Angesichts von Trumps Annäherung an Putin fürchtet Kiew, die USA zu verlieren. Selenskyj bringt einen Deal nach Washington, um die Allianz zu retten – mit Rohstoffen. Das Papier wirft neue Fragen auf.
Die Ukraine zapft für US-Hilfe ihre Bodenschätze an
Die Ukraine gewährt den USA Zugang zu wertvollen Bodenschätzen, um die Supermacht als Verbündeten im Kampf gegen die russische Aggression zu behalten. Ein entsprechendes Abkommen soll heute unterzeichnet werden, wenn US-Präsident Donald Trump den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj in Washington empfängt.
Es wurde wochenlang über die Vereinbarung verhandelt und über den möglichen Ausverkauf der kriegsgeplagten Ukraine gestritten. Das Ergebnis ist eine politische Absichtserklärung. Der Weg zur tatsächlichen Nutzung der Rohstoffe ist jedoch noch weit.
Was genau wird in Washington unterzeichnet?
Das Rahmenabkommen mit elf Punkten sieht die Einrichtung eines Wiederaufbaufonds für die Ukraine vor. Genauer gesagt legt das Dokument fest, dass die Ukraine 50 Prozent aller Einnahmen aus zukünftigen Rohstoffprojekten in den Fonds einzahlen soll. Dies betrifft Mineralvorkommen, Kohlenwasserstoffe wie Erdöl und Erdgas sowie Einnahmen aus der Nutzung von Infrastruktur wie Häfen oder Flüssiggasterminals. Seltene Erden werden im Abkommen nicht explizit erwähnt.
Die Sicherheitsgarantien für die Ukraine werden im Dokument nur als Ziel genannt, das Washington unterstützen möchte. Genauere finanzielle Details und Verpflichtungen sollen in einem zukünftigen Vertrag festgelegt werden.
Wie geht es mit dem Abkommen weiter?
Nach Kenntnisstand wurde der eigentliche Vertrag über den Fonds bisher nicht verfasst. Es könnte Monate dauern, daran zu arbeiten. Der unterzeichnete Vertrag müsste auch vom Parlament in der Ukraine ratifiziert werden. Selenskyj kann sich dabei nicht mehr auf eine stabile Mehrheit stützen. Diskussionen über einen als Ausverkauf wahrgenommenen Vertrag könnten sich hinziehen. Ein schnelles Inkrafttreten gilt daher als unwahrscheinlich.
Über welche Rohstoffe verfügt die Ukraine, und wann ist mit ersten Projekten zu rechnen?
Der Gesamtwert der Bodenschätze wurde vom ukrainischen Ableger des «Forbes»-Magazins auf umgerechnet etwas mehr als 14 Billionen Euro geschätzt. Über 60 Prozent davon entfallen auf Steinkohle, die für die USA jedoch wenig interessant ist. Weitere 14 Prozent sind Eisenerz, während andere Rohstoffe jeweils unter 5 Prozent ausmachen. Viele Erkundungsdaten stammen noch aus sowjetischer Zeit. Informationen über die tatsächlich abbaubaren Vorkommen vor allem der von Trump erwähnten seltenen Erden gibt es nicht.
Die Lagerstätten seltener Metalle, die der staatliche geologische Dienst auflistet, liegen aktuell zu fast 40 Prozent unter russischer Kontrolle oder in Frontnähe. Nach aktuellen Kenntnissen verfügt die Ukraine über die europaweit größten Vorkommen an Lithium, das für Akkus benötigt wird. «Forbes» beziffert die bekannten Vorräte auf 33 Millionen Tonnen. Zwei Lagerstätten sind jedoch nach dem russischen Einmarsch unter Kontrolle Moskaus gekommen.
Für Elektronikbauteile ist Germanium wichtig, von dem in der ukrainischen Erde 41.000 Tonnen vermutet werden. Die USA könnten auch ihre Abhängigkeit von China senken, indem sie ukrainisches Titan verwenden, das im Flugzeugbau und bei Rüstungsgütern eingesetzt wird. Mit den neuntgrößten Vorräten weltweit kann die Ukraine eigenen Angaben zufolge die Weltproduktion für 15 Jahre abdecken.
Was verspricht sich die Ukraine von dem Abkommen?
Selenskyj hat bereits früher die wertvollen Rohstoffe seines Landes gegenüber den USA erwähnt. Auch in seinem Siegesplan vom Herbst 2024 appellierte er an Trump, der sich gerne als Geschäftemacher brüstet.
Trump stimmte zu, aber unter unannehmbaren Bedingungen. Es wurde berichtet, dass die USA 500 Milliarden Dollar forderten, sowie rückwirkende Zahlungen für US-Militärhilfe seit 2022 – das Zweieinhalbfache des ukrainischen BIP vor dem Krieg.
Die genannten Punkte sind jetzt nicht mehr im Abkommen enthalten. Berichten zufolge konnte die Ukraine auch sicherstellen, dass zumindest Sicherheitsgarantien erwähnt werden.
Denn das ist entscheidend: Die Ukraine strebt trotz der Annäherung zwischen Trump und dem Kremlchef Wladimir Putin danach, die USA als Verbündeten zu behalten, auch wenn Trump eine Aufnahme der Ukraine in die Nato ablehnt. Mit dem Abkommen als Rückendeckung kann Selenskyj in Washington die Frage nach Waffenlieferungen aufbringen.
Was will Trump erreichen?
Der US-Präsident benötigt dringend einen Erfolg. Sein Versuch, den seit 2022 anhaltenden russisch-ukrainischen Krieg innerhalb von 24 Stunden zu beenden, ist gescheitert. Das Abkommen gibt ihm die Möglichkeit, einen Deal vorzustellen, auch wenn es bisher keine konkreten Inhalte gibt. Wann genau Investitionen getätigt werden und mögliche Dividenden aus dem noch zu schaffenden Fonds in die USA zurückfließen, scheint unwichtig zu sein.
Bisher bleibt offen, woher das Geld für Investitionen kommen soll, wenn es nicht aus Steuermitteln stammt. Trump müsste Investoren attraktive Bedingungen bieten. Dazu gehört vor allem dauerhafter Frieden in der Ukraine.
Wer interessiert sich noch für die ukrainischen Rohstoffe?
Im Jahr 2021 hat die EU eine strategische Rohstoffpartnerschaft mit der Ukraine vereinbart, die bisher jedoch unkonkret geblieben ist. In Brüssel herrscht die Sorge, dass ein nachteiliger Deal mit den USA die finanzielle Lage der Ukraine schwächen könnte. Dies würde die Vergabe internationaler Kredite und die Verhandlungen über einen EU-Beitritt erschweren. Laut Verteidigungsminister Sébastien Lecornu führt auch Frankreich Gespräche mit der Ukraine, um Rohstoffe für seine Rüstungsindustrie zu erhalten.