbeil. Merz spalte die demokratische Mitte und begehe einen «Tabubruch», kritisierte er damals. «Die Gräben zwischen Union und SPD sind tiefer geworden.» Nun sagte der SPD-Chef in der ZDF-Sendung «Maybrit Illner»: «Wir haben diese Dinge klären können. Und das ist für mich das Entscheidende.»
Erste Groko 1966 bis 1969
Zum ersten Mal bildeten Union und SPD 1966 eine – damals noch große – Koalition. Dies blieb für Jahrzehnte die Ausnahme. Der Grund war ähnlich wie zuletzt. Das christlich-liberale Bündnis unter Kanzler Ludwig Erhard (CDU) war am Streit über die Finanzpolitik in einer Wirtschaftskrise gescheitert. Neuer Kanzler wurde Kurt Georg Kiesinger (CDU), Vizekanzler und Außenminister Willy Brandt. Für den SPD-Politiker war das Außenamt der Ausgangspunkt für mehr. Nach der Bundestagswahl 1969 zog Brandt ins Kanzleramt ein.
Achse Merkel-Müntefering/Steinmeier ab 2005
Es vergingen 36 Jahre, bis es zu einer Neuauflage von Schwarz-Rot kam. Im Jahr 2005 lag die Union knapp vor der SPD. Die Regierung bildeten Angela Merkel als Kanzlerin und Franz Müntefering als Vizekanzler. Müntefering trat zur Mitte der Legislaturperiode aus der Regierung zurück, um sich mehr um seine kranke Frau kümmern zu können. Den Posten des Vizekanzlers übernahm der Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Merkel kam gut mit beiden Sozialdemokraten aus, obwohl es am Ende der Legislaturperiode Konflikte gab. Schließlich plante Steinmeier – im Herbst 2008 zum SPD-Kanzlerkandidaten gewählt – Merkel zu beerben. Dieser Plan scheiterte.
Vier Jahre Pause bis zur nächsten GroKo 2013
Der FDP bekamen die Regierungsjahre von 2009 bis 2013 schlecht, sie flog aus dem Bundestag, und Merkel machte wieder mit der SPD gemeinsame Sache. Vizekanzler wurde SPD-Chef Sigmar Gabriel. Auch das Verhältnis der beiden war durch ein Grundvertrauen geprägt. Später lobte Gabriel mal, Merkel sei ein «feiner Mensch». Er hob ihre Kollegialität hervor, bemängelte aber auch eine Sprunghaftigkeit der Chefin. Kanzlerkandidat aus dem Regierungsamt heraus wurde Gabriel nicht. Er verzichtete, Martin Schulz trat 2017 gegen Merkel an – und verlor.
Schwarz-Rot 2017 nur Notnagel
Nach der Bundestagswahl 2017 war Schwarz-Rot nicht die erste Wahl. Wochenlang bemühten sich Union, Grüne und FDP, ein neuartiges Bündnis, eine sogenannte Jamaika-Koalition, zu bilden. Die Liberalen stiegen aus den Gesprächen mit einem Knall aus (FDP-Chef Lindner: «Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.»). Mühsam rangen sich Union und SPD durch, wieder miteinander zu regieren. Merkel ging in ihre vierte Amtszeit, Olaf Scholz wurde Finanzminister und Vizekanzler. Aus dieser Position schaffte er es 2021 schließlich ins Kanzleramt.
Zweite Achse Fraktionsvorsitzende
Für die Regierenden ist es auch wichtig, dass die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden gut miteinander harmonieren. Obwohl der legendäre Spruch des ehemaligen SPD-Fraktionschefs Peter Struck gilt, wonach kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es eingebracht wird – das sogenannte Strucksche Gesetz. Dennoch müssen sie im Maschinenraum der Politik sicherstellen, dass kein Sand ins Regierungsgetriebe gelangt.
In der Kanzlerschaft Kiesingers waren dies Helmut Schmidt (SPD) und Rainer Barzel (CDU/CSU). Als stilbildend galt das Duo Volker Kauder (Union) und Peter Struck (SPD), die ihre enge Zusammenarbeit demonstrativ nach außen trugen, indem sie sich wechselseitig als «Mein Freund Volker» und «Mein Freund Peter» titulierten. Im Kabinett Merkel II arbeitete Kauder mit dem 2020 verstorbenen SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann kollegial zusammen.
Es bleibt abzuwarten, wer in den kommenden vier Jahren die Fraktionen leiten wird. Nach der Wahl vom 23. Februar wurden zunächst Merz und Klingbeil als Fraktionschefs gewählt. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass dies so bleibt.
Agieren auf «Augenhöhe»
Nun kommt es voraussichtlich zur fünften Auflage von Schwarz-Rot. Die Bezeichnung große Koalition verbietet sich, es schließen sich diesmal nicht die beiden stärksten Kräfte zusammen. Bei der Wahl hatte die AfD die SPD auf Platz drei verwiesen. Union und SPD haben keine andere Möglichkeit, als es wieder miteinander zu versuchen. «Es muss gelingen. Wir sind dazu verdammt», sagte Klingbeil in der ARD.
Beide hatten bisher nicht viel gemeinsam. Als CDU-Chef Merz noch Fraktionschef war, arbeitete Klingbeil im Büro des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD). 2009 verließ Merz den Bundestag, Klingbeil wurde damals gewählt – nach einem kurzen Intermezzo als Nachrücker 2005. Merz ist 69 Jahre alt, Klingbeil 47. Selbst im Sport trennen sich ihre Welten. Klingbeil ist Fan von Bayern München, Merz drückt Borussia Dortmund die Daumen.
Immerhin haben beide direkt ihren Wahlkreis gewonnen. Auch physisch können sie sich auf Augenhöhe begegnen. Der wahrscheinlich zukünftige Kanzler ist 1,98 Meter groß. Klingbeil steht ihm mit 1,96 Metern kaum nach. Noch ist nicht ganz klar, welchen Posten genau der SPD-Chef anstrebt. Er könnte Fraktionschef bleiben. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass er Vizekanzler im Kabinett wird und von dieser Position aus auf eine Kanzlerkandidatur 2029 zusteuert.