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Drohnen-Abschuss in Polen: Konfliktpotenzial an Ostflanke

Nach mehrfachen Drohnen-Vorfällen greift Polen durch: Kampfjets zerstören unbemannte Flugobjekte, Flughäfen werden geschlossen. Was bedeutet das für die Sicherheit an der Nato-Grenze?

Flugzeuge der polnischen Luftwaffe haben in der Nacht Drohnen zerstört, die in den Luftraum des Landes eingedrungen waren. (Archivbild)
Foto: Leszek Szymanski/PAP/dpa

In den letzten Wochen hat Polen mit zunehmender Besorgnis beobachtet, dass immer wieder Drohnen aus dem Osten in seinen Luftraum eindringen. Die polnische Luftwaffe hat nun reagiert: Während eines russischen Angriffs auf die Ukraine wurden mehrere unbemannte Flugobjekte abgeschossen.

Was genau ist passiert?

In der Nacht auf Mittwoch hat – inmitten einer russischen Angriffswelle auf die Ukraine – eine größere Anzahl von Drohnen den polnischen Luftraum verletzt. Das Oberkommando der Armee sprach von «mehr als einem Dutzend». Aus der Nato heißt es, in Polen seien mehr als zehn Objekte vom Radar erfasst worden. Nach Angaben von Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz haben daraufhin aufgestiegene Kampfjets ihre Waffen gegen die feindlichen Objekte eingesetzt. Von der Armee hieß es, mehrere Drohnen seien zerstört worden.

Mehrere Flughäfen, darunter der internationale Flughafen Warschau-Chopin sowie die Airports in Lublin und Rzeszow im Osten des Landes, wurden vorübergehend geschlossen. Der Flughafen Warschau-Chopin hat mittlerweile den Betrieb wieder aufgenommen.

Warum hat dieser Vorgang eine neue Dimension?

Bislang hat Polen regelmäßig bei russischen Luftangriffen gegen die Ukraine die Kampfjets seiner eigenen Luftwaffe und die in Polen stationierten Maschinen der Nato-Partner aufsteigen lassen. Dies geschah jedoch nur zur Überwachung. Seit einigen Tagen wurde auch die Luftabwehr in Alarmbereitschaft versetzt. Neu an dem aktuellen Vorfall ist, dass tatsächlich Flugobjekte im Luftraum über Polen abgeschossen wurden.

Wie oft sind schon Drohnen und andere Flugobjekte über Polen abgestürzt?

In den vergangenen Wochen gab es mehrere Vorfälle, bei denen feindliche Flugobjekte in den polnischen Luftraum eingedrungen sind. Erst am Montag wurden Trümmer einer Drohne in einem Maisfeld nahe des Dorfes Polatycze an der Grenze zu Belarus gefunden. Die Drohne hatte keine Sprengladung an Bord und war kyrillisch beschriftet, so die Staatsanwaltschaft. Es ist noch zu früh zu sagen, ob es sich um eine Militärdrohne oder ein von Schmugglern eingesetztes Fluggerät handelte. Es gab keine Verletzten.

Im August stürzte bereits eine Drohne in ein Feld in der Nähe des polnischen Dorfes Osiny und explodierte dort. Das Verteidigungsministerium bezeichnete sie damals als russische Militärdrohne und warf Moskau Provokation vor.

Der gravierendste Vorfall fand im November 2022 statt: Zu dieser Zeit traf eine Rakete das ostpolnische Dorf Przewodow, wobei zwei Männer getötet wurden. Nach bisherigen Erkenntnissen handelte es sich um eine fehlgeleitete ukrainische Flugabwehrrakete.

Wissen wir, woher die Drohnen kamen?

Es ist noch nicht offiziell geklärt. Es ist nur bekannt, dass die Drohnen zu einem Zeitpunkt in den polnischen Luftraum eingedrungen sind, als Russland massive Luftangriffe gegen die Ukraine durchgeführt hat. Polen, ein EU- und Nato-Land, teilt eine Grenze von mehr als 500 Kilometern mit der Ukraine.

Gab es dieses Mal eine konkrete Bedrohung – oder wollte Polen ein Zeichen setzen?

Das Oberkommando der polnischen Armee spricht davon, dass es sich diesmal wegen der großen Zahl der Drohnen um einen nie dagewesenen Vorfall handelt. «Dies ist ein Akt der Aggression, der eine reale Bedrohung für die Sicherheit der Bevölkerung dargestellt hat», hieß es in einer Mitteilung. 

Nach den Vorfällen der vergangenen Wochen dürfte es Polen aber auch darum gegangen sein, ein klares Zeichen zu setzen. So hatte Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz bereits am Dienstag gesagt, der Abschuss von Drohnen sei «gerechtfertigt», die konkrete Entscheidung darüber müsse aber die Armee treffen.

Polen ist zusätzlich alarmiert, weil am Freitag im benachbarten Belarus das russisch-belarussische Militärmanover «Sapad-2025» (Westen-2025) starten soll. Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, geht von rund 13.000 übenden Soldaten in Belarus und weiteren 30.000 auf russischem Gebiet aus. Nach Angaben aus Minsk soll das Manöver allerdings gegenüber den ursprünglichen Planungen verkleinert und von der Westgrenze ins Landesinnere verlegt werden – um die Spannungen mit dem Westen zu verringern. Polen will trotzdem seine Grenze zu Belarus schließen – aus Angst vor Provokationen. 

Welches Konfliktpotenzial droht?

Seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 haben Polen und die baltischen NATO-Mitglieder Angst davor, in diesen Konflikt hineingezogen zu werden. Es war unklar, ob es sich bei den ersten Luftraumverletzungen an der Ostflanke um technische Störungen handelte. Luftverteidigungssysteme können auch die unbemannten Systeme vom Kurs abbringen.

Die hohe Anzahl an Drohnen in der vergangenen Nacht deutet jedoch auf eine Eskalation der Lage an der Nato-Außengrenze hin. Europäische Nato-Militärs haben seit einiger Zeit gesagt, dass Russland die Reaktion der Nato testen und Zweifel am Handlungswillen säen wolle. Das Bündnis setzt derzeit niederländische F-35-Tarnkappenjets sowie deutsche Eurofighter und Patriot-Luftverteidigungssysteme zum Schutz des Luftraums in Polen ein.

Kann Polen um Unterstützung der Nato bitten?

Ja. In einem ersten Schritt würde das Land aber wahrscheinlich ein Verfahren nach Artikel 4 des Nato-Vertrags beantragen. Er sieht Beratungen vor, wenn sich ein Nato-Staat von außen gefährdet sieht. Konkret heißt es darin: «Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebiets, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht ist.» 

Seit der Gründung des Bündnisses im Jahr 1949 wurde der Artikel sieben Mal in Anspruch genommen – zuletzt am 24. Februar, dem Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine. Den Antrag stellten damals Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Tschechien und die Slowakei.

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Polen nach Artikel 5 um militärische Unterstützung der Allianz bittet, da dies ein erhebliches Eskalationsrisiko darstellen würde. Artikel 5 des Nato-Vertrags regelt die Beistandsverpflichtung in der Allianz und besagt, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere Alliierte als ein Angriff gegen alle angesehen wird.

dpa