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Elektronische Patientenakte (ePA) kommt nach Deutschland

Der deutschlandweite Roll-Out der ePA steht unmittelbar bevor. Praxen und Kliniken testen das System bereits in drei Regionen.

In der ePA speichern Ärzte Befunde oder verordnete Medikamente. Aber auch die Patienten können Dokumente hochladen.
Foto: Daniel Karmann/dpa

In einigen Regionen ist die elektronische Patientenakte (ePA) schon in Arztpraxen Alltag. Schritt für Schritt soll sie bundesweit eingeführt werden. Gemäß den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums soll dies zu Beginn des zweiten Quartals geschehen, das im April begonnen hat. Ein genauer Termin steht noch aus. Welche Auswirkungen wird dies auf Patientinnen und Patienten haben? Und welche Erfahrungen hat ein Hausarzt in Nürnberg damit gemacht?

Wie läuft die bundesweite Ausdehnung?

Seit 15. Januar haben 70 Millionen der gut 74 Millionen gesetzlich Versicherten in ganz Deutschland eine ePA von ihrer Krankenkasse angelegt bekommen. Das Zusammenspiel mit Praxen und Kliniken wird aber zunächst nur in drei Regionen getestet. «Der deutschlandweite Roll-Out steht unmittelbar bevor», sagt der geschäftsführende Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Er gehe davon aus, «dass wir in den kommenden Wochen in eine Hochlaufphase außerhalb der Modellregionen eintreten können». Dann komme eine nächste, breiter aufgesetzte Stufe der Testung – für Ärztinnen und Ärzte zunächst freiwillig.

Dabei gelte für das bundesweite Ausrollen: «Sicherheit geht immer vor.» Und: «Wir werden die nächste Stufe immer erst einführen, wenn wir die Stufe davor gründlich getestet haben.» Als wählbares Angebot, um das man sich aktiv kümmern musste, waren E-Akten bereits 2021 eingeführt worden, sie wurden aber kaum verwendet. Daher kehrte die Ampel-Koalition das Prinzip mit einem Gesetz um: Jetzt bekommen alle eine E-Akte, außer man widerspricht aktiv.

Welche Informationen werden in der ePA gespeichert?

Die elektronische Patientenakte ist dafür gedacht, Versicherte über ihr gesamtes Leben hinweg zu begleiten. In dieser digitalen Speicherung werden unter anderem Arztbriefe, Befunde, Laborwerte und verschriebene Medikamente gesammelt. Praxen, Kliniken und Apotheken erhalten Zugriff, wenn die Versicherten ihre Krankenkassenkarte in das Lesegerät stecken. Dieser Zugriff ist standardmäßig auf 90 Tage beschränkt.

Die Versicherten können über die Smartphone-App ihrer Krankenkasse Zugriffsrechte widerrufen oder festlegen, welche Mediziner wie lange Einsicht erhalten sollen. Auf diese Weise haben sie auch die Möglichkeit, selbst Dokumente in die E-Akte hochzuladen, wie beispielsweise selbst geführte Blutdruck-Tagebücher oder wichtige Diagnosen aus der Vergangenheit.

Wie funktioniert die ePA in der Praxis?

In den drei Modellregionen Hamburg und Umland, Franken und Teilen Nordrhein-Westfalens testen bereits 300 Praxen, Apotheken und Kliniken die ePA im Alltag. Darunter ist auch die Praxis des Nürnberger Hausarztes Nicolas Kahl. «Es funktioniert noch nicht alles, aber es läuft stabil», sagt er.

Die Akte ist zu Beginn leer und wird durch die Behandlung mit Dokumenten gefüllt. Derzeit haben Kahl und sein Praxisteam die Möglichkeit, PDF-Dateien von beispielsweise EKG oder Lungenfunktionstests in die ePA hochzuladen. Zudem werden alle E-Rezepte, die er ausstellt, automatisch dort gespeichert.

Seit Beginn der Pilotphase haben sich die Zugriffe auf die E-Akten laut der mehrheitlich bundeseigenen Digitalagentur Gematik kräftig erhöht – auf über 276.000 in der vergangenen Woche. Medikationslisten wurden fast 69.000 Mal abgerufen. Täglich werden laut Ministerium routinemäßig 3,5 Millionen E-Rezepte in die E-Akten eingefügt.

Welche Kritik gibt es?

Die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) in den Modellregionen halten es noch für zu früh für einen bundesweiten Start. «Ein Großteil der Praxen verfügt zwar über das entsprechende ePA-Modul, allerdings melden die Praxisteams weiterhin technische Probleme und Herausforderungen bei der Integration in die Praxisabläufe zurück», heißt es von der KV Westfalen-Lippe. Zum Teil könne nicht auf E-Akten zugegriffen werden, oder es gebe lange Ladezeiten. Auch die KV in Bayern sieht keine Fortschritte bei der Problemlösung. Die Akzeptanz von Ärzten und Versicherten könnte leiden, sollte die ePA zu früh starten.

Welche Vorteile bietet die ePA?

Fachleute sind überzeugt, dass die elektronische Patientenakte die Behandlung verbessern kann. Dadurch könne er die Befunde von anderen Ärzten sehen und müsse diesen nicht mehr hinterherrennen, sagt Hausarzt Nicolas Kahl. Das spare Zeit und verhindere Doppel-Behandlungen. «Es hilft uns, wenn wir einen Patienten nicht gut kennen und dieser keine Auskunft über seine Medikamente geben kann.» Das könne zum Beispiel helfen, gefährliche Wechselwirkungen zwischen Medikamenten zu verhindern. 

«Es wird sich perspektivisch lohnen», ist sich Kahl sicher. Allerdings werde das Monate, wenn nicht Jahre, dauern. Denn es kommen nur Befunde und Medikamente in die E-Akten, die nach deren Start gestellt beziehungsweise verschrieben wurden. Wenn Patienten ältere Diagnosen oder Verordnungen hinterlegen wollen, müssen sie diese selbst hochladen. Maximal zehn Dokumente seien jährlich möglich, sagt Kahl. 

Wie ist die Akzeptanz?

Bei der AOK haben nach Angaben des Bundesverbands rund 4 Prozent der 27,49 Millionen Versicherten der ePA widersprochen. Bei der Techniker Krankenkasse sind es 7 Prozent der 11,9 Millionen Versicherten. Auch in der Praxis von Nicolas Kahl haben bisher nur wenige Patienten und Patientinnen Vorbehalte geäußert. «Im einstelligen Prozentbereich», sagt der 37-Jährige.

Seine Erfahrung: Wer die E-Akte ablehne, habe oft Angst, dass die Daten in die falschen Hände geraten könnten. «Manche wollen auch nicht, dass ich sehe, dass sie bei einem anderen Mediziner waren.» Für die meisten Patienten aber sei die ePA überhaupt kein Thema, hat er festgestellt. «Die haben gar nicht auf dem Schirm, dass sie eine haben.»

Wie sicher sind die Gesundheitsdaten in der ePA?

Computerspezialisten und verschiedene Organisationen aus dem Gesundheitswesen haben vor dem Start in den Modellregionen vor Sicherheitslücken gewarnt, durch die Unbefugte Zugriff auf alle E-Akten erhalten könnten. Lauterbach betonte, dass es gelungen sei, Sicherheitsprobleme für den Massenzugriff zu lösen, die der Chaos Computer Club herausgearbeitet hatte.

Die Expertin Bianca Kastl und Martin Tschirsich vom Chaos Computer Club hatten sie aufgedeckt. Diese bestehen aus Kastls Sicht trotz Updates weiter. «Bei den versprochenen Updates handelt es sich lediglich um den Versuch der Schadensbegrenzung bei einem der vielen von uns demonstrierten Angriffe», sagte sie. «Elektronische Patientenakten lassen sich weiterhin mit geringem Aufwand angreifen.»

dpa