Offiziell will Washington mit seinen Angriffen auf Boote in der Karibik den Drogenschmuggel bekämpfen. Die Führung in Caracas vermutet allerdings etwas anderes.
Drogen oder doch Maduro im Visier? Trump gegen Venezuela

In der Karibik entsteht eine Situation. Das US-Militär hat vor der Küste Venezuelas eine starke Streitmacht versammelt. In Venezuela lässt der autoritäre Präsident Nicolás Maduro gleichzeitig die Streitkräfte trainieren und ruft Tausende Milizionäre zu den Waffen.
Was ist bislang passiert?
In den vergangenen Monaten haben die USA mehrfach Boote in der Karibik angegriffen, die angeblich Drogen geschmuggelt haben. Zusätzlich dazu beorderten die USA Soldaten in die Karibik. Auch der weltgrößte Flugzeugträger «USS Gerald R. Ford» wurde – begleitet von weiteren Kriegsschiffen und einem Langstreckenbomber – in die Region verlegt.
Maduros Angaben zufolge haben die USA 15.000 Soldaten und 14 Kriegsschiffe in der Karibik zusammengezogen – die genannte Soldatenzahl entspricht den Berichten der US-Medien.
Zuletzt erklärte Trump nach eigenen Angaben den Luftraum über dem südamerikanischen Land für geschlossen. «An alle Fluggesellschaften, Piloten, Drogendealer und Menschenschmuggler, bitte halten Sie den Luftraum über und um Venezuela für vollständig geschlossen», schrieb er auf Truth Social. Venezuela verurteilte Trumps Botschaft aufs Schärfste und bezeichnete sie als eine «feindselige Handlung».
Wie sind die Positionen der USA und Venezuelas?
Die US-Regierung gibt offiziell den Kampf gegen Drogenkartelle als Grund für das Vorgehen an. Es wird behauptet, dass auf den angegriffenen Booten Drogen transportiert wurden, wie es aus Washington heißt. Präsident Maduro wird auch persönlich beschuldigt, in Drogengeschäfte verwickelt zu sein.
Die Experten der Vereinten Nationen betrachten das Vorgehen der USA als Verletzung des humanitären Völkerrechts. Die rechtliche Grundlage für die Operationen bleibt allgemein umstritten. Laut Angaben der US-Regierung wurden seit Beginn der Angriffe insgesamt etwa 80 Menschen getötet.
Die Regierung in Caracas weist die Vorwürfe aus Washington zurück und betont, dass sie selbst entschlossen gegen Drogenhändler im eigenen Land vorgeht. Maduro sieht vielmehr den Versuch, einen Machtwechsel in Caracas zu erzwingen, hinter der Drohkulisse. Tatsächlich versuchte Trump bereits in seiner ersten Amtszeit, den linken Staatschef loszuwerden, doch Maduro überstand die Krise einfach.
Maduro ist der Ansicht, dass die USA es auf die riesigen Ölvorkommen Venezuelas abgesehen haben. Mit etwa 303 Milliarden Barrel (je 159 Liter) besitzt das Land die größten Ölreserven der Welt. Der Großteil der Exporte geht nach China, aber auch die USA importieren Öl aus Venezuela. Die Regierung in Caracas würde wahrscheinlich gerne mehr Öl an die USA liefern – wären da nicht die seit 2019 geltenden US-Sanktionen, die gegen die autoritäre Regierung von Maduro verhängt wurden. Früher waren die USA der wichtigste Kunde der venezolanischen Ölindustrie, an der US-Golfküste gibt es eine Reihe von Raffinerien, die speziell für das schwer zu verarbeitende Schweröl aus Venezuela ausgelegt sind.
Ist Venezuela überhaupt eine Drogenhochburg?
Venezuela wird nicht als Drogenproduktionsland angesehen, sondern als Transitland – insbesondere für den europäischen Markt. Die Drogen gelangen hauptsächlich auf anderen Wegen in die USA: Das synthetische Opioid Fentanyl, das zu schwerwiegenden Problemen geführt hat, wird hauptsächlich in Mexiko mit Rohstoffen aus China hergestellt und von dort in die USA geschmuggelt.
Auch die Rolle des organisierten Verbrechens in Venezuela wird nach Einschätzung von Experten von den USA nicht korrekt dargestellt. So handelt es sich bei der von Trump immer wieder erwähnten Bande Tren de Aragua laut der Nachrichtenseite «Insight Crime» nicht um einen international agierenden Drogenhändlerring, sondern eher um ein loses Netzwerk verschiedener Gangs, die in Schutzgelderpressung, Entführungen und den Straßenverkauf von Drogen verwickelt sind.
Gibt es Kritik am Vorgehen der USA?
Neben völkerrechtlichen Bedenken an den US-Schlägen steht mittlerweile vor allem Pentagon-Chef Pete Hegseth in der Kritik: Medienberichten zufolge hatte das US-Militär am 2. September ein angebliches Drogenschmugglerboot in der Karibik angegriffen und danach zwei Überlebende durch einen zweiten Angriff getötet. Hegseth solle dabei die Anweisung gegeben, «alle zu töten».
Laut CNN ist aber unklar, ob der Minister vor dem zweiten Angriff von den Überlebenden wusste. Laut «Washington Post» wurde der zweite Schlag nach Sichtung der Männer angeordnet, um Hegseths Anweisung zu erfüllen. Der zweite Angriff könnte laut Experten gegen das Völkerrecht verstoßen haben – die Überlebenden hatten sich der «Washington Post» zufolge an das Wrack geklammert und keine unmittelbare Bedrohung dargestellt.
Seither mehren sich kritische Stimmen. Sollten die Berichte wahr sein, sei Hegseths Handeln ein «klarer Verstoß gegen die eigenen Kriegsgesetze des Verteidigungsministeriums sowie gegen internationales Recht zum Umgang mit Menschen in dieser Situation», sagte der demokratische Senator Tim Kaine dem Sender CBS News.
Wie geht es jetzt weiter?
Es bleibt unklar, wie sich der Konflikt zwischen Washington und Caracas entwickeln wird. Es gibt viele mögliche Szenarien, von Luftangriffen auf illegale Flugpisten und Drogenlabors im Grenzgebiet zwischen Kolumbien und Venezuela bis hin zu einer massiven Militärintervention zur Entmachtung von Maduro.
Im Westen von Venezuela operieren viele bewaffnete Banden, darunter auch Abspaltungen linker Guerillaorganisationen aus Kolumbien. Durch Luftangriffe auf die Infrastruktur dieser Drogenhändler könnte die US-Regierung weiterhin darauf bestehen, dass ihr Hauptziel der Kampf gegen den Drogenhandel ist.
Die massive Militärpräsenz in der Karibik ist aber nach Einschätzung von Experten für einen Anti-Drogen-Einsatz überdimensioniert. James Story, der in Trumps erster Amtszeit US-Botschafter in Venezuela war, sagte dem Sender NPR, die eingesetzten militärischen Ressourcen seien «viel zu zerstörerisch», um sie nur zur Drogenbekämpfung einzusetzen. Die einzige Annahme, die man daher treffen könne, sei, dass «eine Art von Aktion gegen das Maduro-Regime möglich ist.»
Ein umfangreicher Einsatz in Venezuela könnte auch für das starke US-Militär mit erheblichen Risiken verbunden sein. Das Land ist fast dreimal so groß wie Deutschland und beherbergt neben den regulären Streitkräften auch zahlreiche bewaffnete Gruppen, die oft der Regierung nahestehen.
Der Gesprächsfaden ist noch nicht vollständig abgerissen. Trump hat kürzlich bestätigt, dass er mit Maduro telefoniert hat, aber keine Details über den Inhalt des Gesprächs preisgegeben.
Machtwechsel in Caracas?
Aktuell gibt es keine konkreten Hinweise auf einen geplanten Sturz von Maduro, so Beobachter. Auch wenn der langjährige Staatschef derzeit nur auf etwa 20 Prozent der Bevölkerung zählen kann, würden die meisten Venezolaner eine ausländische Intervention ablehnen. Ein plötzliches Machtvakuum nach Jahren autoritärer Herrschaft könnte das Land ins Chaos stürzen und die gesamte Region destabilisieren.








