Westliche Staaten und EU fordern Flut von Hilfsgütern, Israel weist Vorwürfe zurück
Druck auf Israel wegen humanitärer Lage im Gazastreifen steigt

Der internationale Druck auf Israel wegen der katastrophalen humanitären Lage im umkämpften Gazastreifen nimmt zu. «Alle Grenzübergänge und Routen müssen genutzt werden, um eine Flut von Hilfsgütern nach Gaza zu ermöglichen», fordern 26 westliche Staaten und die EU-Kommission in einer gemeinsamen Erklärung. Deutschland schloss sich dem Appell nicht an.
«Vor unseren Augen breitet sich eine Hungersnot aus», heißt es in der Erklärung – um die Zivilbevölkerung zu schützen, seien dringende Maßnahmen notwendig. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte dagegen jüngst: «Es gibt keine Politik des Aushungerns im Gazastreifen, und es gibt keinen Hunger im Gazastreifen.»
Die Erklärung wurde von drei EU-Kommissarinnen – darunter die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas – sowie den Außenministerinnen und Außenministern der meisten EU-Länder, Australiens, Kanadas, Islands, Japans, Norwegens, der Schweiz und Großbritanniens unterzeichnet. Laut dem Appell werden Nahrung, Unterkünfte, Treibstoff, sauberes Wasser und Medikamente benötigt. Darüber hinaus müssen Zivilisten und Helfer an den Verteilungsstellen geschützt werden.
USA halten an umstrittener Stiftung fest
Es gibt immer wieder Berichte über tödliche Zwischenfälle in der Nähe der von der umstrittenen Gaza Humanitarian Foundation (GHF) betriebenen Verteilstellen. Die Stiftung wird von Israel und den USA unterstützt und begann ihren Einsatz in dem abgeriegelten Küstengebiet im Mai nach einer fast dreimonatigen israelischen Blockade von Hilfslieferungen.
Das US-Außenministerium hatte nach eigenen Angaben 30 Millionen Dollar für die GHF genehmigt. Davon seien bislang «mehr als die Hälfte» ausgezahlt worden, wie eine Sprecherin des Ministeriums erklärte. US-Präsident Donald Trump wolle zur Verbesserung der Lage beitragen – aufbauend auf dem Einsatz der GHF.
Internationale Organisationen betrachten die GHF jedoch nicht als geeignet, die Situation der Notleidenden in dem weitgehend zerstörten Küstengebiet zu verbessern. Dies könne nur durch die bewährten Mechanismen der UN und anderer Organisationen mit entsprechender Erfahrung erreicht werden.
Israel: Bewaffnete nutzten Emblem von Hilfsorganisation
Die 26 westlichen Staaten und die EU-Kommission forderten, dass die israelische Regierung den UN- und Nichtregierungsorganisationen dauerhaften Zugang zu dem Gebiet gewährt. Israel hatte den neuen Verteilmechanismus der GHF eingeführt, um UN-Hilfsorganisationen und andere Initiativen zu umgehen. Nach Angaben der Regierung Netanjahus soll auf diese Weise verhindert werden, dass die Hamas humanitäre Hilfsgüter für sich abzweigt.
Laut israelischen Militärangaben haben bewaffnete Palästinenser im Gazastreifen ein Fahrzeug mit einem gefälschten Emblem der Hilfsorganisation World Central Kitchen (WCK) benutzt. Nach Rücksprache mit WCK und der Feststellung, dass das Fahrzeug nicht zu ihnen gehörte, wurden am Wochenende fünf Bewaffnete aus der Luft getötet, da sie als Bedrohung angesehen wurden. WCK bestätigte auf Anfrage, dass sie von der israelischen Seite kontaktiert wurden und bestätigten, dass weder das Fahrzeug noch die Personen zu ihnen gehörten.
Al-Dschasira korrigiert Zahl getöteter Mitarbeiter
Inzwischen hat der arabische TV-Sender Al-Dschasira die Anzahl seiner Mitarbeiter, die bei einem israelischen Luftangriff im nördlichen Gazastreifen getötet wurden, nach unten korrigiert. Der Sender teilte mit, dass neben dem Korrespondenten Anas al-Scharif drei seiner Kollegen bei einem gezielten Angriff auf ein Zelt für Journalisten in der Stadt Gaza ums Leben gekommen seien. Zuvor hatte Al-Dschasira von fünf getöteten Mitarbeitern gesprochen. Laut Reporter ohne Grenzen starben insgesamt sechs Journalisten.
Das israelische Militär hat den Tod von Anas al-Scharif bestätigt. Der 28-Jährige gab sich als Al-Dschasira-Journalist aus, führte aber eine Terrorzelle der islamistischen Hamas an, erklärte die Armee. Sie stützte sich auf angebliche Informationen der Geheimdienste und Dokumente, die seine militärische Zugehörigkeit zur Hamas im Gazastreifen belegen sollen. Israels Militär äußerte sich nicht zu den anderen fünf Opfern des Angriffs. Die internationale Kritik am Angriff auf die Journalisten war groß.
Israelische Kampfpiloten fordern Ende des Kriegs
In Israel haben etwa 200 ehemalige und aktive israelische Kampfpiloten vor dem Militärhauptquartier in Tel Aviv demonstriert, um ein Ende der Kämpfe und eine Vereinbarung zur Freilassung der Geiseln zu fordern. Trotzdem verfolgt die Regierung einen neuen Kriegsplan, der laut Ministerpräsident Netanjahu neben der Einnahme der Stadt Gaza auch die Zerschlagung der Hamas in den zentralen Flüchtlingslagern vorsieht.
Neben den USA bemühen sich laut Medienberichten auch Katar und Ägypten derzeit um eine Wiederaufnahme der indirekten Gespräche zwischen Israel und der Hamas über eine Waffenruhe und Geiselfreilassung. Nach Angaben aus ägyptischen Sicherheitskreisen kam am Dienstag eine Hamas-Delegation zu Gesprächen in die ägyptische Hauptstadt Kairo. Die Gespräche sollten heute fortgesetzt werden, zitierte die «Times of Israel» einen arabischen Diplomaten.
Netanjahu lehnt Teil-Abkommen ab
Netanjahu sagte dem Sender «i24news», er sei nicht mehr zu einem «Teil-Abkommen» mit der Hamas bereit. Man strebe stattdessen einen Deal an, in dessen Rahmen alle 50 noch im Gazastreifen verbliebenen Geiseln – die Lebenden und die Toten – gleichzeitig von der Hamas herausgegeben werden. Die Islamisten fordern im Gegenzug ein vollständiges Ende des fast zweijährigen Krieges und einen Abzug der israelischen Truppen aus Gaza.
UN: Hinweise auf sexuelle Gewalt gegen Palästinenser
UN-Generalsekretär António Guterres ist äußerst besorgt über nach seinen Angaben glaubwürdige Informationen, wonach israelische Sicherheitskräfte palästinensischen Gefangenen sexuelle Gewalt zugefügt haben sollen. Die Vorwürfe, die er in einem Brief an Israels UN-Botschafter Danny Danon geäußert hat, beziehen sich auf angebliche Vorfälle in mehreren Gefängnissen, einem Haftzentrum und einer Militärbasis. Danon hat die Anschuldigungen zurückgewiesen.
Guterres‘ Brief geht der Veröffentlichung des jährlichen UN-Berichts zu sexualisierter Gewalt voraus. Er schreibt, es sei schwierig gewesen, Hinweise zu sammeln, weil den UN-Beobachtern der Zugang zu den besagten Gebäuden verweigert worden sei. «Ich fordere die israelische Regierung dringend auf, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die sofortige Einstellung aller Akte sexueller Gewalt sicherzustellen», so Guterres.
Danon, der den Brief veröffentlicht hatte, kritisierte Guterres auf der Plattform X: Der UN-Generalsekretär habe sich erneut «auf unbegründete Anschuldigungen gestützt, die auf tendenziösen Veröffentlichungen basieren». Die Vereinten Nationen sollten sich auf «die schockierenden Kriegsverbrechen der Hamas» und die «sofortige Freilassung aller Geiseln» konzentrieren.