Ein 17-Jähriger aus Schleswig-Holstein steht unter Terrorverdacht: Er plante nach Erkenntnissen der Ermittler einen Anschlag im Dezember oder Januar. Mit wem hatte er Kontakt im Ausland?
Elmshorner Terrorverdächtiger wusste von Ermittlungen
Der in Elmshorn wegen mutmaßlicher Anschlagspläne festgenommene 17-Jährige soll trotz Kenntnis der gegen ihn laufenden Ermittlungen seine Pläne vorangetrieben haben. «Es gab einen ersten Kontakt. Der Beschuldigte wusste, dass die Ermittler ihn auf dem Radar haben», sagte die Leitende Flensburger Oberstaatsanwältin Stephanie Gropp im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags mit Blick auf Medienberichte über einen Polizeieinsatz bereits im März.
Der Deutsche mit türkischen Wurzeln habe sich in den vergangenen Monaten stark radikalisiert, sagte Gropp. Im Oktober habe er sich mit einer bislang nicht bekannten Kontaktperson aus dem Ausland zur Planung eines terroristischen Anschlags verabredet. Ziel des Anschlags auf einen unbekannten, willkürlich ausgewählten Personenkreis sei es gewesen, «auf diesem Weg den Märtyrer-Tod zu sterben, also in das Paradies zu gelangen».
«Die Planungen dazu haben durchaus konkrete Formen angenommen, waren aber noch nicht abgeschlossen», sagte die Leitende Oberstaatsanwältin. Der Beschuldigte habe zwei mögliche Tatzeiträume im Dezember und im Januar ins Auge gefasst. «In Bezug auf die Tatmodalitäten war der Beschuldigte nach den bisherigen Erkenntnissen noch nicht festgelegt.» Es habe auch keine räumliche Konkretisierung gegeben.
Nizza als Vorbild?
Der 17-Jährige habe sich mit den Anschlägen der vergangenen Jahre im In- und Ausland beschäftigt, sagte Gropp. «Er hat sie sozusagen als Vorbild genommen, unter anderem auch den Anschlag in Nizza im Jahre 2016. Eine Tatbegehung mittels Lkw war danach dann eine Modalität, auf die der Beschuldigte aber keineswegs festgelegt war.»
Am 14. Juli 2016, dem französischen Nationalfeiertag, hat der Tunesier Mohamed Lahouaiej Bouhlel auf der Flaniermeile Promenade des Anglais in Nizza kurz nach dem Feuerwerk mit einem tonnenschweren Lastwagen in eine Menschenmenge gerast. Er hat auch auf Menschen geschossen. Insgesamt gab es 86 Todesopfer und über 200 Verletzte. Der Täter wurde nach der Tat erschossen.
Definitiv nicht festgelegt sei bisher aber das Anschlagsziel gewesen. Schlagzeilen, nach denen ein Weihnachtsmarkt das Ziel gewesen sei, würden die Ermittlungen nicht decken, sagte Gropp. Es hätte alle möglichen Ziele geben können, ein Fußballspiel, ein Konzert, ein Bahnhof. «Vorschnelle Schlussfolgerungen sollten wir alle vermeiden, weil das Sorgen schürt und die Ermittlungen beeinträchtigt», sagte Gropp.
Zugriff vor greifbarer Gefahr für die Bevölkerung
Anfang November hatten die Ermittlungsbehörden genügend Informationen für den Zugriff gesammelt. Der Zugriff erfolgte, bevor eine konkrete Gefahr für die Bevölkerung bestand. Die bisherigen Ermittlungen hatten jedoch gezeigt, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit bestand, dass die Pläne umgesetzt werden würden. Der Haftbefehl bezog sich auf Paragraph 30 Absatz 2 des Strafgesetzbuches, die Verabredung zum Mord mit anderen. Dies sieht eine Freiheitsstrafe von höchstens zehn Jahren vor.
Gropp lehnte weitere Informationen zur Persönlichkeit und zum Werdegang des 17-Jährigen mit Verweis darauf ab, dass es sich um einen Jugendlichen handelt. Jugendliche benötigen besonderen Schutz. Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU) kündigte an, dass eine potenzielle Hauptverhandlung vor einem Jugendgericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden wird.
Kommunikation abgehört
Seit März ermittelt die Flensburger Staatsanwaltschaft gegen den 17-Jährigen aus der Stadt nordwestlich von Hamburg. Medienberichten zufolge wurde Kommunikation abgehört, die deutschen Behörden bekamen einen Hinweis. «Wir sind gelegentlich abhängig von ausländischen Diensten», räumte Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) bereits am Dienstag ein. Oberstaatsanwalt Bernd Winterfeldt wollte sich im Ausschuss nicht zu Hinweisgebern äußern.
Dem Jugendlichen wird vorgeworfen, eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorzubereiten und zum Mord verabredet zu haben. Laut Staatsanwaltschaft sieht das Gesetz im Falle einer Verurteilung die Anwendung des Jugendstrafrechts für den Beschuldigten vor.
Reaktionen aus der Politik
Der Grünen-Innenpolitiker Jan Kürschner betonte, «es ist erschütternd, dass nach meinem Eindruck die Planer dschihadistischer Anschläge zunehmend Minderjährige als Zielobjekte in Visier nehmen, um diese in verabscheuungswürdiger Weise zu instrumentalisieren.» Glücklicherweise sei ein Anschlag in diesem Fall noch weit weg gewesen. «Ich bin froh, wenn wir Hinweise befreundeter Nachrichtendienste erhalten.»
Niclas Dürbrook, der SPD-Abgeordnete, schlug vor, dass die Staatsanwaltschaft erneut vor den Ausschuss geladen wird, sobald weitere Informationen zu dem Fall vorliegen.
Innenministerin Sütterlin-Waack (CDU) sagte nach der Ausschusssitzung, angesichts der abstrakten Gefahr müsse man besorgt sein. Auf den Weihnachtsmärkten werde die Polizei eine erhöhte Präsenz zeigen, damit die Menschen «sich sicher fühlen und ihren Punsch trinken können».