Razzia bei Wohnungen und Gebäuden, 4 Festnahmen, Vorwurf: kriminelle Vereinigung und unerlaubte Geschäfte, Verbot des Vereins und Beschlagnahmung des Vermögens.
Verbot von "Königreich Deutschland" durch Dobrindt,800 Polizeikräfte im Einsatz gegen Reichsbürger-Vereinigung
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die aktuell größte bekannte Gruppierung sogenannter Reichsbürger und Selbstverwalter verboten. Der Verein «Königreich Deutschland» hat nach eigenen Angaben bundesweit etwa 6.000 Anhänger. Die Sicherheitsbehörden gehen allerdings von lediglich rund 1.000 Anhängern aus.
Laut Innenministerium haben mehr als 800 Polizeibeamte ab den frühen Morgenstunden Gebäude und Wohnungen führender Mitglieder des Vereins in Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen durchsucht. Auch Beamte der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht waren beteiligt.
Vier Festnahmen
Laut Generalbundesanwalt wurden vier Männer festgenommen. Einer von ihnen ist Peter Fitzek, ein gelernter Koch, der die Vereinigung 2012 in Wittenberg gegründet hatte. Zwei Festnahmen fanden im Landkreis Mittelsachsen statt, eine weitere jeweils in den Landkreisen Oder-Spree in Brandenburg und Bad Dürkheim in Rheinland-Pfalz. Es gab auch Durchsuchungen bei einem Verdächtigen im Kanton Solothurn in der Schweiz, der ebenfalls deutscher Staatsbürger sein soll.
Die Sprecherin der Bundesanwaltschaft teilte mit, dass die vier festgenommenen Deutschen im Alter von 37, 38, 46 und 59 Jahren seien.
Besondere Bedeutung des Falls
Die Untersuchungen werden angeblich wegen einer kriminellen Vereinigung durchgeführt. Die Bundesanwaltschaft ist in solchen Fällen nicht automatisch zuständig. Die oberste Anklagebehörde in Deutschland hat jedoch aufgrund der mutmaßlichen Rädelsführer und der besonderen Bedeutung die Ermittlungen an sich gezogen, erklärte die Sprecherin.
Fitzek werden demzufolge auch unerlaubte Einlagen- und Versicherungsgeschäfte vorgeworfen. Ein anderer der Beschuldigten soll ihm bei den Einlagengeschäften geholfen haben. Dobrindt sagte: «Es wurden Liegenschaften erworben, Teilorganisationen gegründet, wie eine sogenannte Königliche Reichsbank oder eine sogenannte Deutsche Heilfürsorge, mittels derer Geldmittel beschafft wurden.»
Vereinigung schuf einen «Gegenstaat»
«Das Ziel dieser Vereinigung ist es, einen sogenannten Gegenstaat zu gründen und sich von der Bundesrepublik Deutschland abzuspalten», sagte Dobrindt. Ihren vermeintlichen Herrschaftsanspruch untermauerten die Mitglieder der Vereinigung durch antisemitische Verschwörungserzählungen. Dieses Verhalten könne ein Rechtsstaat nicht dulden. Es handele sich bei den Mitgliedern der Vereinigung keineswegs um «harmlose Nostalgiker», sondern um kriminelle Strukturen, betonte der Minister.
Das sächsische Innenministerium wies auf Verstöße der Vereinigung gegen Baurecht und Gewerberecht hin, die von den zuständigen Behörden geahndet wurden.
Szene besteht aus vielen meist kleinen Gruppen
«Reichsbürger» erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an. Viele von ihnen behaupten, das historische Deutsche Reich bestehe bis heute fort. Sogenannte Reichsbürger lehnen demokratische und rechtsstaatliche Strukturen wie Parlament, Gesetze oder Gerichte ab. Steuern, Sozialabgaben oder Bußgelder wollen sie nicht zahlen. Die Szene besteht aus vielen, meist kleineren Gruppierungen. Manche «Reichsbürger» sehen sich als Staatsoberhäupter ihres eigenen kleinen Reiches. Der Verfassungsschutz geht von rund 30 länderübergreifend aktiven Gruppierungen aus.
Größte «Reichsbürger»-Vereinigung
Das «Königreich Deutschland» gilt derzeit als mitgliederstärkste Vereinigung aus dem Spektrum der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter. Der Verfassungsschutz rechnete der Szene insgesamt im Jahr 2023 rund 25.000 Anhänger zu. Für Schlagzeilen sorgte in den vergangenen Monaten vor allem die «Reichsbürger»-Vereinigung um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die einen gewaltsamen Umsturz der Bundesregierung geplant und dabei bewusst Tote in Kauf genommen haben soll. Am Oberlandesgericht Frankfurt wird gegen die Gruppe verhandelt. Parallel dazu laufen Verfahren in München und Stuttgart.
Es geht auch um Geld
«Wesensprägend für das „Königreich Deutschland“ ist eine dezidierte profitorientierte Ausrichtung», teilt das Bundesinnenministerium mit. Über Teilorganisationen würden seit Jahren unerlaubte Bank- und Versicherungsgeschäfte betrieben. Peter Fitzek, gebürtig aus Halle in Sachsen-Anhalt, hatte sich selbst zum Staatsoberhaupt erklärt. Er stand bereits mehrfach vor Gericht und wurde verurteilt. Vorgeworfen wurde ihm unter anderem, ohne Führerschein gefahren zu sein oder illegale Bankgeschäfte getätigt zu haben. Im März wurde ein Urteil des Amtsgerichts Wittenberg rechtskräftig, das Fitzek wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt hatte. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Fitzek im März 2022 im Dienstgebäude des Landkreises Wittenberg eine Mitarbeiterin bei einer verbalen Auseinandersetzung zunächst gegen eine Wand stieß und ihr einen Fußtritt versetzte.
Laut Generalbundesanwalt bestimmte Fitzek als «Oberster Souverän» die ideologische Ausrichtung der Gruppierung und erließ eigene «Gesetze». Zwei weitere Festgenommene bildeten demnach als seine Stellvertreter die oberste Leitungsebene. Der vierte Mann sei für die Finanzen zuständig gewesen.
Laut Bundesinnenministerium wird mit dem Verbot auch das Vermögen beschlagnahmt und die Online-Plattformen des Vereins gesperrt.